Gesetzgebung

Bayerischer Städtetag: Leistungen vom Kreißsaal bis zum Friedhof – Pellkofer: Daseinsvorsorge ist ein Standortfaktor um den uns viele Länder beneiden

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„Der Begriff Daseinsvorsorge sagt den Bürgern wenig – das klingt abstrakt, ist aber eine zentrale kommunale Aufgabe. Kommunen sichern das Dasein der Menschen und schaffen eine Lebensgrundlage für alle“, sagt der 2. stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Erster Bürgermeister Josef Pellkofer, Dingolfing. Im Alltag begegnet den Menschen Daseinsvorsorge mehrfach, wenn sie den Wasserhahn aufdrehen und frisches Trinkwasser sprudelt, wenn sie die Toilettenspülung drücken – aber sie machen sich kaum Gedanken, wo das Wasser herkommt oder wie das Abwasser geklärt wird: Sie schalten das Licht an, kochen mit Gas, heizen mit Fernwärme; fahren mit Bussen, Trambahnen und U-Bahnen, werfen Mülltüten in den Container.

Pellkofer: „Die Kommunen halten seit über einem Jahrhundert eine immer komplexere Infrastruktur bereit, die wir als selbstverständlich hinnehmen. Dabei benötigt gerade die schnelllebige Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft in den unruhigen Zeiten der Globalisierung den ruhenden Pol der kommunalen Daseinsvorsorge – zuverlässig, sicher und bezahlbar. Daseinsvorsorge gewährt die Teilnahme aller Menschen am Leben, egal woher sie kommen, unabhängig von Bildungsstand und Einkommen. Daseinsvorsorge schafft die Lebensvoraussetzungen für alle Menschen: Jeder bekommt Wasser in gleicher Qualität; jeder kann sich im Krankenhaus behandeln lassen. Die Leistungen der Daseinsvorsorge umspannen das gesamte Leben vom Kreißsaal bis zum Friedhof.“

Beispiele für die Ausprägung der modernen Stadt seit dem 19. Jahrhundert sind der Ausbau eines Kanalsystems und einer gut organisierten Müllentsorgung. Dies geschah alles, um die Bevölkerung vor Seuchen, Epidemien und Krankheiten zu bewahren. Die Erschließung von Grundwasserquellen außerhalb der Stadt mit einem weit verzweigten Leitungsnetz gab erst die Gewähr für ein gesundes Leben in den wachsenden Städten der Moderne. Die Städte bereiten den Boden, damit Industrialisierung und Dienstleistungsgesellschaft voranschreiten konnten und schaffen somit auch heute die Basis für wirtschaftliche Prosperität. Moderne Wirtschaftsstandorte benötigen sichere Strukturen und dauerhafte Versorgung mit Wasser, Kanal, Strom, Gas, Straße, Schiene und Straßenbeleuchtung.

Pellkofer: „Daseinsvorsorge ist ein Standortvorteil um den uns weltweit viele Länder beneiden.“

Kommunen schaffen eine Infrastruktur, sie bieten Dienstleistungen, damit sich ein blühendes Wirtschaftsleben entfalten kann. Verkehr, Versorgung und Entsorgung – das sind alles Standortfaktoren, die für die Stärke unseres Landes sorgen.

Pellkofer: „Die Daseinsvorsorge gewährleistet allen Menschen eine materielle Mindestausstattung. Sie ermöglicht den Einzelnen überhaupt erst, ihre demokratischen Freiheitsrechte und Mitwirkungsrechte wahrzunehmen. Deshalb gehört sie in sichere Hände und ist bei den Kommunen bestens aufgehoben.“

Ungewissheit droht der Daseinsvorsorge von der Europäischen Union: Das deutsche Verständnis von Daseinsvorsorge lässt sich nicht mit den Rechtsauffassungen in allen 28 Mitgliedstaaten in Einklang bringen. Die EU versteht Daseinsvorsorge als „marktbezogene Tätigkeiten“ und „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“.

Pellkofer: „Die Städte fordern, dass die Definitionshoheit für kommunale Daseinsvorsorge bei den Mitgliedstaaten bleibt. Wenn die Daseinsvorsorge aus der Verantwortung der Rathäuser herausgelöst würde, wenn nur noch globale Konzernzentralen über Wasserversorgung oder Verkehrsbetriebe entscheiden, dann ist der Bürger nicht mehr jemand, der demokratische Rechte wahrnimmt, sondern wird zum bloßen Konsumenten degradiert. Der Bürger könnte dann nicht mehr über das Rathaus an der Gestaltung der Daseinsvorsorge mitwirken.“

Wasserwerke, Kläranlagen und Kanäle, U-Bahnschächte und Tram-Gleise, Heizkraftwerke, Krankenhäuser, Energie-Anlagen und all die Leitungen, die unsichtbar im Boden verlaufen – das alles sind Einrichtungen, die über Jahrzehnte und Generationen hinweg mit dem Geld der Bürgerschaft errichtet worden sind.

Pellkofer: „Einrichtungen der Daseinsvorsorge sind Einrichtungen, die den Bürgern selbst gehören: Das ist ein Vermögen der Bürgerschaft, das hat die Stadtgesellschaft Stück für Stück ausgebaut: Jede Generation hat der nächsten etwas weitergegeben. So verdanken wir die Kanalisation und die Trinkwasserbrunnen der Voraussicht der Stadtväter von einst. Das, was unsere Vorväter aufgebaut haben, was über Generationen hinweg im Besitz der Bürger war, was Jahrzehnt für Jahrzehnt verbessert worden ist, dürfen wir nicht verschleudern. Die Städte haben in der Vergangenheit etwas Nachhaltiges aufgebaut, von dem wir heute profitieren.“

Bayerischer Städtetag, Pressemitteilung v. 10.07.2014