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Universität Bamberg: Zurück in die Steinzeit? Urheber- und Zweitverwertungsrecht im digitalen Zeitalter

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Stellen Sie sich vor, die öffentliche Hand würde für Forschungsergebnisse gleich mehrfach bezahlen, die Gewinne aus den Veröffentlichungen bekämen aber private Unternehmen. Stellen Sie sich vor, Sie dürften einen eingescannten Textausschnitt nicht abspeichern – wohl aber einen abfotografierten. Das klingt absurd? Entspricht aber der Realität und ist ein Teil der Zeitschriftenkrise. Die Universitätsbibliothek Bamberg unterstützt die Online-Petition des Aktionsbündnisses für Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft, um das zu ändern.

Mit einer Veröffentlichung treten wissenschaftliche Autoren meist ihre gesamten Nutzungsrechte an einen Wissenschaftsverlag ab: Sie liefern die Forschungsergebnisse druckfertig und mit Layout, aber ohne Vergütung an den Verlag. Das Peer-Review-Verfahren zur Qualitätssicherung führen andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Regel ehrenamtlich durch. Die fertige Zeitschrift geht zurück an die Universitäten, dort ist sie Grundlage weiterer Forschung. Nur ist sie jetzt nicht mehr kostenlos. Schuld daran sind gesetzliche Regelungen und Wissenschaftstraditionen, die nicht mehr zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien passen.

Traumhafte Renditen dank aggressiver Preispolitik

„Wir bezahlen einerseits die Zeitschriften selbst, andererseits eine Onlinegebühr, die die Verlage beliebig anpassen können. Sobald wir eine Zeitschrift abbestellen, erhöht der Verlag diese Gebühr und wir bezahlen trotzdem dieselbe Summe. Auch können wir Zeitschriften manchmal nur im Bündel beziehen“, erklärt Dr. Fabian Franke, Direktor der Universitätsbibliothek, die aggressive Preispolitik der Wissenschaftsverlage.

Dieses Phänomen ist Teil der Zeitschriftenkrise: Die Preise für Zeitschriften steigen seit Jahren stark an, während die Etats der Bibliotheken im besten Fall gleichbleiben und sie deshalb viel abbestellen. Dies führt zu weiteren Preiserhöhungen, weil die Verlage die Einnahmeverluste ausgleichen möchten. Die Gewinnmargen der Wissenschaftsverlage profitieren trotzdem: Der Marktführer Reed Elsevier weist in seinem Geschäftsbericht 2012 eine Umsatzrendite von 28 Prozent aus. Von solchen Zahlen können andere Branchen und Medienhäuser nur träumen. In der Industrie liegen die Umsatzrenditen meist bei guten 5 Prozent.

Die Verlage befinden sich dabei in einer komfortablen Situation: Forschende sind auf die Publikation ihrer Forschungsergebnisse angewiesen, gelten doch die Publikationsliste und der Impact Factor, also die Zitierhäufigkeit, als Indikator für ihren wissenschaftlichen Wert. Auf der anderen Seite brauchen sie Zugang zu Forschungsergebnissen anderer. Einzelne Universitäten wie Karlsruhe und Stuttgart hatten Reed Elsevier bereits boykottiert, mussten deren Zeitschriften aber auf Druck ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder abonnieren. Fabian Franke sieht deshalb in Open-Access-Publikationen eine optimale Lösung für die Zeitschriftenkrise.

Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen

Doch Wissenschaftstraditionen ändern sich nur langsam. 2003 beschlossen 19 Forschungsinstitutionen die sogenannte „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“. Mittlerweile gibt es über 400 internationale Unterzeichner, die Universität Bamberg gehört seit 2011 dazu. Sie alle fordern Open Access, also offenen und freien Zugang zu wissenschaftlichem Wissen durch online frei verfügbare Publikationen.

Auch die Otto-Friedrich-Universität Bamberg bekennt sich in ihrer Open-Access-Erklärung zu den Prinzipien des Open Access. In Übereinstimmung mit ihrem Leitbild gehört es zu ihrem Selbstverständnis, das an der Universität entstandene Wissen für die Gesellschaft und die Wissenschaftsgemeinschaft umfassend, nachhaltig und ohne Einschränkungen zugänglich zu machen. Eine Möglichkeit dazu bietet die University of Bamberg Press (UBP).

Manchmal publiziert ein Autor oder eine Autorin aber lieber bei einem renommierten Verlag“, erzählt Fabian Franke. „Der Übergang von traditionellen Publikationsformen hin zu moderneren Varianten ist eben lang und steinig.“

Susan Gamper vom Lehrstuhl für Europäische Ethnologie arbeitet an ihrer Doktorarbeit und kennt diese Gedanken.

