Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) eingebracht

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Telekommunikation - BestandsdatenauskunftGrund für die Gesetzesinitiative

Der Gesetzentwurf reagiert auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24.01.2012 (1 BvR 1299/05) und schafft die hiernach zur weiteren Nutzung der Bestandsdatenauskunft durch die Bayerische Polizei und den Bayerischen Verfassungsschutz erforderlichen fachspezifischen Rechtsgrundlagen im Polizeiaufgabengesetz (PAG) sowie im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG).

Das BVerfG hat mit o.g. Beschluss entschieden, dass einzelne Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten, soweit sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen, übergangsweise nur noch bis längstens 30.06.2013 angewendet werden dürfen. Im Einzelnen:

  • Die in § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltene Regelung zur Erteilung allgemeiner Auskünfte durch die Telekommunikationsdiensteanbieter im manuellen Auskunftsverfahren ist verfassungsgemäß; die Vorschrift ist jedoch verfassungskonform so auszulegen, dass es für den Datenabruf spezieller fachrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen bedarf. Für eine Übergangszeit, längstens bis zum 30.06.2013, darf die Vorschrift noch unabhängig von dieser Maßgabe angewendet werden.
  • Zudem berechtigt § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht zu einer Zuordnung von dynamischen IP-Adressen. Für eine Übergangszeit, längstens bis zum 30.06.2013, darf die Vorschrift noch unabhängig von dieser Maßgabe angewendet werden.
  • Dagegen ist § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die Vorschrift gilt jedoch übergangsweise, längstens bis zum 30.06.2013 mit der Maßgabe fort, dass die Sicherungscodes nur unter den Bedingungen erhoben werden dürfen, unter denen sie nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften (etwa denen des Strafprozessrechts) auch genutzt werden dürfen.

Laut Gesetzentwurf ist die Bestandsdatenauskunft ein unverzichtbares Ermittlungsinstrumentarium für die Sicherheitsbehörden. Daher bestehe Handlungsbedarf, um der Bayerischen Polizei und dem Bayerischen Verfassungsschutz diese weiterhin zu ermöglichen.

Im PAG und im BayVSG werden folglich Rechtsgrundlagen geschaffen für:

  • die Erteilung allgemeiner Auskünfte durch die Telekommunikationsdiensteanbieter im manuellen Auskunftsverfahren;
  • Auskunftsersuchen zur Gefahrenabwehr, die auf die Zugangssicherungscodes nach § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG abzielen;
  • Auskunftsersuchen zu dynamischen IP-Adressen.

Wesentliche Änderungen

1. Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG)

Mit dem neuen Art. 34b Abs. 4 Satz 1 PAG wird eine Befugnisnorm zur Abfrage von Bestandsdaten im manuellen Auskunftsverfahren geschaffen. Auskunftsersuchen der Bayerischen Polizei zur Gefahrenabwehr, die auf Zugangssicherungscodes, wie Passwörter, PIN oder PUK abzielen, werden nunmehr durch Art. 34b Abs. 4 Satz 2 ermöglicht. Art. 34b Abs. 5 PAG ermöglicht ferner die Abfrage dynamischer IP-Adressen.

a) Änderung von Art. 34b PAG

Art. 34b PAG wird hiernach wie folgt geändert (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

Art. 34b Mitwirkungspflichten der Diensteanbieter

(1) Ist eine Datenerhebung nach Art. 34a Abs. 1 oder Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 angeordnet, hat jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt (Diensteanbieter), nach Maßgabe der Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und der darauf beruhenden Rechtsverordnungen zur technischen und organisatorischen Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen in der jeweils geltenden Fassung der Polizei die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zu ermöglichen.

(2) 1Die Polizei kann unter den Voraussetzungen des Art. 34a Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 3 Satz 1 Diensteanbieter verpflichten,

1. ihr vorhandene Telekommunikationsverkehrsdaten der in Art. 34a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 genannten Personen zu übermitteln,

2. Auskunft über deren zukünftige Telekommunikationsverkehrsdaten zu erteilen oder

3. ihr die für die Ermittlung des Standortes eines Mobilfunkendgerätes dieser Personen erforderlichen spezifischen Kennungen, insbesondere die Geräte und Kartennummer mitzuteilen.

2Die Übermittlung von Daten über Telekommunikationsverbindungen, die zu diesen Personen hergestellt worden sind, darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung ihres Aufenthaltsorts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 3Die Daten sind der Polizei unverzüglich zu übermitteln.

