Gesetzgebung

StMGP: Bayern durch Gesundheitsfonds zunehmend belastet – Gutachten belegt Umverteilung – Ministerin Huml fordert mehr Gerechtigkeit durch Regionalfaktor

©pixelkorn - stock.adobe.com

Aus Bayern fließen seit der Einführung des Gesundheitsfonds zunehmend Versichertengelder in andere Bundesländer ab. Dies belegt ein neues Gutachten, das die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml am Mittwoch anlässlich des Europäischen Gesundheitskongresses in München vorgestellt hat. Demzufolge gingen den bayerischen Beitragszahlern allein im Jahr 2011 durch die Umverteilungsmechanismen in der Gesetzlichen Krankenversicherung 2,16 Milliarden Euro verloren.

Huml kritisierte: „Das ist ungerecht. Der Gesundheitsfonds darf kein verdecktes Transfersystem zwischen den Ländern zu Lasten Bayerns sein. Außerdem wird die Versorgungsinfrastruktur im Freistaat nicht ausreichend gegenfinanziert. Konkret heißt das: In Bayern tätige Kassen erhalten aus dem Gesundheitsfonds nicht genügend Geld, um ihre Ausgaben zu decken.“

Das Gutachten stammt von Prof. Dr. Volker Ulrich (Universität Bayreuth) und Prof. Dr. Eberhard Wille (Universität Mannheim). Die renommierten Wissenschaftler zeigen darin auf, dass sich in der Zeit von 2009 bis 2011 in Bayern eine Unterdeckung der Leistungsausgaben der Krankenkassen durch die Zuweisung des Gesundheitsfonds von rund 990 Millionen Euro aufsummiert hat.

Huml betonte: „Das Gutachten belegt, dass die bayerischen Beitragszahler doppelt bestraft werden: Einerseits zahlen sie überdurchschnittlich viel in den Gesundheitsfonds ein, andererseits erhalten sie für ihre Versorgung zu wenig daraus zurück.“

Die Ministerin forderte: „Der Gesundheitsfonds muss künftig mehr Rücksicht auf regionale Unterschiede nehmen. Die gegenwärtigen Regelungen sind nicht länger hinnehmbar. Bayern hat sich für mehr Beitrags- und Vertragsautonomie für die Krankenkassen eingesetzt – und fordert, nun auch einen Regionalfaktor im Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zu berücksichtigen. Nur eine regionale Differenzierung kann Belastungen für Hochlohn- und Hochpreisregionen wie Bayern abmildern und damit für mehr Gerechtigkeit beim Gesundheitsfonds sorgen.“

Huml betonte: „Es ist nicht Aufgabe der bayerischen Beitragszahler, mit ihren immer höheren Beiträgen andernorts einseitige Leistungsausweitungen zu subventionieren.“

Die Ministerin verwies darauf, dass Bayern bereits bei den Steuereinnahmen durch den Bund-Länder-Finanzausgleich zunehmend zur Kasse gebeten wird. Zusammen mit den Folgen des Gesundheitsfonds ergab sich 2011 für den Freistaat eine Belastung von knapp sechs Milliarden Euro. Mittlerweile übersteigt die jährliche Gesamtbelastung absehbar sieben Milliarden Euro.

Huml kritisierte: „Das ist ein gewaltiger Betrag unserer Bürgerinnen und Bürger. Bayern ist zwar solidarisch. Aber die Schmerzgrenze ist nun deutlich überschritten. Bei einem Mittelabfluss aus Bayern in Höhe von 2,16 Milliarden Euro muss sichergestellt sein, dass die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für bayerische Versicherte wenigstens die Leistungsausgaben für deren Gesundheitsversorgung decken.“

Huml schlug vor, das Thema angesichts der nun vorliegenden Daten auf Berliner Ebene zu behandeln. Dem Gutachten zufolge ist nicht nur der Freistaat von einer Fehlverteilung beim Gesundheitsfonds betroffen. Vielmehr gab es 2011 eine Unterdeckung unter anderem auch in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen.

Das Gutachten hat den Titel: „Zur Berücksichtigung einer regionalen Komponente im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA).“ Ihm liegen Daten für den Zeitraum von der Einführung des Gesundheitsfonds 2009 bis zum letztverfügbaren Datenstand des Jahres 2011 zu Grunde.

Professor Dr. Ulrich erläuterte: „Angesichts der volkswirtschaftlichen Entwicklung und der Zunahme des Einnahme- und Ausgabevolumens der GKV seitdem gibt es keinen Grund zur Annahme für eine Trendumkehr. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Bayern durch Mittelabflüsse in der GKV weiter in erheblichem Maße belastet wird.“ Er fügte hinzu: „Der Gesundheitsfonds und der Morbi-RSA führten ab 2009 zu einer deutlichen Intensivierung regionaler Umverteilungseffekte, sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. Die errechneten regionalen Deckungsquoten zeigen, dass in zahlreichen bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht ausreichen, um die tatsächlich angefallenen Ausgaben für die Versicherten in diesen Regionen zu decken.“

Professor Dr. Wille ergänzte: „Bei den Bestimmungsfaktoren dieser regionalen Unterdeckungen handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unstrittig um für die Krankenkassen nicht zu beeinflussende, sogenannte exogene Faktoren, die der Morbi-RSA hinsichtlich seiner Ziele ausgleichen sollte. Von den zurzeit diskutierten Reformmaßnahmen für den Morbi-RSA kommt daher einer Regionalkomponente mit Blick auf die Vermeidung bzw. Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen eine herausragende Bedeutung zu.“

Der Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Dr. Helmut Platzer, betonte: „Gesundheitsleistungen können nur in dem Maße vergütet werden, wie sie aus dem Gesundheitsfonds gegenfinanziert werden. Gerade in Bayern gibt es hohe Erwartungen an die regionalen Krankenkassen hinsichtlich der Versorgungsdichte und -qualität, aber auch der Honorare für Leistungserbringer. Die höheren Kosten in Bayern legen es nahe, über eine bedarfsgerechtere Refinanzierung nachzudenken. Ich begrüße es deshalb, dass die Diskussion darüber aufgegriffen wird. Der Wettbewerb muss die beste Versorgung zum Ziel haben und darf nicht unter Faktoren leiden, die die Krankenkassen nicht beeinflussen können.“

Die Vorständin des BKK Landesverbandes Bayern, Sigrid König, unterstrich: „Für eine solidarische Krankenversicherung brauchen wir einen gerechten Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen. Der bestehende Krankenkassenfinanzausgleich ist unausgewogen und wettbewerbsfeindlich. Wir haben regionale Unterschiede in der Versorgung und bei den Kosten. Diese werden im Gesundheitsfonds komplett ausgeblendet. Überdurchschnittliche Einkommensstrukturen, die überdurchschnittliche Ausgaben für die medizinische Versorgung nach sich ziehen, sind Fakt. Hinzu kommt, dass auch beim Krankengeld aufgrund der höheren Löhne überdurchschnittliche Zahlungen geleistet werden.“

StMGP, Pressemitteilung v. 01.10.2014