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Übertragung von kommunalen Pflichtaufgaben mit befreiender Wirkung

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Das Bayerische Landesamt für Steuern (BayLfSt) hat sich mit unten vermerktem Schreiben vom 15.2.2023 zur Übertragung von kommunalen Pflichtaufgaben mit befreiender Wirkung unter dem Rechtsregime des § 2b UStG geäußert.

Allgemeines

Im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit übertragen Gemeinden ihnen obliegende Pflichtaufgaben häufig auf Nachbargemeinden, Zweckverbände oder andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR).

Die bayerische Rechtsgrundlage bildet in der Regel Art. 7 Absatz 1 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG), wonach Gemeinden, Landkreise und Bezirke durch öffentlich-rechtlichen Vertrag eine Zweckvereinbarung schließen können. Nach Art. 7 Absatz 2 KommZG können aufgrund einer Zweckvereinbarung die beteiligten Gebietskörperschaften einer von ihnen einzelne oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängenden Aufgaben übertragen.

Die Entledigung einer Pflichtaufgabe führt bei der die Aufgabe abgebenden jPöR zu einem verbrauchsfähigen Vorteil, dem in der Regel eine konkrete Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht, sodass umsatzsteuerlich ein Leistungsaustausch i.S.d. § 1 Absatz 1 Nummer 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) gegeben ist.

Da die die Aufgabe übernehmende jPöR selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist, gilt sie grundsätzlich als Unternehmer nach § 2 Absatz 1 UStG. Eine Ausnahme von der Unternehmereigenschaft liegt jedoch unter Geltung von § 2b Absatz 1 UStG dann vor, wenn der jPöR die Aufgabe im Rahmen der öffentlichen Gewalt übertragen wird und eine Nichtbesteuerung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt. Eine Übertragung i.R. einer Zweckvereinbarung nach Art. 7 Absatz 2 KommZG stellt stets eine Übertragung im Rahmen der öffentlichen Gewalt dar.

Keine größeren Wettbewerbsverzerrungen

Zur Frage, ob eine Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt, haben sich die Referatsleiterinnen und Referatsleiter Umsatzsteuer des Bundes und der Länder auf Folgendes verständigt:

Kann aufgrund landesgesetzlicher Regelungen eine kommunale (Teil-)Aufgabe nur auf eine andere jPöR mit rechtsbefreiender Wirkung und damit unter Änderung der Zuständigkeit und Verantwortung übertragen werden, liegen bei einer entsprechenden (Teil-)Aufgabenübertragung gegen Entgelt keine größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des § 2b Absatz 1 Satz 2 UStG vor, wenn die befreiende Wirkung als besondere rechtliche Rahmenbedingung maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der die Aufgabe übertragenden jPöR hat, die Leistung von der anderen jPöR in Anspruch zu nehmen (Rn. 26 des BMF-Schreibens vom 16.12.2016, BStBl I 2016, 1451).

Ein ausdrücklicher gesetzlicher Vorbehalt der öffentlichen Hand im Sinne des § 2b Absatz 3 Nummer 1 UStG ist – auch im Hinblick auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung – bei der entgeltlichen Übertragung von kommunalen Pflichtaufgaben nicht erforderlich.

Zu unterscheiden ist hiervon die bloße Wahrnehmung einer (Teil-)Aufgabe als Erfüllungsgehilfe.

In Bayern können kommunale Pflichtaufgaben mit befreiender Wirkung (sog. delegierende Aufgabenübertragung) stets nur auf andere Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (z.B. Gebietskörperschaften, Zweckverbände, Kommunalunternehmen) übertragen werden. Mit Art. 7 Absatz 2 KommZG ist grundsätzlich die vollständige Übertragung einer Aufgabe – sowohl was ihre Durchführung als auch die rechtliche Verantwortung für sie angeht – gemeint. Durch eine derartige delegierende Übertragung verändert sich die kommunalverfassungsrechtliche Zuständigkeit. Die übernehmende Körperschaft wird mit Wirksamwerden der Zweckvereinbarung zur Aufgabenerfüllung verpflichtet, die übertragende jPöR wird von ihrer Verpflichtung frei (vgl. Art. 8 Absätze 1 und 2 KommZG).

Die Wahrnehmung einer Aufgabe als Erfüllungsgehilfe (sog. Mandatierung) ist dagegen nicht mit der befreienden Übertragung einer Aufgabe vergleichbar.

Eine Aufgabenübertragung führt damit unter den folgenden Voraussetzungen zu einer Nichtsteuerbarkeit:

  1. Delegierende Übertragung

Die Aufgabe muss mit befreiender bzw. delegierender Wirkung übertragen werden. Davon ist auszugehen, wenn in der Zweckvereinbarung

– auf eine Übertragung nach Art. 7 Absatz 2 KommZG verwiesen wird, oder

– in anderer Weise klar hervorgeht, dass die übertragende Gebietskörperschaft von ihrer gesetzlichen Pflicht insoweit befreit wird oder die Pflicht auf die andere jPöR übergeht.

  1. Gesetzliche Pflichtaufgabe

Die in Art. 8 Absatz 2 KommZG angeordnete Aufgabenübertragung mit befreiender Wirkung gilt nur für gesetzliche Pflichtaufgaben. Bei freiwilligen Aufgaben wird die Pflicht des Übernehmers zur Aufgabenerfüllung nicht nach Maßgabe dieses Gesetzes begründet. Welche Aufgaben gesetzliche Pflichtaufgaben darstellen, ergibt sich entweder aus der Gemeindeordnung/Landkreisordnung/Bezirksordnung oder aus den zahlreichen Fachgesetzen.

Unter ,Aufgaben‘ können auch Teilaufgaben verstanden werden. Eine befreiende Aufgabenübertragung ist mit der gleichen Wirkung auch bei der Übertragung nur einzelner, mit einem bestimmten Pflichtenkreis verbundener Aufgaben möglich. In der Müllentsorgung wäre dies z. B. durch die bloße Übertragung des Mülleinsammelns möglich (vgl. Urteil des FG Köln vom 28.1.2016, 1 K 2368/10), während die die Aufgabe übertragende jPöR weiterhin die spätere Müllverbrennung vornehmen kann.

Soweit das zuständige Finanzamt Zweifel am Bestehen einer gesetzlichen Pflichtaufgabe äußert, ist deren Vorliegen von der jeweiligen jPöR in geeigneter Weise glaubhaft darzulegen.

  1. Befreiende Wirkung als besondere rechtliche Rahmenbedingung

Die Nichtsteuerbarkeit einer befreienden Aufgabenübertragung setzt voraus, dass die befreiende Wirkung als besondere rechtliche Rahmenbedingung maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der die Aufgabe übertragenden jPöR hat, die Leistung von der anderen jPöR in Anspruch zu nehmen (Rn. 26 des BMF-Schreibens vom 16.12.2016, BStBl I 2016, 1451)3).

Ob die befreiende Wirkung maßgeblichen Einfluss auf die Wahl der Aufgabenübertragung hat, ergibt sich aus der inneren Entscheidung der die Aufgabe übertragenden jPöR.

Soweit das zuständige Finanzamt im Einzelfall Zweifel an der Bedeutung der befreienden Wirkung hat, müssen diese von der jeweiligen jPöR in geeigneter Weise ausgeräumt werden.

Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern 13/2023, Rn. 119.