(3) Telekommunikationsverkehrsdaten sind alle nicht inhaltsbezogenen Daten, die im Zusammenhang mit einer Telekommunikation auch unabhängig von einer konkreten Telekommunikationsverbindung technisch erhoben und erfasst werden, einschließlich der nach § 113a des Telekommunikationsgesetzes TKG gespeicherten Daten, insbesondere

1. Berechtigungskennung, Kartennummer, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung,

2. Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit,

3. vom Kunden in Anspruch genommene Telekommunikationsdienstleistung,

4. Endpunkte fest geschalteter Verbindungen, ihr Beginn und Ende nach Datum und Uhrzeit.

(4) 1Die Polizei kann Diensteanbieter verpflichten, Auskunft über die nach §§ 95 und 111 TKG erhobenen Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 TKG). 2Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die konkret beabsichtigte Nutzung der Daten im Zeitpunkt des Ersuchens vorliegen.

(5) Die Auskunft nach Abs. 4 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 3 TKG).

(6) Die nach Abs. 2, 4 und 5 verlangten Daten sind der Polizei unverzüglich zu übermitteln.

(7) Für die Entschädigung der Diensteanbieter ist § 23 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht eine Entschädigung nach dem Telekommunikationsgesetz zu gewähren ist.

aa) Art. 34b Abs. 4 Satz 1 PAG

Das BVerfG hat im Beschluss vom 24. Januar 2012 (1 BvR 1299/05, Abs.-Nr. 177) § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG so ausgelegt, dass im Hinblick auf die Gefahrenabwehr eine konkrete Gefahr im Sinn der polizeilichen Generalklausel als Voraussetzung für manuelle Auskunftsersuchen vorliegen muss. Dementsprechend sieht der Gesetzentwurf in Art. 34b Abs. 4 Satz 1 das Erfordernis einer bestehenden Gefahr für die öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vor, womit der Systematik des Polizeiaufgabengesetzes folgend eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach Art. 11 Abs. 1 PAG, also eine konkrete Gefahr, gemeint ist.

bb) Art. 34b Abs. 4 Satz 2 PAG

Das BVerfG hat mit o.g. Beschluss entschieden, dass die Erhebung der in § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG geregelten Zugangsdaten nur dann erforderlich (und damit verfassungskonform) ist, wenn auch die Voraussetzungen für deren Nutzung gegeben sind. Dies setzt der Gesetzentwurf um:

Die Erhebung von Zugangssicherungscodes ist nur zulässig, wenn eine Vorschrift der Polizei auch die Nutzung der Zugangsdaten zur Gefahrenabwehr im konkreten Fall erlaubt. Wird eine PIN beispielweise zum Zwecke einer anschließenden Telekommunikationsüberwachung benötigt, so müssen für deren Abfrage bereits die Voraussetzungen des Art. 34a PAG erfüllt sein.

cc) Art. 34b Abs. 5 PAG

Zur Identifizierung einer dynamischen IP-Adresse bedarf es nach Ansicht des BVerfG zum einen einer ausdrücklichen, normenklaren Regelung im TKG, zum anderen einer korrespondierenden, hinreichend bestimmten Befugnis in den Fachgesetzen (vgl. Beschluss vom 24. Januar 2012, 1 BvR 1299/05, Abs.-Nr. 123). Letztere wird mit Blick auch auf die kommende Regelung auf Bundesebene (Anm.: Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft, BT-Drs. 17/12034 [PDF, 868 KB]; der Bundesrat hat dem Gesetzesbeschluss des Bundestages in seiner 909. Sitzung am 03.05.2013; dem Beschluss des Bundestages lag der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zugrunde) für den Bereich der Bayerischen Polizei im neuen Art. 34b Abs. 5 PAG normiert.

b) Änderung von Art. 34c Polizeiaufgabengesetz (PAG)

Verfahrenssicherungen und die Benachrichtigungspflichten werden in Art. 34c PAG aufgenommen. Art. 34c PAG wird hiernach wie folgt geändert (Änderungen im Gesetzestext fett markiert bzw. durchgestrichen):

Art. 34c Verfahrensregelungen, Verwendungsverbote, Zweckbindung, Benachrichtigung und Löschung

(1) 1Für Maßnahmen nach Art. 34a und Art. 34b 34b Abs. 1 bis 3 und 4 Satz 2 gilt Art. 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 entsprechend; bei Gefahr im Verzug sind die in Art. 33 Abs. 5 Sätze 1 und 2 genannten Stellen anordnungsbefugt. 2Im Fall des Art. 34b Abs. 4 Satz 2 finden Art. 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 keine Anwendung, wenn der Betroffene vom Auskunftsverlangen bereits Kenntnis hat oder haben muss oder wenn die Nutzung der Daten bereits durch eine gerichtliche Entscheidung gestattet wird; das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist aktenkundig zu machen.

