Gesetzgebung

Landtag: Debatte um neues Instrument der Volksbefragung

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Ministerpräsident Horst Seehofer hatte im November 2013 in seiner Regierungserklärung angekündigt, den „Freistaat zum Vorbild für den modernen Bürgerstaat des 21. Jahrhunderts“ machen und künftig eine „Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern“ schmieden zu wollen. Diesen Vorschlag hat die SPD-Fraktion nun aufgegriffen: In der Vollversammlung am 29. Januar 2014 brachte sie einen Gesetzentwurf (PDF, 329 KB) ein, der die Möglichkeit vorsieht, Volksbefragungen durchzuführen. Die CSU-Regierungsfraktion, aber auch die Oppositionsfraktionen FREIE WÄHLER und Bündnis 90/Die Grünen zeigten sich von der SPD-Initiative wenig überzeugt. Sie sprachen von einem „Schnellschuss“, der mehr Fragen aufwerfe als Antworten gebe.

Wie SPD-Rechtsexperte Franz Schindler im Plenum darlegte, will seine Fraktion die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürgern an wichtigen politischen Fragen verbessern und zu diesem Zweck ein weiteres Instrument der direkten Demokratie in Bayern einführen:

„Volksbefragungen sollen das bisherige Instrumentarium von Volksbegehren, Volksentscheiden, Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden und letztlich auch Petitionen ergänzen“, erklärte Schindler.

Gleichzeitig stellte er klar, dass dadurch die Grundentscheidung für die repräsentative Demokratie nicht infrage gestellt werde: Plebiszitäre Elemente sollten die repräsentative Demokratie ergänzen, nicht aber ersetzen. Mit Blick darauf hat das Ergebnis der von der SPD vorgeschlagenen Volksbefragung, die laut Gesetzentwurf von einem Fünftel der Abgeordneten initiiert werden kann, auch keine bindende Wirkung, sondern lediglich empfehlenden Charakter.

„Wir brauchen keine vom Staat finanzierten Wahlumfragen“, erklärte demgegenüber Katharina Schulze.

Die Grünen-Politikerin zeigte sich enttäuscht vom Gesetzentwurf der SPD, der für die Volksbefragung keine Bindungswirkung vorsieht . Sie sprach von einem „Feigenblatt“. Nicht wünschenswert ist es aus Sicht ihrer Fraktion zudem, dass eine Volksbefragung allein auf Initiative der Legislative oder der Exekutive zustande kommen soll:

„Direkte Demokratie sollte unserer Meinung nach aus der Mitte der Bürgerinnen und Bürger erwachsen, da ansonsten die Gefahr der Instrumentalisierung gegeben ist“, sagte Schulze.

Weil die SPD aus ihrer Sicht mit ihrem Gesetzentwurf eine vom Landtag angestoßene Petition, also „gewissermaßen eine Petition von oben“ möchte, schlug die Grünen-Politikerin vor, stattdessen das Petitionsrecht zu modernisieren.

Prof. Dr. Michael Piazolo hob hervor, dass auch die FREIEN WÄHLER für eine Stärkung der direkten Demokratie und mehr Entscheidungskompetenz für die Bevölkerung eintreten. Klar abgelehnt würde von der Fraktion allerdings eine „Umfragedemokratie“:

„Wir wollen keinen Publikumsjoker, den man ausspielt, wenn man nicht mehr weiter weiß, indem man das Publikum fragt, was man tun soll“, erklärte Piazolo.

Stattdessen plädierte er dafür, die Instrumente Volksentscheid und Volksbegehren zu stärken.

„Wir können uns auch Volksbefragungen vorstellen, aber dann verbindliche.“

Piazolo forderte, dass die Stärkung plebiszitärer Elemente mit einer Verfassungsänderung, nicht aber „durch die Hintertür“ mit einem einfaches Gesetz erfolgen sollte.

Dass das Thema Volksbefragung wirklich wichtig sei, unterstrich Josef Zellmeier. Gerade bei großen Projekten, so der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, sei die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger notwendig. Aus seiner Sicht fehlt bislang ein dem Ratsbegehren entsprechendes Instrument für den Landtag. Wie dieses genau ausgestaltet werde – darüber, so Zellmeier, werde der Landtag noch intensiv zu beraten haben. Ausdrücklich verwahrte sich der CSU-Politiker gegen eine „Inflation von Volksbefragungen“. Das Instrument sollte von der Mehrheit des Hauses genutzt, nicht aber ein „Minderheiteninstrument“ werden.

„Wir leben Bürgerbeteiligung“

Als „Musterland für direkte Demokratie in Deutschland“ bezeichnete Innenminister Joachim Herrmann den Freistaat. In keinem anderen Bundesland hätte es in den vergangenen 60 Jahren mehr Volksbegehren und Volksentscheide als in Bayern gegeben. Auch auf kommunaler Ebene gebe es in keinem anderen Bundesland mehr Bürgerbegehren und Bürgerentscheide als in Bayern.

„Wir leben Bürgerbeteiligung“, hob Herrmann hervor.

Vor diesem Hintergrund habe der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung eine Ausweitung der plebiszitären Elemente vorgeschlagen. Herrmann kündigte an, in Kürze Vorschläge vorzulegen, wie Volksbefragungen zu konkreten, landespolitisch bedeutsamen Themen gesetzlich umgesetzt werden könnten. Den von der SPD vorgelegten Gesetzentwurf wertete er als „mit heißer Nadel gestrickt“. Bedenken äußerte Herrmann insbesondere, dass die SPD das Instrument auch auf Initiative einer Minderheit hin nutzen möchte. Der Innenminister stellte klar, dass es stattdessen um eine Initiative gehen müsse, die vom Mehrheitswillen des Landtags geprägt sei.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Aus dem Plenum v. 28.01.2014 (von Katja Helmö)