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Universität Erlangen-Nürnberg: Gesetzlosigkeit als Verfassungskultur – FAU-Forscher untersucht die praktische Seite des Grundgesetzes

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Unsere höchsten Staatsorgane – Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung – bewegen sich nicht selten außerhalb der Verfassung. Nicht, weil sie ungesetzlich handeln, sondern weil die Mütter und Väter des deutschen Grundgesetzes viele Fragen des politischen Lebens schlicht nicht geregelt haben – absichtlich und unabsichtlich. Wie sich dieser Umstand auf die Arbeit der Staatsorgane auswirkt und welche Folgen er für das deutsche sowie europäische Rechtssystem hat, will Prof. Dr. Andreas Funke, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der FAU, jetzt untersuchen. Seine Studie wird von der Fritz-Thyssen-Stiftung mit 200.000 Euro gefördert.

Staatspraxis sind die gerade nicht in Gesetzen enthaltenen Gebräuche, Konventionen und Vereinbarungen, die die Beziehungen zwischen den Verfassungsorganen regeln und organisieren.

„Für das Funktionieren des geltenden Rechts hat die Staatspraxis eine ganz elementare Bedeutung“, erklärt Professor Funke. „Gerichtsentscheidungen und juristische Stellungnahmen zur Auslegung der Verfassung beziehen sich immer wieder auf die Konventionen und Gebräuche der Staatsorgane.“

Eigentlich müsste es allerdings umgekehrt sein: Das Grundgesetz müsste die Staatspraxis anleiten.

„Doch dieses Phänomen ist unbestreitbar Teil der Verfassungskultur der Bundesrepublik“, sagt Funke.

Seinen Ursachen und seiner rechtlichen Bedeutung will der Erlanger Rechtswissenschaftler jetzt nachgehen.

Dazu werden Funke und sein Team zunächst zahlreiche Quellen wie Abkommen, Geschäftsordnungen, Erklärungen und Stellungnahmen einzelner Organe, Sitzungsprotokolle und Gerichtsentscheidungen auswerten und Interviews mit Akteuren aus der Politik führen. Ihre Ergebnisse wollen sie nach der zweijährigen Laufzeit des Projekts auf einer Tagung vorstellen und mit Fachkollegen diskutieren.

Das Projekt soll eine Lücke in der rechtswissenschaftlichen Forschung schließen, indem ganz bewusst der Rahmen einer rein juristischen Betrachtung überschritten wird. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie das Recht politische Abläufe steuern kann. Diese Frage ist etwa mit Blick auf jüngere Entwicklungen in der Europäischen Union von höchst aktueller Bedeutung.

Universität Erlangen-Nürnberg, Pressemitteilung v. 17.03.2014