Aktuelles

Tagungsbericht: 6. Speyerer Tage zum Friedhofs- und Bestattungsrecht (18.-19.09.2014)

©pixelkorn - stock.adobe.com

Audience at the conference hall.Die Friedhofs- und Bestattungskultur ist in besonderer Weise vom demographischen Wandel betroffen. In der Folge ist es auch das Friedhofs- und Bestattungsrecht. Das wundert nicht, bezeichnet der „demographische Wandel“ doch weit mehr als die in einer breiteren Öffentlichkeit damit in Verbindung gebrachte sog. Überalterung der Gesellschaft. Der „demographische Wandel“ kennzeichnet als Oberbegriff vielmehr eine Vielzahl gesellschaftlicher Änderungsprozesse – viele davon haben Auswirkungen auf die Friedhofs- und Bestattungskultur. Erwähnt seien etwa:

  • Migrationsbewegungen und zunehmende religiöse Vielfalt mit jeweils eigenen Anforderungen an das Totengedenken und die Totenruhe,
  • höhere Mobilität Beruf und Wohnsitz betreffend (z.B. mit der Folge, dass pflegeleichte Grabformen gewählt werden, weil kein Angehöriger für die Grabpflege vor Ort ist),
  • die Auflösung traditioneller Familienverbünde (Kann ein Bestattungspflichtiger ermittelt werden? Kommt dieser seiner Bestattungspflicht nach? In welcher Form kommt er ihr nach?)
  • die fortschreitende Individualisierung und Liberalisierung der Gesellschaft und in der Folge auch eine vielfältigere Trauerkultur.

Hierauf angemessen zu reagieren ist die Herausforderung, vor die sich insbesondere kommunale und kirchliche Friedhofsträger, Bestattungsunternehmen sowie die Landesgesetzgeber gestellt sehen.

Mit den Speyerer Tagen zum Friedhofs- und Bestattungsrecht, die vom 18.-19.09.2014 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in sechster Auflage stattfanden, hat sich ein jährliches Forum etabliert, das diese und andere aktuelle Fragen rund um das Friedhofs- und Bestattungsrecht aufgreift.

Die Veranstaltung war auch in diesem Jahr mit rund 100 Teilnehmern aus ganz Deutschland gut besucht. Die Teilnehmer kamen überwiegend aus dem kommunalen Bereich, auch zahlreiche Vertreter der christlichen Kirchen waren vertreten. Stärker präsent als die vorangegangenen Jahre, so der Eindruck bei einem Blick auf die Teilnehmerliste und aus persönlichen Gesprächen, waren die Bestattungsunternehmer.

1. Begrüßungsworte mit Rechtsprechungsübersicht

Zu Beginn der Veranstaltung gab Prof. Dr. Ulrich Stelkens eine kurze Rechtsprechungsübersicht zu bemerkenswerten Entscheidungen, die seit der vorangegangenen Tagung veröffentlicht wurden. Erwähnt seien:

  • BVerfG, Beschluss v. 20.06.2014 – 1 BvR 980/13: Protestveranstaltung auf einem Friedhof kann von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt sein.
  • BVerwG, Urteil v. 16.10.2013 – 8 CN 1.12: Städtische Friedhofssatzung mit Verbot des Aufstellens von Grabmalen aus Kinderarbeit. Der Entscheidung lag die Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg zugrunde. Die Entscheidung war die fünfte in dieser Sache. Der komplette Verfahrensgang ist hier dargestellt.
  • AG Bad Urach, Urteil v. 21.06.2013 – 1 C 427/12 1 C: Vermeidbare Ungleichmäßigkeiten in der Beschriftung auf einem Grabmal, die einen schlampigen Eindruck vermitteln, stellen unabhängig von einem Verstoß gegen technische Regeln einen Mangel des Grabmals dar, der der Abnahmereife entgegensteht.
  • LG Saarbrücken, Urteil v. 14.02.2014 – 13 S 4/14: Rechtsschutz gegen virtuelle Todesanzeigen und Kondolenzbekundungen auf einer „virtuelle Grabstätte im Internet“.

