Gesetzgebung

BayVerfGH: Volksbegehren zur Abschaffung der Studienbeiträge verfassungsrechtlich zulässig

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Wo soll ich studieren?Sachverhalt und Ausgangslage

Art. 71 Abs. 1 BayHSchG schreibt den Hochschulen vor, Studienbeiträge zu erheben. Hiergegen richtete sich das Volksbegehren „Grundrecht auf Bildung ernst nehmen – Studienbeiträge abschaffen!“.

Nach dem Gesetzentwurf, der dem Volksbegehren zugrunde liegt, soll Art. 71 Abs. 1 BayHSchG folgenden Wortlaut erhalten:

„(1) 1Das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, ist studienbeitragsfrei. 2Dies gilt auch, wenn die Immatrikulation zum Zweck einer Promotion erfolgt. 3Abweichend von Satz 1 werden Gebühren und Entgelte nach Maßgabe der folgenden Absätze erhoben.“

Ein Volksbegehren muss vom Innenministerium zugelassen werden. Das Innenministerium prüft dabei, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Volksbegehren vorliegen. Kommt das Ministerium zu dem Schluss, das sei nicht der Fall, kann es hierüber nicht selbst rechtsverbindlich entscheiden, sondern es hat die Entscheidung des BayVerfGH herbeizuführen (Art. 64 LWG).

Vorliegend war das Innenministerium der Meinung, das Volksbegehren sei unzulässig, weil es gegen Art. 73 BV verstoße, denn es greife in den Staatshaushalt ein. Hierüber hatte der BayVerfGH nun zu befinden.

Die Entscheidung des BayVerfGH

Der BayVerfGH hat entschieden, dass das Volksbegehren zulässig sei, weil es nicht in den Staatshaushalt eingreife. Der Gerichtshof hat folgende Leitsätze formuliert:

Leitsätze:

1. Art. 73 BV, wonach über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfindet, steht der Zulassung des auf die Abschaffung der Studienbeiträge gerichteten Volksbegehrens nicht entgegen, weil ein Wegfall dieser Beiträge nur in den Körperschaftshaushalten der Hochschulen zu Mindereinnahmen führen würde.

2. Soweit Einnahmen aus Studienbeiträgen nach derzeitiger Praxis von den Hochschulen an den Staatshaushalt abgeführt und über diesen verausgabt werden, handelt es sich um Durchlaufposten, aus denen sich für den Staatshaushalt weder Einsparungen noch zusätzliche Belastungen ergeben.

3. Da der Freistaat Bayern rechtlich nicht verpflichtet ist, eine bei Abschaffung der Studienbeiträge entstehende Finanzierungslücke im Hochschulbereich durch die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel auszugleichen, wird der Anwendungsbereich des Art. 73 BV auch unter diesem Gesichtspunkt nicht eröffnet.

Die Begründung des BayVerfGH

Der Gerichtshof befasste sich zunächst mit der Rechtsnatur der Studienbeiträge und stellte fest, dass es sich dabei nicht um staatliche Steuern handele (die den Staatshaushalt berühren würden), sondern um nichtsteuerliche Abgaben in Form von Beiträgen. Die Beiträge gehörten allein zum Körperschaftsvermögen der Hochschulen, das getrennt vom Landesvermögen verwaltet werde und nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließe.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Haushaltsgesetzgeber die Möglichkeit geschaffen habe, Einnahmen aus Studienbeiträgen von den Körperschaftshaushalten der Hochschulen in den Staatshaushalt zu übertragen und über diesen zu verausgaben, mithin bei Wegfall der Studienbeiträge diese Möglichkeit nicht mehr bestünde (derzeit fließen ca. 82% der Einnahmen aus den Studienbeiträgen in den Staatshaushalt).

Denn die Beiträge flössen zunächst in den Körperschaftshaushalt der Hochschulen und diese entschieden autonom, ob sie die Beiträge zur Verbesserung der Studienbedingungen übertrügen oder nicht (z.B. damit zusätzliche Professoren eingestellt werden können – weil Hochschulen keine Dienstherrenfähigkeit besitzen, ist dies die einzige Möglichkeit, zusätzliche Beamte zu beschäftigen). Daher stellten die weitergeleiteten Mittel im Haushaltsplan des Freistaats lediglich Durchlaufposten dar, aus denen sich für den Freistaat grundsätzlich weder Einsparungen noch zusätzliche Belastungen ergäben.

Schließlich sei der Freistaat bei Wegfall der Studienbeiträge auch nicht verpflichtet, die entstehende Finanzierungslücke durch die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel auszugleichen. Zwar sei der Staat verpflichtet, eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen sicherzustellen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass durch den Wegfall der Einnahmen aus den Studiengebühren eine ausreichende Grundausstattung der Hochschulen infrage gestellt würde. Dagegen spreche bereits, dass diese Einnahmen nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayHSchG der Verbesserung der Studienbedingungen dienten, also die Erreichung eines über den bestehenden Ausbildungsstandard hinausgehenden Niveaus bezweckten. Zudem belaufe sich der Anteil der Studienbeiträge an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen auf nur rund 5,4%.

BayVerfGH, E. v. 22.10.2012, Vf. 57-IX-12

Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) granata68 – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2012102201