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Unterlassene Aufklärung hinsichtlich Bauausführung: arglistiges Verschweigen eines Mangels?

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Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) in seinem unten vermerkten Urteil vom 2.3.2023 befasst. Dabei ging es um die Ausführung eines Pultdaches als nicht hinterlüftetes Warmdach, das im Gegensatz zu einem Kaltdach eine besonders gefahrträchtige Sonderkonstruktion ist, die nur bei genauester Werkausführung mangelfrei errichtet werden kann. Die beklagte Baufirma hatte das im Ergebnis mangelhafte Dach als nicht hinterlüftetes Warmdach ausgeführt, ohne den Bauherrn auf das damit verbundene größere Ausführungsrisiko hinzuweisen. Dem Urteil kann Folgendes entnommen werden:

1. Zum Vorliegen von Arglist

Dazu heißt es im Urteil:

„Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass allein die Verletzung von Organisationspflichten nicht ausreicht, den Unternehmer mit demjenigen gleichzustellen, der einen Mangel arglistig verschweigt. Zu fordern ist vielmehr, dass der Organisationsfehler derart ist, dass dem Unternehmer der Vorwurf gemacht werden kann, er habe durch fehlerhafte Organisation die Arglisthaftung vermeiden wollen. Das ist der Fall, wenn er sich vorsätzlich so organisiert, dass eine Zurechnung von Repräsentanten bei der Abnahme nicht möglich ist oder jedenfalls die Augen davor verschließt, dass seine Organisation in dieser Weise gestaltet ist (BGH, Urteil vom 22.7.2010 – VII ZR 77/08). Dafür bieten sowohl die Einschaltung der Architekten bei der Planung und Baubegleitung während der Bauausführung als auch eines Bauingenieurs als Bauleiter keinen Anhalt. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine allgemein anerkannte Baubegleitung …

Arglistig handelt auch, wer sich bewusst ist, dass ein bestimmter Umstand für die Entschließung seines Vertragspartners von Erheblichkeit ist, er nach Treu und Glauben diesen Umstand offenbaren muss und ihn trotzdem nicht offenbart (OLG Bamberg, Urteil vom 22.2.2006, 3 U 230/04; …). Denn für die Annahme des arglistigen Verschweigens eines Mangels ist es nicht erforderlich, dass der Unternehmer bewusst die Folgen der vertragswidrigen Ausführung in Kauf genommen hat. Es reicht aus, dass er die Vertragswidrigkeit der Ausführung und das sich daraus ergebende Risiko erkannt und seinem Vertragspartner treuwidrig nicht mitgeteilt hat (BGH VII ZR 116/10, ZfBR 2012, 444). Arglistig ist auch derjenige, der einen Mangel für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt. Vertröstende oder beschönigende Angaben der Unternehmer über vom Auftraggeber entdeckte Mangelerscheinungen, wie z.B. Feuchtigkeitserscheinungen, seien auf Restfeuchte zurückzuführen, oder Risse im Mauerwerk seien Schwindrisse, können deshalb unter Umständen schon den Tatbestand der Arglist ausfüllen. Gleiches gilt, wenn der Unternehmer über ihm bekannte Risiken, die er selbst für aufklärungsbedürftig hält, nicht aufklärt. Die Beweislast für diese Tatsachen liegt beim Kläger.“

2. Zur Frage von Arglist im konkreten Fall

Das OLG stellt auf Folgendes ab:

„Ein arglistiges Verhalten kann … nicht mit der allgemeinen Mangelhaftigkeit des Werkes der Beklagten begründet werden. Denn das arglistige Verschweigen eines Bauausführungs- oder Bauüberwachungsfehlers setzt das Bewusstsein voraus, dass die Leistung vertragswidrig erbracht wurde. Ein solcher Anschein besteht selbst bei schwerwiegenden Baumängeln dann nicht, wenn der Fehler auch auf einfacher Nachlässigkeit beruhen kann. Die Darlegungslast des Auftraggebers beschränkt sich hier aber darauf, die augenfälligen bzw. schwerwiegenden oder zahlreichen Mängel darzulegen. Es ist dann eine Frage der Beweiswürdigung, ob daraus der Rückschluss auf ein arglistiges Verschweigen gezogen werden kann.

Selbst der vom Kläger beauftragte Sachverständige H. hat ausgeführt, dass es sich bei dem ausgeführten nicht hinterlüfteten Pultdach um eine zum Zeitpunkt der Errichtung grundsätzlich zulässige und im tatsächlichen Aufbau dem geltenden Regelwerk entsprechende Dachkonstruktion handele. Soweit dabei möglicherweise keine dem Regelwerk entsprechende feuchteadaptive Dampfbremse, feuchtes Bauholz sowie eine helle statt dunkle Abdeckfolie verbaut wurden, kann es sich zwar um Mängel des Werkes handeln. Diese lassen jedoch weder auf das Bewusstsein der mangelhaften Bauausführung noch auf arglistiges Verschweigen schließen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.7.2010 – VII ZR 77/08) …

Auch der Umstand, dass die Beklagte das Pultdach ohne Absprache mit den Bauherren und ohne entsprechende Aufklärung über die Risikobehaftetheit der Werkausführung als nicht hinterlüftetes Warmdach ausgeführt hat, begründet kein arglistiges Verhalten. Denn die Beklagte hat unwiderlegt dargetan, von der Zulässigkeit der Dachkonstruktion ausgegangen zu sein und … keine Aufklärungspflicht abgeleitet zu haben …

Wie den Ausführungen der Privatsachverständigen des Klägers wie auch des gerichtlichen Sachverständigen zu entnehmen ist, entsprach sowohl die gewählte Dachform eines nicht hinterlüfteten Warmdaches als auch das alternative Kaltdach den zum Zeitpunkt der Errichtung geltenden anerkannten Regeln der Technik. Allerdings … handelt es sich bei der Ausführung des Pultdaches … um eine besonders gefahrträchtige Sonderkonstruktion, die nur bei genauester Werkausführung mangelfrei errichtet werden kann. Dies war nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen bekannt. Der Sachverständige K. hat ausgeführt, dass bereits seit Ende der 90er-Jahre unbelüftete Dachkonstruktionen als schadensanfällig beschrieben worden seien und in der Holzschutznorm DIN 68800 im Jahr 1996 hiervon abgeraten werde … (Jedoch) lässt sich daraus nicht folgern, dass die Beklagte zum maßgebenden Zeitpunkt der Bauausführung die aus der Schadensträchtigkeit folgende Hinweispflicht erkannt und treuwidrig vereitelt hätte. Denn die Beklagte hat nach ihrem Vortrag keinen Anlass gesehen, an der nach den anerkannten Regeln der Technik zutreffenden Einschätzung zur Zulässigkeit der Bauausführung zu zweifeln oder den Bauherrn zu beraten. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde deutlich, dass in dem maßgebenden Zeitraum noch eine Vielzahl von Dachausführungen in der vorliegenden Art erfolgten und deshalb das Bewusstsein der Schadensträchtigkeit noch nicht in dem Maße vorhanden war, wie es heute bzw. nach der späteren Änderung der DIN der Fall ist. Es ist auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte … sich eines Mangels der Bauausführung bewusst gewesen wäre, verbunden mit der Hoffnung, es werde schon gut gehen.“

Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 2.3.2023 – 12 U 78/22.

Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern Heft 01/2024, Rn. 6.