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Bayerischer Städtetag: Barrierefreiheit im öffentlichen Raum

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„Wer große Ziele verspricht, sollte die Finanzierung nicht ausblenden. Der Bayernplan zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum bis 2023 ist unausgereift und unterfinanziert“, sagt Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags.

Ministerpräsident Seehofer hat in seiner Regierungserklärung das Ziel ausgerufen, Bayern solle bis 2023 im gesamten öffentlichen Raum barrierefrei werden. Dazu werde ein Sonderinvestitionsprogramm aufgelegt. Sozialministerin Emilia Müller verglich die Mittelausstattung des Programms kürzlich mit der des Breitbandausbaus für ein schnelles Internet, womit auf den Freistaat bis 2023 Kosten von 1,5 Milliarden Euro zukommen würden.

Buckenhofer: „Allerdings ist dies eine sehr grob geschätzte Summe – derzeit läuft unter Federführung des Sozialministeriums eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Eckpunkte für Barrierefreiheit. Die in den Raum gestellte Summe mag auf den ersten Blick beeindrucken. Sie wird allerdings der Komplexität des Vorhabens nicht gerecht und wird in der Praxis noch viel höher ausfallen. Es reicht nicht aus, öffentliche Plätze oder Gebäude wie Universitäten, Schulen, Theater und Behörden barrierefrei zu machen. Es genügt nicht, Barrieren im öffentlichen Nahverkehr zu beseitigen. Tatsächlich muss sich die Zugänglichkeit auf den gesamten öffentlichen Raum beziehen. Es reicht nicht aus, den Fokus allein auf gehbehinderte Menschen zu richten. Die Anforderungen zum Beispiel von sehbehinderten Menschen an ihre Umwelt sind andere als die gehbehinderter Menschen.“

Ein großes Fragezeichen wirft die Ankündigung der Sozialministerin auf, sie werde 20 Millionen Euro für den anstehenden Doppelhaushalt 2015/2016 beantragen.

Buckenhofer: „Diese Summe gibt Anlass, die Ernsthaftigkeit des Ziels der Barrierefreiheit zu hinterfragen. Allein die notwendige Konzeptionierung zur Abstimmung aller Bedürfnisse verschiedener Behinderungen wird einen Großteil dieser Mittel verschlingen: 20 Millionen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts der von Ministerin Müller selbst genannten Kosten von 1,5 Milliarden.“

Ein Beispiel von vielen sind die Kosten für die Barrierefreiheit einer Ampelanlage: Mit Blindenleitsystem, Vibrationsplatten und akustischen Signalgebern, Tiefbauarbeiten zur Absenkung von Bordsteinen wird schnell eine Summe von 30.000 Euro für eine Fußgängerfurt erreicht.

Buckenhofer: „Bei einer mittelgroßen bayerischen Stadt mit siebzig bis achtzig Ampelanlagen erreicht man allein mit dieser Maßnahme einen Millionenbetrag.“

Wesentlich kostenintensiver ist die Sanierung der – nicht selten historischen und denkmalgeschützten – Rathäuser: Herstellung von stufenlosen Zugängen und breiter Türen (ca. 50.000 Euro), Einbau einer Rampe, Schaffung eines einheitlichen Fußbodenniveaus, Türöffner und Tastschalter, größere Bewegungszonen im Eingangsbereich (ca. 150.000 Euro), Nachrüstung des Aufzugs mit einzelnen Zugangspodesten und neuen Türdurchbrüchen (ca. 350.000 Euro).

Buckenhofer: „In Bayern gibt es über 2000 Rathäuser. Viele davon befinden sich in strukturschwachen und vom demografischen Wandel betroffenen Städten und Gemeinden, die selbst bei auskömmlicher Mittelausstattung des Sonderinvestitionsprogramms wegen der angespannten Haushaltssituation Schwierigkeiten haben, den notwendigen Eigenanteil aufzubringen.“

Viele Kommunen haben hier schon Leistungen erbracht und sind weiter auf dem Weg. Ohne staatliche Hilfe lässt sich die zeitliche Vorgabe bis 2023 nicht einhalten.

Buckenhofer: „Es ist problematisch, wenn die Staatsregierung Erwartungen weckt, die andere erfüllen müssen. Die Staatsregierung arbeitet – möglicherweise in Voraussicht auf die hohen Kosten – nicht mit verpflichtenden Vorgaben, die den Tatbestand der Konnexität (‚wer bestellt, soll auch bezahlen‘) erfüllen würden, sondern mit Anreizen. Allerdings weckt der Ministerpräsident mit der Regierungserklärung Erwartungen in der Bevölkerung, die zu einem großen Teil Städte und Gemeinden zu erfüllen haben.“

Die Staatsregierung steht in der Pflicht, den mit der Umsetzung betrauten Kommunen hierfür angemessene Mittel zur Verfügung stellen. Lippenbekenntnisse der Staatsregierung genügen nicht. Mittel müssen schnell und unbürokratisch bereit stehen. Einige Kommunen haben im kommunalen Haushalt für 2014 bereits beträchtliche Mittel für den Komplex der Barrierefreiheit ausgewiesen und stehen in den Startlöchern. Eine Unterstützung des Freistaats im Vorgriff auf das Investitionsprogramm können sie dabei nicht erwarten, weil das Programm noch nicht hinreichend konkret ist.

Buckenhofer: „Derzeit stehen noch weitere kostenintensive Projekte auf der Agenda: So geht die Staatsregierung schon bei der Finanzierung der Inklusion an Schulen nicht mit dem nötigen Eifer voran. Die Städte fordern konkrete Rahmenbedingungen und eine verlässliche, kontinuierliche und baldige Mit-Finanzierung bei der Barrierefreiheit. Modellprojekte und Pilotphasen sind wichtig, führen aber alleine nicht zum Ziel. Städte und Gemeinden stellen keine Barrieren auf, sondern haben bereits früh die Barrierefreiheit vorangetrieben.“

Bayerischer Städtetag, Pressemitteilung v. 14.04.2014