2. Referate

2.1 Update: Sozialbestattung nach § 74 SGB XII

Dr. Julie-Andrée Trésoret, Richterin am Sozialgericht Mannheim, vormals als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Bundessozialgericht abgeordnet, brachte das Auditorium zum Thema „Sozialbestattung nach § 74 SGB XII“ auf Stand. Die Referentin deckt im Rahmen der Speyerer Tage zum Friedhofs- und Bestattungsrecht vorzugsweise die Themen mit sozialrechtlichem Bezug ab (2011: Möglichkeiten, Risiken und Nebenwirkungen des Einsatzes von 1-Euro-Jobbern in der Friedhofsverwaltung; 2012: Sozialrechtliche Konsequenzen des Einsatzes ehrenamtlicher Helfer auf Friedhöfen).

Sie ging in gewohnt klarer Weise auf die Anspruchsvoraussetzungen ein, zeigte auf, was unter den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zu verstehen ist (und was eben nicht) und legte dar, inwieweit diese inzwischen von der Rechtsprechung konkretisiert wurden. Der berufliche Hintergrund sorgte für eine Rückkoppelung an die Probleme der Praxis. Daraus resultierten weitere Hinweise, etwa in welcher Höhe Bestattungskosten vom Sozialamt übernommen werden müssen, wenn von mehreren Miterben ausgerechnet der Mittellose den Antrag auf Kostenübernahme stellt.

2.2 Update: Ordnungsbehördliche Bestattungen

Ebenfalls einem Update aus dem Jahre 2009 gewidmet war das zweite Referat des Tages. Ass. jur. Olivia Seifert informierte über die Rechtsentwicklung im Bereich der ordnungsbehördlichen Bestattungen. Dabei führten die nach den Bestattungsgesetzen der Länder unterschiedlich zu beurteilenden Fragen, wer bestattungspflichtig ist, in welcher Reihenfolge mehrere Bestattungspflichtige heranzuziehen sind, und in welchem Umfang die Behörde hierzu Ermittlungen vornehmen muss, zur rechtspolitischen Diskussion, ob es nicht wünschenswert wäre, dass der Bundesgesetzgeber die Bestattungspflicht bundeseinheitlich regele, etwa durch Bestimmungen im Familienrecht des BGB. Weiterer Raum war darüber hinaus der Frage gewidmet, in welchem Umfang der Bestattungspflichtige zur Kostenerstattung herangezogen werden kann, sowie den Voraussetzungen, unter denen aus Billigkeitsgründen von einer solchen Erstattung abzusehen ist.

2.3 Bestattungsrecht und neue Bestattungsformen

Im Anschluss nahm Prof. Dr. iur. Dr. rer. pol. Tade Matthias Spranger, Institut für Wissenschaft und Ethik der Universität Bonn, neue Bestattungsformen unter die rechtliche Lupe. Angesichts der zunehmenden Anzahl derartiger Angebote – teilweise auf dem deutschen Markt beworben, aber im Ausland umgesetzt – zeigt sich insbesondere hier ein Bedürfnis nach einer Liberalisierung bestehender Friedhofs- und Bestattungsgesetze, wie sie beispielsweise in Bremen jetzt wohl umgesetzt wird. Gewohnt verständlich und unterhaltsam stellte Spranger eine Vielzahl bereits verbreiteter oder markanter Angebote und deren rechtliche Implikationen vor. Erwähnt seien:

  • Asche-Substrat-Beisetzungen, bei denen die Aschereste durch einen Baum innerhalb weniger Monate aufgenommen werden sollen („Tree of Life“),
  • Wasserbeisetzungen (im Unterschied zur klassischen Seebestattung soll die Aschebeisetzung in Binnengewässern erfolgen) oder Wasserurnen, bei denen die Aschereste über das Regenwasser an die Erde abgegeben werden,
  • Ascheteilungen (nicht: Aufteilung der Totenasche auf mehrere Angehörige, sondern Nutzung eines untergeordneten Aschebestandteils für Zwecke der Totenehrung) in verschiedenen Ausprägungen, z.B. durch „Verarbeitung“ in einem Amulett, das man mit sich trägt.

