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Veranstaltungsbericht: 2. PUBLICUS-Kongress – Das neue Energierecht: Perspektiven und Impulse für die Kommunen

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Weiss_Maria-Lena_BayRVRvon Rechtsanwältin Maria-Lena Weiss, mag.rer.publ., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität Bochum

Der zweite PUBLICUS-Kongress, der am 06.06.2013 im Großen Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses stattfand, stand ganz im Zeichen der Energiewende und ihrer Bedeutung für die Kommunen. Ein breites Publikum war der Einladung des Boorberg-Verlages zum Thema „Das neue Energierecht – Perspektiven und Impulse für die Kommunen“ gefolgt. Auch wenn die Veranstaltung bereits mit einem Jahr Vorlauf geplant wurde, wie der geschäftsführende Gesellschafter des Boorberg-Verlages, Markus Ott, in seinem einführenden Grußwort berichtete, so hat sie im Laufe des Jahres noch an Aktualität und Bedeutung hinzu gewonnen.

Energiewende aus der Perspektive der Stadt Stuttgart

Den Start in die Tagung übernahm Dr. Jürgen Görres, Abteilungsleiter Energiewirtschaft beim Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart. Sein Vortrag befasste sich mit der Energiewende aus der Perspektive der Stadt Stuttgart.

Stuttgart hat sich im Jahr 2009 dem Convenant of Mayors angeschlossen, einer europäischen Bewegung aus Städten und Gemeinden, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Energieeinsparziele der Europäischen Union freiwillig zu übertreffen. Die Landeshauptstadt strebt an, ihren CO2-Ausstoß gegenüber dem Jahr 1990 um 40 % zu reduzieren.

Die aufeinander folgenden Schritte zur Erreichung der Einsparziele wurden von Dr. Görres skizziert: Identifizierung und Bilanzierung des Energieverbrauchs, Entwicklung von Einsparmaßnahmen über alle Sektoren (Verkehr, Energieversorgung, Industrie, Wohnungen/Haushalte, Stadtverwaltung) hinweg, die in ein Gesamtkonzept eingebettet sind, und Umsetzung der einzelnen Maßnahmen. Anschließend erläuterte Dr. Görres, welche konkreten Maßnahmen in den einzelnen Sektoren ergriffen werden. So gehören zu den Maßnahmen im Sektor Wohnungen/Haushalte beispielsweise die Steigerung der Sanierungsrate auf 3 %, im Sektor Energieversorgung unter anderem die Energieerzeugung durch Blockheizkraftwerke, Photovoltaikanlagen und Gegendruckturbinen in der Fernwärmeerzeugung. Die Maßnahmen werden flankiert durch Runde Tische. Zum Abschluss seines Vortrages stellte Dr. Görres die Vorbildfunktion der Stadtverwaltung bei der Umsetzung der Energiewende heraus und gab einen Überblick über Energieeinsparmaßnahmen (z.B. Dämmung der Fassaden, Modernisierung der Wärmeversorgung, Contracting), die an Stuttgarts Schulen, Bädern, Krankenhäusern, Altenwohnheimen und sonstigen öffentlichen Gebäuden ergriffen werden.

Das neue Energierecht als Motor der Energiewende

Rechtsanwältin Dr. Sabine Schulte-Beckhausen referierte anschließend zum Thema „Das neue Energierecht als Motor der Energiewende“ und identifizierte zwei große Treiber der Energiewende, nämlich den europäischen und den nationalen Gesetzgeber. Im Folgenden stellte sie die deutsche Energiewendegesetzgebung v.a. der Jahre 2012 und 2013 dar und diese den unionsrechtlichen Entwicklungen gegenüber. Zu den Schwerpunkten der nationalen Energiewendegesetzgebung zählten die Vorschriften zur Netzausbauplanung, zur Förderung von Offshore-Windparks, zur verbesserten Integration der Erneuerbaren Energien sowie zur Förderung von Energiespeichern.

Dr. Schulte-Beckhausen konstatierte, dass die am schwierigsten zu bewältigenden Energiethemen gerade nicht der Umsetzung von europäischen Vorschriften geschuldet sind, sondern mehrheitlich auf nationalen Initiativen beruhten.