(2) 1Soweit eine Maßnahme nach Art. 34a Abs. 3 ausschließlich dazu dient, den Aufenthaltsort einer dort genannten Person zu ermitteln, darf sie auch durch die Dienststellenleiter der in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 POG genannten Dienststellen oder des Landeskriminalamts angeordnet werden. 2Diese können die Anordnungsbefugnis auf besonders Beauftragte übertragen.

(3) 1Anordnungen nach den Abs. 1 und 2 Art. 34a und 34b Abs. 1 bis 3 sind schriftlich zu erlassen und zu begründen. 2Die Anordnung muss Namen und Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet, sowie die Rufnummer oder eine andere Kennung des Telekommunikationsanschlusses oder des Endgerätes enthalten; im Falle einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person genügt eine räumlich und zeitlich hinreichende Bezeichnung der Telekommunikation. 3In der Anordnung sind Art, Umfang und Dauer der Maßnahme zu bestimmen. 4Die Anordnung ist auf den nachfolgend genannten Zeitraum zu befristen:

1. im Fall des Art. 34a Abs. 4 Satz 1 höchstens zwei Wochen,

2. im Fall des Art. 34a Abs. 4 Satz 2 höchstens drei Tage,

3. in allen anderen Fällen höchstens ein Monat.

5Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als den in Satz 4 genannten Zeitraum ist möglich, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. 6Bestehen die in Art. 34a und 34b Abs. 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen nicht fort, ist die Maßnahme unverzüglich zu beendigen; die Beendigung ist dem Richter mitzuteilen.

(4) 1Die durch eine Maßnahme nach Art. 34a und 34b Abs. 1 bis 3 erlangten personenbezogenen Daten sind besonders zu kennzeichnen. 2Sie dürfen nur verwendet werden

1. zu den Zwecken, zu denen sie erhoben wurden, sowie

2. zu Zwecken der Strafverfolgung, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten im Sinn des § 100a Abs. 2 StPO benötigt werden; eine Zweckänderung ist festzustellen und zu dokumentieren.

3Daten, bei denen sich nach Auswertung herausstellt, dass

1. die Voraussetzungen für ihre Erhebung nicht vorgelegen haben oder

2. sie Inhalte betreffen, über die das Zeugnis als Geistlicher, Verteidiger, Rechtsanwalt, Arzt, Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit, Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut nach §§ 53, 53a StPO verweigert werden könnte oder

3. sie dem Kernbereich privater Lebensgestaltung oder einem Vertrauensverhältnis mit anderen Berufsgeheimnisträgern zuzuordnen sind und keinen unmittelbaren Bezug zu den in Art. 34a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Gefahren haben,

dürfen nicht verwendet werden. 4Dies gilt nicht, wenn ihre Verwendung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit erforderlich ist und Daten im Sinn der Nr. 2 oder 3 nicht betroffen sind. 5In diesen Fällen ist eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Verwendung unverzüglich nachzuholen; Art. 34 Abs. 4 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.

(5) 1Von Maßnahmen nach Art. 34a Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 34b Abs. 1 bis 3 und 4 Satz 2 und Abs. 5 sind

1. die Personen zu unterrichten, gegen die die Maßnahme gerichtet war, sowie

2. diejenigen, deren personenbezogene Daten im Rahmen einer solchen Maßnahme erhoben und zu den Zwecken des Abs. 4 Satz 2 verwendet wurden.

2Die Unterrichtung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme, der eingesetzten nicht offen ermittelnden Beamten oder der in Art. 34a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Rechtsgüter geschehen kann. 3 Art. 34 Abs. 6 Sätze 2 bis 6 gelten entsprechend.

(6) 1Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind und nicht verwendet werden dürfen, sind unverzüglich zu löschen; die Löschung ist zu dokumentieren. 2Die durch eine Maßnahme nach Art. 34a oder 34b erlangten personenbezogenen Daten,

1. deren Verwendung zu den in Abs. 4 Satz 2 genannten Zwecken nicht erforderlich ist oder

2. für die ein Verwendungsverbot besteht,

sind zu sperren, wenn sie zum Zweck der Information der Betroffenen und zur gerichtlichen Überprüfung der Erhebung oder Verwendung der Daten noch benötigt werden; andernfalls sind sie zu löschen. 3Art. 34 Abs. 7 Sätze 3 und 4 gelten entsprechend.

