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Bayerischer Gemeindetag: Braucht Deutschland eine Wahlpflicht?

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Überlegungen von Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl

Im März sind allgemeine Gemeinde- und Landkreiswahlen. Wobei „allgemein“ schon fraglich ist, betrachtet man die Wahlbeteiligung. Vom 1948 erzielten Spitzenwert einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 84,9% sind im Jahre 2008 59,5% geblieben. Noch schlechter steht es um die Europawahlen. Für die sieben durchgeführten Europawahlen seit 1979 errechnet sich in Bayern eine Wahlbeteiligung zwischen 39,7% (2004) und 61,1% (1989). Auch bei den Bundestags- und Landtagswahlen haben wir mit 70,8% (2009) bzw. 57,1% (2003) schon bedenkliche Tiefpunkte erlebt.

Dabei ist das Wahlrecht im Rahmen einer allgemeinen und freien Wahl eine Errungenschaft, die wir pflegen sollten. Im 19. Jahrhundert war das Stimmrecht noch an einen Vermögenszensus gebunden, von einem Frauenwahlrecht ganz zu schweigen. Heutzutage leisten sich sogenannte Intellektuelle den Luxus, zum Nichtwählen aufzurufen.

Die Ausübung des Wahlrechts durch die Bürgerinnen und Bürger ist aber die Basis unserer demokratischen Systems, Pflichtprogramm für jeden Demokraten. Diktatur der Minderheit statt Demokratie? Die Wahlpflicht böte Abhilfe. Nun kann man sagen, die Motivation der Wählerinnen und Wähler ist verfassungsrechtlicher Auftrag der Parteien. Aber können die Parteien die Nichtwähler wirklich motivieren? Für alle Nichtwähler: Über die Zusammensetzung unserer Gremien entscheidet die prozentuale Verteilung der bei der Wahl abgegebenen gültigen Stimmen. Das Nichtwählen wirkt sich also nicht aus, solange alle Parteien gleichermaßen „bestraft“ werden.

Anders sind jedoch die Auswirkungen einer geringen Wahlbeteiligung auf die „Legitimation“ des gewählten Mandatsträgers zu sehen. Eine Wahlpflicht könnte dagegen so manchen Politikverdrossenen zum nachdenken, diskutieren und mitmachen anregen, bestenfalls könnte so extremistischen Positionen entgegengewirkt werden. Sind Länder wie Belgien, Griechenland, Italien, Liechtenstein oder Luxemburg, die über eine Wahlpflicht verfügen, undemokratisch? Mitnichten. Immerhin konnte dort die Wahlbeteiligung auf einem Durchschnittsniveau stabilisiert werden, das eine demokratische Legitimation der Parlamente gewährleistet. Wir schätzen unsere (Wahl-)Freiheit. Freiheit und Verantwortung sind aber zwei Seiten einer Medaille. Zwang darf stets nur „ultima ratio“ sein. Ist es uns unsere Demokratie wert?

Gehen Sie wählen!

Bayerischer Gemeindetag, Aktuelles v. 05.02.2014