Insgesamt sei zu beobachten, dass sich das Energierecht immer mehr mit dem Umweltrecht verzahne. Der Rechtsrahmen zur Förderung der Erneuerbaren Energien beruhe nicht nur auf dem Energierecht, sondern zur Hälfte auch auf Umwelt-, Ordnungs- und Preisrecht. Abschließend stellte Dr. Schulte-Beckhausen innovative Regelungsansätze zum Umbau des Energiesektors im EnWG 2011 dar, zu denen unter anderem die Regelungen zur Speicherung von Wasserstoff (power to gas), zur Speicherung mittels Methanisierung, zu intelligenten Messeinrichtungen (smart metering) sowie zur Befreiung der Speicheranlagen von den Netzentgelten zählen. Die Herausforderung der nächsten Jahre bestünde darin, ein konsistentes „Energiewenderecht“ zu schaffen, das Angebot und Nachfrage in einem System volatiler Energien wieder kompatibel macht.

Die deutsche Energiewende: Schneller als das Europarecht erlaubt?

Rechtsanwalt Dr. Robin van der Hout stellte im nachfolgenden Vortrag „Die deutsche Energiewende und Europa: Schneller als das Europarecht erlaubt?“ die von Dr. Schulte-Beckhausen bereits identifizierten großen Treiber der Energiewende – nationale und europäische Energiepolitik – gegenüber. Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ist die europäische Energiepolitik gestärkt durch ein eigenes Energiekapitel (Art. 194 AEUV) sowie durch die Schaffung des Amtes des Energiekommissars.

Die deutsche Energiewende würde auf europäischer Ebene mit Skepsis betrachtet.

Insbesondere wird derzeit einer der zwei bedeutsamen Befreiungstatbestände im deutschen Energierecht, nämlich die Netzentgeltbefreiung nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV von der Kommission wegen Verstoßes gegen europäisches Beihilfenrecht geprüft.

Dr. van der Hout setzte sich zudem mit der Konformität der Befreiung von der EEG-Umlage gem. §§ 40 ff. EEG 2012 mit dem EU-Beihilferecht auseinander. EU-Kommissar Almunía hatte ganz aktuell auch eine Überprüfung der Vorschriften zur EEG-Umlagebefreiung angekündigt (redaktionelle Anmerkung: mit einer Entscheidung ist frühestens nach Ende der Brüsseler Sommerpause Ende August zu rechnen).

Diskussion insbesondere zum Thema „Beihilferecht“

In der anschließenden Diskussion, die sich durch rege Beteiligung auszeichnete und von Prof. Dr. Lorenz Jarass gekonnt moderiert wurde, spielte das Beihilferecht eine große Rolle.

So wurde insbesondere diskutiert, wie ein beihilfenkonformes Fördersystem der erneuerbaren Energien ausgestaltet sein müsste.

Zudem wurden die Schwächen und Fehlanreize des geltenden EEG-Umlagesystems identifiziert, das dazu führt, dass die EEG-Umlage steigt, je billiger die Marktpreise für Strom sind, weil dadurch das Delta bei der Vermarktung wachse. Der Weiterentwicklung von Flexibilitätsmechanismen wie auch dem Ausbau der Grenzkuppelstellen wurde große Bedeutung zugemessen. Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion galt der Einbeziehung von Genossenschaften und der Unterstützung der Bürgerbeteiligung im Zuge des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Erlösoptimierung durch alternative Stromvermarktungsstrategien

Den zweiten Programmteil des PUBLICUS-Kongresses eröffnete Dr. Frank Lohse mit seinem Vortrag zum Thema „Jenseits der Einspeisevergütung – Erlösoptimierung durch alternative Stromvermarktungsstrategien“. Dr. Lohse stellte fest, dass (nur) bei regelbaren Energiequellen wie z.B. beim Biogas der Umstieg auf alternative, flexible Modelle gut und zügig funktioniere. Der Vortrag befasste sich intensiv mit dem Marktprämienmodell und dessen rechtlicher Ausgestaltung. Zudem stellte Dr. Lohse die Anforderungen dar, die Anlagen erfüllen müssen, um am Regelenergiemarkt teilnehmen zu können, und erläuterte die Unterschiede zwischen der Minutenreserveleistung und der Sekundärreserveleistung.

Zentraler Erfolgsfaktor für das Bestehen am Energiemarkt sei die Flexibilität.