aa) Art. 34c Abs. 1 Satz 1 PAG – Richtervorbehalt

Die Abfrage von Zugangssicherungscodes nach Art. 34b Abs. 4 Satz 2 PAG wird in die bestehende Verweisung des Art. 34c Abs. 1 Satz 1 PAG auf Art. 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 PAG aufgenommen. Damit wird laut Gesetzentwurf sichergestellt, dass solche Abfragen grundsätzlich nur noch auf richterliche Anordnung möglich sind. Die Abfrage von Zugangssicherungscodes kann nach dem Gesetzentwurf ohne eigenständige richterliche Anordnung durchgeführt werden, wenn der Betroffene Kenntnis vom Herausgabeverlangen hat oder haben muss oder wenn die Nutzung der Zugangssicherungscodes bereits durch eine richterliche Entscheidung gestattet wurde, z.B. durch einen entsprechenden Beschlagnahmebeschluss der gesicherten Daten. Ersteres ist der Fall, wenn der Betroffene in die Nutzung der Zugangssicherungscodes ausdrücklich eingewilligt hat oder er mit deren Nutzung rechnen muss.

bb) Art. 34c Abs. 5 – Benachrichtigungspflichten

Die Vorschrift regelt die Benachrichtigungspflichten bei der Abfrage von Zugangssicherungscodes nach Art. 34b Abs. 4 Satz 2 PAG und der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen nach Art. 34b Abs. 5 PAG.

2. Änderungen des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG)

a) Art. 6g BayVSG

Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz (BayVSG) wird um einen neuen Artikel 6g ergänzt, der die Abfrage von Bestandsdaten durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ermöglicht und spezifische Verfahrenssicherungen und Benachrichtigungspflichten vorsieht.

Art. 6g Weitere Auskunftsverlangen 

(1) 1Das Landesamt für Verfassungsschutz darf von denjenigen, die ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, Auskunft über die nach §§ 95 und 111 TKG erhobenen Bestandsdaten verlangen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 TKG). 2Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die konkret beabsichtigte Nutzung der Daten im Zeitpunkt des Ersuchens vorliegen.

(2) Die Auskunft nach Abs. 1 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 3 TKG).

(3) Für Auskunftsverlangen nach Abs. 1 Satz 2 gelten Art. 6f Abs. 1 und 3 Sätze 1 bis 7 entsprechend.

(4) 1Die betroffene Person ist in den Fällen von Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 von der Beauskunftung zu benachrichtigen. 2Die Benachrichtigung erfolgt, soweit und sobald eine Gefährdung des Zwecks der Auskunft und der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes ausgeschlossen werden können. 3Sie unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen. 4Wird die Benachrichtigung nach Satz 2 zurückgestellt oder nach Satz 3 von ihr abgesehen, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

(5) Auf Grund eines Auskunftsverlangens nach Abs. 1 oder 2 haben die Verpflichteten die zur Auskunftserteilung erforderlichen Daten unverzüglich, vollständig und richtig zu übermitteln.

(6) Das Landesamt für Verfassungsschutz hat für ihm erteilte Auskünfte eine Entschädigung entsprechend § 23 JVEG zu gewähren.

Laut Gesetzentwurf ist eine Bestandsdatenabfrage notwendig, um Strukturermittlungen zu relevanten Personen und Gruppierungen, vor allem zu deren Vernetzung untereinander, zu ermöglichen. Sie liefere insbesondere wesentliche Daten für die Durchführung von Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz). Dementsprechend sieht der Gesetzentwurf im Wesentlichen folgende Änderungen vor:

  • Die bisher durch § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG ermöglichte Abfrage von Bestandsdaten im manuellen Auskunftsverfahren kann das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz künftig auf Art. 6g Abs. 1 Satz 1 BayVSG stützen.
  • Der Zugriff auf Zugangssicherungscodes wird ermöglicht, soweit die Voraussetzungen für die Nutzung der gesicherten Daten vorliegen. Deren Abfrage unterliegt besonderen Verfahrenssicherungen: Für die Erhebung von Zugangssicherungscodes ist ein schriftlicher und begründeter Antrag des Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, eine Anordnung des Staatsministeriums des Innern und die Zustimmung der G 10-Kommission des Bayerischen Landtags erforderlich (Art. 6g Abs. 3 BayVSG).
  • Die Abfrage von Zugangssicherungscodes sowie von Bestandsdaten, die anhand einer dem Landesamt für Verfassungsschutz bereits bekannten dynamischen IP-Adresse erfragt werden, löst eine gesonderte Benachrichtigungspflicht aus (Art. 6g Abs. 4).

Staatsregierung, Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes, LT-Drs. 16/16672 v. 30.04.2013 (PDF, 228 KB)

Ass. iur. Klaus Kohnen; Abbildung: (c) Scanrail – Fotolia.com

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Net-Dokument BayRVR2013043001