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Landtag: Ausschuss für Gesundheit und Pflege – Fachkräftemangel in der Pflege – welchen Weg geht Bayern?

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Seit längerem beschäftigt Bayerns Landespolitiker die Frage, ob eine Pflegekammer ein sinnvolles Instrument sein könnte, Pflegeberufe attraktiver zu machen und damit dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Viele Experten halten die Pflegekammer für eine gute Idee. Wie sie bei den Betroffenen ankommt, sollte eine Studie klären, die das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bei der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München in Auftrag gegeben hat. Die beiden Wissenschaftler Prof. Dr. Christa Büker und Dr. Ulrich Schneekloth erläuterten den Abgeordneten in der Sitzung am 21. Januar 2014 die Ergebnisse ihrer repräsentativen Stichprobe.

Die Hälfte der befragten examinierten Pflegekräfte spricht sich demnach für die Errichtung einer Pflegekammer in Bayern aus, gut ein Drittel sei dagegen. Dass 16 Prozent keine Meinung hätten, ist laut Schneekloth ein vergleichsweise hoher Wert, der zeige, dass sich noch nicht genug Betroffene gut informiert fühlten. Den eigenen Informationsstand bewerteten 19 Prozent als hoch, 42 Prozent als mittel und 37 Prozent als niedrig. Je besser der Informationsstand, desto häufiger sprächen sich Pflegekräfte für eine Pflegekammer aus, so Schneekloth.

Die Befürworter erhofften sich von einer Pflegekammer eine stärkere Positionierung der Pflegekräfte im Gesundheitssystem, ergab die Befragung. Skeptiker fürchteten Zwangsmitgliedschaft, hohe Mitgliedsbeiträge und zu starke Kontrolle. Während die Mehrheit daran glaube, dass eine Pflegekammer den Pflegeberufen allgemein zugute kommen werde, herrsche Unsicherheit darüber, ob für die einzelne Pflegekraft Vor- oder Nachteile überwögen. Büker plädierte dafür, die Betroffenen intensiver aufzuklären – vor allem darüber, dass eine Pflegekammer die Pflegequalität verbessere. Je mehr man aufkläre, desto eher werde die Zustimmung steigen.

„Jetzt ist die Politik gefordert“, so Büker.

Runder Tisch zur Einrichtung einer Pflegekammer

Ausschussvorsitzende Kathrin Sonnenholzner (SPD) lobte die Befragung, denn es sei in jedem Fall von Vorteil, die Betroffenen vor Errichtung einer Kammer an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Die Kammer habe auch zum Ziel, die Hierarchie zwischen Ärzten und Pflegenden einzuebnen. Unklar sei aber, ob eine Pflegekammer nicht eine neue Hierarchie unter den Pflegekräften schaffe. Klaus Holetschek (CSU) stellte fest, im Ausschuss herrsche Konsens darüber, die Situation der Pflegenden zu verbessern. Ihm stelle sich allerdings die Frage: „Ist eine Kammer hierfür das richtige Instrument?“ Keinesfalls sollte die Politik jetzt eine Entscheidung treffen ohne weitere Rücksprache mit denen, „die draußen die Arbeit tun“. Vor dieser Entscheidung sei vor allem die weitere Aufklärung wichtig. Auch Dr. Peter Bauer (FREIE WÄHLER) warb dafür, die Betroffenen besser zu informieren, vor allem über die Höhe der monatlichen Mitgliedsbeiträge. Bayern brauche eine Körperschaft, die die Pflegequalität im Freistaat erhöht. Ulrich Leiner (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, er habe sich mehr Zustimmung unter den Pflegekräften für eine Kammer erhofft. Es müsse transparent werden, was eine solche Kammer leisten könne und wo sie in der Überwachung der Betroffenen beschränkt sei.

„Dies soll eine Kammer für die Pflegenden werden, nichts Aufgesetztes von der Politik.“

Auf Regierungsseite geht die Diskussion um die Pflegekammer am 10. Februar weiter. Dann lädt Bayerns Pflegeministerin Melanie Huml zu einem Runden Tisch. Wie ein Ministeriumsvertreter dem Ausschuss mitteilte, soll dort aber nicht mehr die Kammer an sich in Frage gestellt, sondern deren Ausgestaltung und der weitere Zeitplan debattiert werden.

Und der Zeitplan drängt, auch hier waren sich die Abgeordneten einig. Der „Pflegereport 2012“ der Bertelsmann Stiftung kommt zu dem Schluss, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Bayern bis 2030 um rund 50 Prozent zunehmen wird. Welche Herausforderungen hierbei genau auf die Staatsregierung zukommen und wie sie damit umgeht, erarbeitet das Pflege- und Gesundheitsministerium derzeit in einer Angebots- und Bedarfsprognose, die dem Ausschuss Ende Mai vorliegen soll. Ein Ministeriumsvertreter gab in der Sitzung erste Einblicke.

So sei der Fachkräftebedarf in der Altenpflege „unbestritten“ eines der drängenden Probleme der kommenden Jahre. Der Pflegebedarf werde quantitativ zunehmen. Die zu Pflegenden würden immer älter; man könne davon ausgehen, dass sie künftig später im Leben gepflegt werden müssten als bislang. Gleichzeitig würden aber auch die pflegenden Angehörigen immer älter, so dass sie wohl mehr als bisher auf externe Unterstützung angewiesen sein würden. Die Pflege sei in Bayern ein stark fragmentierter Markt, hier sei „die Staatsregierung ein Akteur unter vielen“. Das Bildungsfinanzierungsgesetz habe in der vergangenen Legislaturperiode dafür gesorgt, dass Altenpflege in Bayern künftig schulgeldfrei zu erlernen sei. Um die Abbrecherquote hier weiter zu senken, wolle die Staatsregierung in einem Pilotprojekt evaluieren, ob hier eine sozialpädagogische Begleitung der Schüler Abhilfe schaffen kann. Damit mehr Menschen in Bayern Pflegeberufe ergreifen, wolle das Kultusministerium auf die Lehrer einwirken, Schüler vermehrt auf diese mögliche Berufswahl hinzuweisen.

Doris Rauscher (SPD) merkte an, dieser Zwischenbericht habe dem Ausschuss keine neuen Erkenntnisse gebracht. Kampagnen des Ministeriums wie „Herzwerker“, die soziale Berufe in Bayern fördern sollen, seien sympathisch, aber kratzten nur an der Oberfläche. Die Attraktivität ließe sich vielmehr durch bessere Rahmenbedingungen, mehr Personal und bessere Bezahlung erhöhen.

„Darauf wird Ihr Bericht Ende Mai hoffentlich eingehen“, forderte Rauscher.

Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER) forderte die Staatsregierung zu mehr Selbstbewusstsein auf; sie müsse „Hauptakteur“ sein und nicht einer unter vielen. Im übrigen erhofft sich Vetter im Mai konkrete Handlungsvorschläge der Staatsregierung. Solche Handlungsvorschläge dürfe Vetter auch selbst einbringen, konterte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Bernhard Seidenath (CSU). Seidenath zeigte sich allerdings skeptisch, ob die vom Ministerium angestrebte, verlängerte Lebensarbeitszeit durchzusetzen sei:

„Einen 160 Kilogramm schweren, kranken Mann zu heben, umzudrehen und zu waschen, da kommt man schon in jüngeren Jahren schnell an seine Grenzen.“

Wer einen Pflegeberuf ausübe, brauche daher mindestens gute Angebote für die eigene Gesunderhaltung.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Aus den Ausschüssen v. 21.01.2014 (Jan Dermietzel)