Daher gilt es aus Sicht des Referenten nun, vorhandene Flexibilität zu erschließen (z.B. ungenutzte Motorenkapazität zu nutzen), Flexibilität preiswert zu erweitern (z.B. Speicherfähigkeit zu optimieren) sowie neue Anlagen flexibel zu bauen.

Die Herausforderungen im aktuellen Energiesystem bewältigen – Roadmap zur Energiewende

Dr. Tobias Bringmann, Geschäftsführer des VKU Baden-Württemberg, skizzierte die „Roadmap zur Energiewende“, mit der es gelte, die Herausforderungen im aktuellen Energiesystem – Gewährleistung der Versorgungssicherheit, verstärkte Einbindung erneuerbarer Energien sowie die Schaffung einer Netzinfrastruktur – zu bewältigen.

Dabei wäre es wünschenswert, dass eine Abkehr von der Regulierung zur Kostenkontrolle hin zu einer Innovationsregulierung erfolge.

Zentraler Treiber der Energiewende seien nach Dr. Bringmann die Stadtwerke, die in der Bevölkerung ein großes Vertrauen genießen. So würden 97 % der Erneuerbare-Energien-Anlagen auf der Verteilnetzebene an das Netz angeschlossen, die mit einem geschätzten Investitionsbedarf von rund 32 Mrd. Euro bis zum Jahr 2030 ausgebaut und in ein intelligentes Netz umgestaltet werden solle. Einen Schwerpunkt seines Vortrags legte Dr. Bringmann auf die Darstellung des VKU-Zielsystems: des integrierten Energiemarktdesigns (iEMD), das das energiewirtschaftliche Zieldreieck um die Komponenten „Transparenz und Einfachheit“, „Europäische Integration“ sowie „Wettbewerbliche Organisation“ erweitert.

Mit dem iEMD soll ein Leistungsmarkt geschaffen werden, über den derjenige, der gesicherte Stromerzeugung (Kraftwerke, Speicher) anbietet, zukünftig ein Entgelt für die Bereitstellung erhält.

Für Netzbetreiber sollen geeignete Rahmenbedingungen zur Refinanzierung von Zukunftsinvestitionen geschaffen werden. Außerdem soll ein neues und wettbewerbliches Fördersystem für die erneuerbaren Energien mit Hilfe eines Auktionsverfahrens gestaltet werden.

Energiecontracting für öffentliche Liegenschaften

Zum Thema „Energiecontracting für öffentliche Liegenschaften – Ausschreibung von Wärmelieferverträgen durch Kommunen zur Energieeinsparung“ referierten Rechtsanwältin Dr. Beatrice Fabry und Rüdiger Lohse von der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH gemeinsam. Zunächst erläuterten die Referenten die Grundlagen des Contracting, insbesondere die Unterscheidung zwischen Energieliefer- und Energieeinsparcontracting sowie die Akteure und Rechtsbeziehungen bei Contractingmodellen.

Die Untersuchung von 18 Energieeinsparcontracting-Modellen hat Kosteneinsparungen von mehr als 50 % sowie die Reduktion des Verbrauchs um mehr als 40 % ergeben.

Kernstück des Vortrags war die Darstellung der „Contracting-Offensive Baden-Württemberg“, einer Initiative des Umweltministeriums, die zum Ziel hat, einen lebendigen und wachsenden Contracting-Markt durch die Zusammenführung aller beteiligten Akteure, den Informationsaustausch, den Abbau von Hemmnissen und die Vereinfachung von Abläufen zu fördern. Im Anschluss stellten die Referenten die konkreten Schritte zur Projektentwicklung und -durchführung dar; dabei legte Dr. Fabry einen weiteren Schwerpunkt auf eine überblicksweise Darstellung des vergaberechtlichen Rahmens, in dem Contracting-Projekte auszuschreiben sind.

Alternative Finanzierungsmodelle im Lichte aktueller kapitalmarktrechtlicher Entwicklungen

Rechtsanwalt János Morlin referierte über „Alternative Finanzierungsmodelle im Lichte aktueller kapitalmarktrechtlicher Entwicklungen“. Einleitend erfolgte eine Gegenüberstellung von Fremdkapital- (Bsp. Kredite, Schuldverschreibungen) und Eigenkapital-Modellen (z.B. Beteiligung, Genossenschaft, Mezzanine-Kapital), die im Folgenden näher beschrieben wurden. Die Darstellung der verschiedenen Kapitalmodelle wurde von Morlin durch einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung abgerundet.

