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StMI: Pressekonferenz Verfassungsschutzbericht 2012

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Innenminister Joachim Herrmann hat heute in München den Verfassungsschutzbericht 2012 vorgestellt. Wenige Tage vor Beginn des NSU-Terroristenprozesses hat er auf die weiter bestehenden Gefahren durch die rechtsextremistische Szene hingewiesen:

„Die rechtsextreme Szene ist weiter vielfältig aktiv. Das zeigt sich besonders drastisch am ‚Freien Netz Süd‘ (FNS) als wichtigstem Neonazinetz in Bayern mit etwa 100 bis 150 Anhängern. Aktivisten des FNS versuchen aktuell, im Zusammenhang mit der Errichtung von Asylbewerberunterkünften Ängste vor Überfremdung und Ausländerkriminalität zu schüren.“ Beim Rechtsextremismus sei zudem ein neuer Trend zu verzeichnen: Rechtsextremisten gründen mehr und mehr Bürgerinitiativen, um unter dem Deckmantel bürgerschaftlichen Engagements in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen. So nutzen sie zum Beispiel die Diskussion um den Bau von Moscheen aus, um in verfassungsfeindlicher Weise Vorurteile gegenüber Muslimen und dem Islam zu wecken.“

Auch außerhalb des Rechtsextremismus hat sich eine Islamfeindlichkeit entwickelt, die für den Verfassungsschutz von Bedeutung und daher in dessen Blickfeld ist. Der Innenminister:

„In Bayern betrifft das den bayerischen Landesverband der Partei ‚DIE FREIHEIT‘ und die Ortsgruppe München von ‚Politically Incorrect‘ (PI). Ihre Aktivitäten zielen unter anderem darauf ab, pauschale Ängste vor Muslimen zu schüren und sie aufgrund ihres Glaubens als Feinde des Rechtsstaates zu verunglimpfen. Dadurch werden die Religionsfreiheit, die Menschenwürde und der Gleichbehandlungsgrundsatz als Kernbestandteile unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verletzt.“

Deswegen hat der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz den Kreis der Beobachtungsobjekte erweitert und die Beobachtung des Landesverbandes Bayern von ‚DIE FREIHEIT‘ und der PI-Ortsgruppe München angeordnet.

Der Landesverband Bayern der Partei ‚DIE FREIHEIT‘ besteht unter anderem aus dem harten Kern der PI-Ortsgruppe München. Zentrale Führungsperson ist Michael Stürzenberger, Sprecher der PI-Ortsgruppe und seit Anfang 2012 Landesvorsitzender von ‚DIE FREIHEIT‘. Der bayerische Landesverband von ‚DIE FREIHEIT‘ und die PI-Ortsgruppe München nutzen die Ende 2012 initiierte Kampagne für ein Bürgerbegehren gegen das ‚Europäische Zentrum für Islam in München‘ (ZIE-M) als Plattform für pauschal islamfeindliche Propaganda, sei es im Internet oder bei Veranstaltungen. Bürger, die das Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen, werden nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Bei den Personen, die der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen sind, ist in Bayern im Jahr 2012 ein leichter Rückgang zu verzeichnen: Hier sank die Zahl von 2.450 auf 2.200. Die Zahl der gewaltorientierten Anhänger ist mit rund 1.000 seit Jahren relativ konstant.

Herrmann: „Die rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten sind dagegen im Jahr 2012 leicht auf 65 angestiegen (2011: 57). Dennoch: Bezogen auf die Bevölkerung ist die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten in Bayern unverändert bundesweit mit am niedrigsten.“

Herrmann bekräftigte das Ziel eines NPD-Verbots, da ihre menschenverachtende Ideologie der Nährboden für Rechtsextremismus und rechtsextremistische Gewalttaten sei.

Innenminister Herrmann unterstrich in seinem Bericht auch die unverändert hohe Bedrohung Deutschlands durch den internationalen islamistischen Terrorismus. Hier sei vor allem der sogenannte politische Salafismus als Grundlage für radikalisierende Einflüsse bis hin zu gewaltsamen, auch terroristischen Aktionen genau zu beobachten.

„Beim Salafismus handelt es sich um die am schnellsten wachsende islamistische Strömung in Deutschland“, so Herrmann. „Aktuell gehen wir bundesweit von 4.500 Personen aus, die der salafistischen Szene zuzurechnen sind. In Bayern leben circa 500 Salafisten.“

Besorgniserregend sei die bei Demonstrationen ausgeübte salafistische Straßengewalt. Beispiele sind die gewalttätigen Ausschreitungen Anfang Mai 2012 in Solingen und Bonn nach gezielter Provokation durch die PRO-Bewegung NRW. Auch Salafisten aus München, Ingolstadt und Nürnberg waren daran beteiligt. In Bonn wurden dabei zwei Polizeibeamte durch gezielte Messerstiche schwer verletzt.

Die Zahl der linksextremistischen Personen in Bayern blieb mit rund 5.000 Personen im vergangenen Jahr unverändert. Von ihnen gelten etwa 700 als gewaltbereit. Generell seien beim Linksextremismus erneut ein hohes Aggressionspotential und eine hohe Gewaltbereitschaft festzustellen gewesen.

Herrmann: „Im Jahr 2011 hatten wir mit 99 linksextremistisch motivierten Gewalttaten fast eine Verdoppelung gegenüber 2011 (57). Dieser Anstieg ist vor allem auf mehrere Großveranstaltungen der linksextremistischen Szene zurückzuführen, die sich gegen Rechtsextremisten oder gegen den Staat als angebliches Repressionsorgan richteten.“

Der schwerwiegendste Angriff ereignete sich am 31. März 2012 in Nürnberg, als ein 19-Jähriger Einsatzkräfte mit einer angespitzten Fahnenstange gezielt im Brust-, Hals-, und Kopfbereich angriff. Er wurde deswegen im November des vergangenen Jahres zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Durch Sachbeschädigungen im Mai und Juni 2012 hatten linksextremistische Gewalttäter in München einen Gesamtschaden von rund 100.000 Euro verursacht. Herrmann warnte davor, dass der NSU-Prozess das Aggressionspotential linksextremistischer Gewalttäter noch weiter ansteigen lassen könnte. So werde etwa in der gewaltbereiten linksextremistischen Szene bundesweit zu einer Protestkundgebung am 13. April 2013 mobilisiert.

„Hier müssen wir wachsam und gut vorbereitet sein“, so der Innenminister.

Herrmann betonte, dass Bayern an einer Beobachtung der Partei ‚DIE LINKE.‘ festhalten werde, da sie linksextremistisch ausgerichtet sei. So seien beim Bundesparteitag im Juni 2012 Angehörige offen extremistischer Strömungen in die Parteiführung gewählt worden. Und mit Forderungen nach einer Systemüberwindung, dem Bekenntnis zur revolutionär-kommunistischen Tradition sowie der Zusammenarbeit mit Linksextremisten im In- und Ausland enthalte das Parteiprogram eindeutig extremistische Positionen.

Der rund 200 Seiten starke Verfassungsschutzbericht ist im Internet abrufbar.

StMI, PM v. 12.04.2013