„Will ich möglichst viel gelesen werden? Will ich ein gedrucktes Buch, das im Handel erhältlich ist? Wieviel Reputation bekomme ich online?“

Je nach Konditionen müsste sie für die Veröffentlichung ihrer Doktorarbeit 3.000 bis 6.000 Euro an einen Verlag zahlen.

„Eigentlich hätte ich schon gerne ein Buch“, bekennt sie. „Ich mag das Gefühl, Papier in den Händen zu halten. Ich weiß aber auch, dass das im neuen Jahrtausend vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß ist.“

Neben diesem Bauchgefühl hat Susan Gamper aber auch handfeste Argumente: Gerade in den Geisteswissenschaften haftet einer Onlinepublikationen noch das Stigma an, auch inhaltlich weniger wert zu sein als eine gedruckte Veröffentlichung in einem Fachverlag.

Wie geht es nach der Erstveröffentlichung weiter?

Seit Anfang 2014 ist im Urheberrechtsgesetz die Regelung verankert, dass Forschende ihre öffentlich geförderten Werke nach einer Verlagsveröffentlichung zweitveröffentlichen dürfen, etwa auf dem Publikationsserver ihrer Universität. Diese Regelung gilt allerdings nur für drittmittelfinanzierte Forschung, nur für Artikel in Fachzeitschriften und erst nach einer Embargofrist von einem Jahr. Sie verweigert somit der Mehrheit der Autorinnen und Autoren an den Hochschulen das Zweitverwertungsrecht. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Hochschulen, die überwiegend mit Grundmitteln forschen, sind von der neuen Regel ausgenommen.

Gegen diese Diskriminierung der Hochschulwissenschaft im Urheberrecht wendet sich das Aktionsbündnis für Urheberrecht in Bildung und Wissenschaft mit einer Online-Petition, die bis zum 24. April gezeichnet werden kann. Es fordert ein Zweitveröffentlichungsrecht für alle Autorinnen und Autoren, unabhängig von ihren Beschäftigungsverhältnissen.

„Die Bibliotheken wünschen sich eine wissenschaftsfreundliche Lösung. Die Verlagslobby ist aber organisierter als die Bibliotheken und die Wissenschaft“, erklärt der Bibliotheksdirektor. „Sie schüren Ängste, dass viele Verlage die Entwicklung nicht überleben könnten. Aber natürlich verändert sich das ursprüngliche Geschäftsmodell. Als das Auto erfunden wurde, war das für die Kutschenindustrie auch ein Einschnitt.“

Franke fordert innovative Serviceleistungen von den Verlagen.

„Wir werden doch in die Steinzeit zurückgeworfen, wenn wir keine wissenschaftsfreundlichen Regelungen bekommen!“

Der Bibliotheksdirektor denkt dabei auch an Gesetze, die die Nutzung von digitalisierten Texten im Virtuellen Campus regeln würden, bisher jedoch immer wieder befristet wurden.

Urheberrecht im Web 2.0

Dass über ein Zweitverwertungsrecht überhaupt diskutiert werden muss, findet der Student Dustin Hemmerlein (Geschichte und Kommunikationswissenschaft) ebenfalls nicht richtig. Er arbeitet nebenbei als freier Journalist und erklärt, dass eine Zweitverwertung in dieser Branche üblich ist. Vom Gesetzgeber fordert er autorenfreundliche Regelungen.

„Die großen Verlage haben ihre Rechtsabteilungen und diktieren Autoren ihre Konditionen.“

Hemmerlein ist mit seinen Überlegungen zum digitalen Urheberrecht ohnehin bereits im Web 2.0 angekommen:

„Vielleicht wird meine Generation sich fragen, warum Forschende sich überhaupt auf ein solches Verlagssystem einlassen sollten.“

Ihm schwebt eine viel stärkere Nutzung von Online-Plattformen vor, auf der Publikationen für jeden frei zugänglich sind. Vielleicht könnte sich sogar das Review-Verfahren als Crowdsourcing durchsetzen, sinniert er, wenn dieser normalerweise interne Prozess statt von wenigen Ausgewählten von einer großen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern übernommen würde, die Kommentare und Bewertungen zu einem Text online einstellen könnten. Sowohl Einzelexperimente als auch wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt es bereits, bei denen die Vor- und Nachteile der beiden Review-Modelle verglichen werden. Open-Access-Plattformen könnten darüber hinaus auch eine größere Vielfalt von Forschungsmeinungen und einen Dialog über Veröffentlichungen ermöglichen, die der Student in den gedruckten Zeitschriften vermisst.

Universität Bamberg, Pressemitteilung v. 15.04.2014