So würden die Fremdkapital-Modelle insbesondere durch die neuen Eigenkapitalregeln des unter Basel III bekannten Aufsichtsstandard beeinflusst, mit der Folge, dass Kredite teurer werden könnten, einer Abkehr der Geschäftsbanken von der Kommunalfinanzierung sowie einem Rating bei Schuldverschreibungen.

Darüber hinaus stellte Morlin die Inhalte und den Regelungsrahmen des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) dar, das der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) dient, die bis zum 22.07.2013 erfolgt sein muss (redaktionelle Anmerkung: Das AIFM-UmsG wurde am 10.07.2013 verkündet, BGBl I 1981).

Energiewende aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebunds

Die „Energiewende aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebunds“ wurde durch den Vortrag von Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Städte- und Gemeindebundes erläutert, der die Zukunft der Energiewende in der Dezentralität sieht. Die zentrale Rolle der Stadtwerke sei unter anderem mit der Wirtschaftskrise und dem damit einhergehenden Misstrauen gegenüber Konzernen, günstigen Finanzierungsbedingungen für Netze sowie dem Auslaufen von über 2000 Konzessionsverträgen bis zum Jahr 2016 begründet.

Hürden der Energiewende sind für Dr. Landsberg föderale Egoismen beim Netzausbau und die Bereitstellung von Reservekraftwerken. Erforderlich sei ein Mehr an Marktwirtschaft im Fördermechanismus der Erneuerbaren Energien.

Zudem führe die Energiewende zu einer Veränderung unseres Umfelds, diese Veränderungen müssten positiv besetzt werden.

Als Herausforderung beschrieb Dr. Landsberg die Schaffung eines Kommunikationskonzeptes, das durch eine aktive und moderne Kommunikationspolitik sowie durch die frühzeitige und transparente Bürgerbeteiligung die Akzeptanz für Projekte stärkt.

Abschließend warb er für eine verstärkte Nutzung der Energieeffizienz und der energetischen Gebäudesanierung sowohl im privaten, als auch im öffentlichen Sektor mit einem jährlichen Investitionsbedarf von rund 36 Mrd. jährlich bis zum Jahr 2020.

Lebhafter Meinungsaustausch zum Gelingen der Energiewende

Die abschließende Diskussion, die von Franz-Reinhard Habbel professionell moderiert wurde, war durch lebhaften und kontroversen Meinungsaustausch rund um das Gelingen der Energiewende geprägt.

Als ein Problem der Energiewende wurden die sog. stranded investions, die nicht verursachergerechte Kostentragung, identifiziert.

Die Teilnehmer beschäftigten sich zudem mit der Frage, wie komplizierte Fragestellungen, wie sie im Rahmen des Kongresses diskutiert wurden, von kommunalen Entscheidungsträgern erfasst und umgesetzt werden können. Auch die Kosten der Energiewende waren Gegenstand der Abschlussdiskussion. So wurde hinterfragt, ob die jüngst von Bundesumweltminister Peter Altmaier angekündigten Kosten der Energiewende von einer Billion Euro realistisch seien.

Einigkeit bestand bei den Teilnehmern, dass die Energiewende das zentrale Projekt der kommenden Jahre sein wird, das eine umfassende Umgestaltung des Energiemarktes erfordert, und dass dieses Projekt nur mit vereinten Kräften unter Einbeziehung aller Akteure auf dem Energiemarkt gelingen wird.

Anmerkung der Redaktion

Maria-Lena Weiss, mag.rer.publ., ist Rechtsanwältin mit Tätigkeitsschwerpunkt im Energierecht und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität Bochum.

Der Beitrag ist zunächst in PUBLICUS – Der Online-Spiegel für das Öffentliche Recht erschienen. Herzlichen Dank an den RICHARD BOORBERG VERLAG – insbesondere an die PUBLICUS-Redaktion – und an Frau Maria-Lena Weiss für die Möglichkeit, den Beitrag hier in redigierter Fassung zu veröffentlichen.

 

Net-Dokument BayRVR2013081401