Insbesondere zur Zulässigkeit von Ascheteilungen entspann sich eine lebhafte Diskussion. Im Mittelpunkt stand dabei die Auslegung der in den Landesbestattungsgesetzen normierten Pflicht zur Aufnahme „der“ Asche in die Urne und die Frage, ob damit die gesamte Asche gemeint sei oder – angesichts der Tatsache, dass es beispielsweise aufgrund von Flugströmen bei jeder Kremierung auch zu Ascheschwund kommt – nur die bei der Kremierung übrigbleibende Asche. Sollte ersteres der Fall sein, so eine These, wäre die Verpflichtung auf eine objektive Unmöglichkeit gerichtet mit der Folge, dass die Norm nichtig wäre, mithin eine Ascheteilung erlaubt.

Der Referent machte darüber hinaus auf eine interessante Entwicklung aufmerksam: Den Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat (etwa in Hamburg und Hessen). Hier konstituiere sich möglicherweise ein islamischer Friedhofsträger.

2.4 Internationale Überführung Verstorbener in der Praxis

Im Zuge des demographischen Wandels nehmen auch die internationalen Überführungen zu. Diese gehören für Bestattungsunternehmen inzwischen zum Tagesgeschäft. Rund 40.000 Überführungen von und nach Deutschland gibt es jährlich. Einen Einblick in die Praxis internationaler Überführungen verschaffte Rechtsanwältin Antje Bisping vom Bundesverband Deutscher Bestatter e. V. in Düsseldorf.

2.5 Bestattung 2.0: Bestattungsrecht und Neue Medien

Erstmals in einem eigenen Vortrag beleuchtet wurde das Thema „Bestattungsrecht und Neue Medien“. Prof. Dr. Mario Martini von der DUV Speyer ging hier insbesondere auf den Umgang mit dem digitalen Nachlass der Verstorbenen ein, z.B. den Umgang mit den verschiedenen Social-Media-Accounts, und ob dieser als Erbschaft betrachtet werden könne. Daraus resultierten rechtspolitische Vorschläge für ein Einwilligungs-Management zum Datenumgang, das die Diensteanbieter für den Todesfall vorsehen müssten.

Eingegangen wurde auch auf QR-Codes, die als Beiwerk auf Grabsteinen zunehmend Verbreitung finden. Betroffen hiervon scheinen bislang vornehmlich größere Städte; auf den Friedhöfen dörflicher Gemeinden wird dies bislang kaum nachgefragt, so jedenfalls der Eindruck aus persönlichen Gesprächen. Im Zusammenhang mit QR-Codes, die auf Internetseiten verweisen, deren Inhalte auch leicht ausgetauscht werden können, wurden schließlich mögliche Haftungstatbestände für die Gemeinden erörtert. Aus dem Kreise der Teilnehmer war zu erfahren, dass der Städtetag NRW als erster kommunaler Spitzenverband derzeit an einer Musterfriedhofssatzung arbeitet, die auch Regelungen zu QR-Codes enthält.

2.6 Haftungsprobleme in der Friedhofsverwaltung jenseits der Verkehrssicherungspflichten

Den zweiten Tag eröffnete Ass. jur. Armin Braun von der GVV-Kommunalversicherung, Köln. Als Referent für Haftpflichtschäden wusste er von einer großen Bandbreite in der Versicherungspraxis relevanter Schadenskonstellationen zu berichten und nicht nur von den Fällen, die vor Gericht kommen und mithin öffentlich werden. Schwerpunktmäßig ging er dabei auf Beispiele aus folgenden Fallgruppen ein:

  • Kommune als Betreiberin gewerblichen Bestattungsdienstes,
  • Haftung der Friedhofsverwaltung für Urnenverlust,
  • Haftung des Friedhofsträgers bei eigenmächtiger Baumfällung auf dem Grab,
  • Haftung der Friedhofsverwaltung bei rechtswidriger Einebnung von Grabstätten (hier liege in der Praxis der Schwerpunkt).

