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Bauplanungsrecht: Zur Bebaubarkeit einer kahlgeschlagenen oder ohne Erlaubnis gerodeten Waldfläche

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Bauplanungsrecht: Zur Bebaubarkeit einer kahlgeschlagenen oder ohne Erlaubnis gerodeten Waldfläche

§ 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG, Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 Satz 1, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG, § 34, § 35 Abs. 2 BauGB, Art. 71 BayBO

Wald; Wald im Rechtssinne; Kahlschlag; Rodung; Rodungserlaubnis; Wiederaufforstungspflicht; Vorbescheid; Sachbescheidungsinteresse; Innenbereich; Außenbereich

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27.04.2023, Az. 1 ZB 22.2096

Orientierungssatz der LAB

Sowohl eine ohne Erlaubnis vorgenommene Beseitigung des Waldes zugunsten einer anderen Bodennutzungsart (Rodung) als auch ein in Form einer Waldbewirtschaftungsmaßnahme vorgenommener Kahlschlag ändern nichts daran, dass eine Waldfläche weiterhin rechtlich als Wald im Sinn des Art. 2 Abs. 1 BayWaldG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG anzusehen und damit einer Bebaubarkeit für waldfremde Nutzungen entzogen ist.

Hinweise

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hatte im Rahmen eines Berufungszulassungsverfahrens Gelegenheit, sich zur Frage der waldrechtlichen Auswirkungen auf die Bebaubarkeit einer Waldfläche zu äußern, deren Waldbestand rechtswidrig beseitigt wurde.

1. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger als Eigentümer einer Waldfläche den Wald ohne Rodungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Waldgesetz (BayWaldG) beseitigt und begehrte nun die Erteilung eines Vorbescheids für ein Einfamilienhaus, weil der in diesem Bereich Wald festsetzende Bebauungsplan (§ 9 Abs. 1 Nr. 18b BauGB) unwirksam sei und es sich bei der Fläche (vermeintlich) um eine Innenbereichsfläche im Sinn des § 34 BauGB handle. Er behauptete, der Wald sei durch meteorologische Extremereignisse und Borkenkäferbefall sukzessive zerstört worden und es sei aufgrund topographischer sowie meteorologischer Umstände ausgeschlossen, dass sich langfristig wieder eine waldähnliche Bepflanzung entwickeln kann. Letzteres hatte das Verwaltungsgericht nach Vornahme eines Augenscheins anders beurteilt und die Klage abgewiesen.

2. Im Berufungszulassungsverfahren hielt der BayVGH die umstrittene Frage der faktischen Eignung der streitgegenständlichen Fläche für eine Wiederaufforstung bzw. (natürliche) Wiederentwicklung von Wald für nicht entscheidungserheblich, weil die Fläche weiterhin als Wald im Rechtssinne anzusehen sei (s. Rn. 10; vgl. dazu auch BayVGH, Beschluss vom 07.02.2023, Az. 22 CS 22.1908, juris Rn. 36).

3. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Bundeswaldgesetz (BWaldG) gelten als Wald (unter anderem) auch kahlgeschlagene Grundflächen und nach Art. 2 Abs. 1 BayWaldG ist Wald auch jede wiederaufzuforstende Fläche. Die Wiederaufforstungspflicht ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG, wonach kahlgeschlagene oder infolge Schadenseintritts unbestockte Waldflächen (grundsätzlich) innerhalb von drei Jahren wieder aufzuforsten sind. Dabei handelt es sich um eine unmittelbar kraft Gesetzes geltende Rechtspflicht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17.02.2022, Az. 19 ZB 21.2767, juris Rn. 9 und 14; Urteil vom 14.12.1987, Az. 19 B 83 A.2115, BeckRS 1987, 5031; VG Augsburg, Urteil vom 28.09.2021, Az. Au 8 K 21.121, juris Rn. 27).

Denn ein Kahlschlag stellt keine (rechtliche) Veränderung der Nutzung von Grundflächen dar, sondern lediglich eine besondere Form der Waldbewirtschaftungsmaßnahme (vgl. BayVGH, Urteil vom 18.09.2002, Az. 19 B 97.3564, juris Rn. 35 und 53). Diese mag zwar im Einzelfall wegen Sturmschäden oder Schädlingsbefalls unvermeidbar sein. Ist danach aber nicht beabsichtigt, wieder aufzuforsten, sondern die Fläche einer anderen Bodennutzungsart zuzuführen, handelt es sich um eine Rodung, die nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BayWaldG der Erlaubnis bedarf. Die Eigenschaft einer Fläche als Wald (im Rechtssinne) kann also trotz vorgenommener Beseitigung der Bestockung nur durch Erteilung einer Rodungserlaubnis geändert werden (wobei die Rodungserlaubnis durch andere Rechtsakte ersetzt werden kann – vgl. Art. 9 Abs. 8 BayWaldG [Konzentrationswirkung]). Eine solche Rodungserlaubnis lag hier jedoch nicht vor und war vom Kläger auch nicht beantragt worden.

Zusätzlich ist zu beachten, dass ein fruchtloser Ablauf der in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG genannten Frist nicht zum Entfallen der Wiederaufforstungspflicht führt, sondern die zuständige Behörde (Art. 39 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1 Nr. 2 BayWaldG) lediglich dazu berechtigt, dem Betreffenden gegenüber eine zwangsgeldbewehrte Wiederaufforstungsanordnung zu erlassen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17.02.2022, Az. 19 ZB 21.2767, juris Rn. 7 und 14; Urteil vom 14.12.1987, Az. 19 B 83 A.2115, BeckRS 1987, 5031).

4. Obwohl es sich bei Waldflächen in der Regel um Außenbereich im Sinn des § 35 BauGB handelt, ist aus Sicht der Landesanwaltschaft Bayern dennoch im Blick zu behalten, dass eine Fläche, deren Waldbestand im Widerspruch zu Waldrecht beseitigt wurde und die anschließend für ein wald- bzw. forstfremden Zwecken dienendes (Wohnbau-)Vorhaben genutzt werden soll, nicht nur wegen Außenbereichslage, sondern auch aus waldrechtlichen Gründen einer Bebauung entzogen sein kann (vgl. § 29 Abs. 2 BauGB, wonach anderer öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt bleiben).

 

Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl ist bei der Landesanwaltschaft Bayern Ständiger Vertreter des Generallandesanwalts und schwerpunktmäßig u.a. zuständig für Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht, Polizei- und Sicherheitsrecht.

 

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