2.7 Gemeingebrauch, Sondernutzung und „Hausrecht“ auf Friedhöfen

Hiernach referierte Prof. Dr. Ulrich Stelkens zu Gemeingebrauch, Sondernutzung und Hausrecht auf Friedhöfen, einem Thema, das jüngst durch die oben erwähnte Entscheidung des BVerfG zur Zulässigkeit von Versammlungen auf Friedhöfen neue Aktualität erhielt. Nach zahlreichen Fallbeispielen, die illustrierten, in welch unterschiedlichen Zusammenhängen sich Fragen nach einer Störungsabwehr in diesen Bereichen stellen können, wurde ein System entwickelt, diesen zu begegnen. Hierbei wurde zunächst nach der Art von Nutzungs- und Betretungsrechten (Gemeingebrauch, Sondernutzung) und darauf aufbauend nach „Störungskonstellationen“ (Nicht-Berechtigter, Nicht-So-Berechtigter) unterschieden. Sodann wurde aus den Regelungen in den Bestattungsgesetzen und Friedhofsordnungen im Zusammenspiel mit ungeschriebenen Grundsätzen des öffentlichen Sachenrechts eine Systematik der Gefahrenabwehr entwickelt, die den unterschiedlichen Störungsintensitäten Rechnung trug.

2.8 Bestattungsrecht in Frankreich: Andere Antworten auf dieselben Fragen?

Das abschließende Referat war einem Blick über die Grenze nach Frankreich gewidmet. Prof. David Capitan berichtete, dass die Schwerpunkte der Tagung auch die dortigen Entwicklungen widerspiegelten. Er ging u.a. auf die Problematik muslimischer Bestattungen („Ruhen in der Erde“ contra Sargpflicht) ein und präsentierte eine „französische Lösung“, die man in Übereinstimmung mit den religiösen Vertretern gefunden habe: Zwar werde der Verstorbene in einem Sarg bestattet; der Sarg werde zuvor jedoch mit einer Erdschicht ausgelegt; so werde beiden Seiten Genüge getan: den muslimischen Bestattungsriten wie den geltenden Gesetzen.

Fazit

Mit den Speyerer Tagen zum Friedhofs- und Bestattungsrecht hat sich ein Format etabliert, das seinem Anspruch, „ein Diskussionsforum vornehmlich zu aktuellen rechtlichen Problemen zu bilden“, gerecht wird. Die Möglichkeit, im Anschluss an ein Referat Fragen zu stellen und Aspekte auch aus anderer Perspektive zu betrachten, mitunter kontrovers zu diskutieren, wurde rege angenommen (und nur einmal als Werbeauftritt zweckentfremdet). Die vorausschauend eingeplanten, großzügiger dimensionierten Kaffeepausen erwiesen sich als geeigneter Puffer, um zeitlichen Verzug zum nachfolgenden Referenten aufzufangen.

Die Teilnahme dürfte nicht nur aus thematisch-inhaltlichen Gründen lohnen: Nicht wenige kommunale Mitarbeiter, die mit dem Friedhofs- und Bestattungswesen betraut sind, arbeiten in relativ kleinen Netzwerken von nur wenigen Kolleginnen und Kollegen, die ggfls. um Rat gefragt werden. Die Chance, in Speyer neue Kontakte zu knüpfen und so das eigene Netzwerk nicht unerheblich zu bereichern, stehen gut.

Ass. iur. Klaus Kohnen; Foto: (c) kasto – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2014102001