Gesetzgebung

Landtag: Europaausschuss – Bericht zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada

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„Keine Angst, von uns bekommen Sie keine Chlorhühner. So etwas haben wir in Kanada gar nicht.“ Pierre Marc Johnson, Chefunterhändler der Provinz Québec für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA), machte schon zu Beginn seiner Ausführungen klar, wie sensibel das Thema ist, zu dem er vor dem Europaausschuss Auskunft geben sollte. CETA ist ausverhandelt und könnte nach der Übersetzung in die Landessprachen der EU-Mitgliedsländer binnen 24 Monaten in Kraft treten. Ein Schritt mit Vorteilen für alle Beteiligten, wie Johnson betonte. Von der Abschaffung der Zölle würde gerade eine Exportnation wie Deutschland profitieren und die Öffnung der Märkte könnte das Handelsvolumen um rund 20 Prozent erhöhen. Aber die Verunsicherung über mögliche negative Auswirkungen auf Standards des Verbraucherschutzes bleibt, das war an den vielen Nachfragen der Abgeordneten erkennbar.

„Wir sind in Geiselhaft von TTIP“

Johnson war darauf vorbereitet, er stößt bei seinen Gesprächen in Europa ständig darauf, wie er erklärte. Bei vielen Bedenken, werde CETA oft mit dem geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) verwechselt, betonte Johnson.

„Wir sind da in einer Geiselhaft von TTIP“, fasste der ehemalige Premierminister von Bayerns Partnerregion Québec sein Dilemma zusammen.

So sei völlig klar, dass soziale Standards im Dienstleistungssektor wie etwa die Tariftreue im Öffentlichen Dienst gar nicht in Frage gestellt sei.

„Hier gilt das nationale Recht, das ist klar geregelt. Deswegen muss nichts eigens in den Vertrag geschrieben werden“, sagte Johnson.

„Wenn ein Krankenhaus oder eine Schule Personal einstellt, dann nach den Bedingungen des jeweiligen Landes, CETA ändert daran gar nichts.“

Dies gelte auch für die Privatisierung. Keine Kommune werde gezwungen beispielsweise seine Wasserwerke zu veräußern. Und selbst wenn sich eine Gemeinde dafür entscheide, könne dies jederzeit rückgängig gemacht werden, dies sei eindeutig festgehalten. Als Beispiel nannte Johnson das kanadische Gesundheitssystem. Die Behandlung dort sei grundsätzlich kostenfrei und daran werde CETA nichts ändern. Wenn Länder an bestehenden Systemen festhalten, könne sie kein Vertrag zwingen, das zu ändern.

„Niemand muss Angst vor Kanada haben“

Johnson wies auch immer wieder auf das Größenverhältnis zwischen Kanada und der EU hin.

„Niemand muss sich vor Kanada fürchten. Wenn ich höre, CETA würde die französischen Rinderzüchter in den Ruin treiben, möchte ich dazu sagen: Die gesamte Rindfleischproduktion Kanadas macht ein Prozent der Rindfleischproduktion in der EU aus. Wir sind 35 Millionen, die EU hat 500 Millionen Einwohner.“

Zudem sei gerade im landwirtschaftlichen Bereich viel Rücksicht auf die jeweiligen Befindlichkeiten der EU-Mitgliedsländer genommen worden, deswegen gebe es dort sehr viele Ausnahmeregelungen. Die Vorteile würden für die Europäer klar überwiegen. Beim Patentschutz könnte man große Fortschritte erreichen und auch beim Austausch von Arbeitskräften, etwa durch die gegenseitige Anerkennung der Qualifikationen. Nicht zuletzt würde es Investitionen erleichtern. Gerade Deutschland habe großes Interesse sich in der kanadischen Energiewirtschaft zu engagieren, dies würde CETA erheblich vereinfachen.

Die Schiedsgerichte machen den Abgeordneten am meisten Sorgen

Am meisten Bedenken machte den Abgeordneten aber die Einführung von Schiedsgerichten zur Sicherung des Investorenschutzes. Weshalb diese nötig seien, obwohl Kanada und die EU über vergleichbare Rechtssysteme verfügen, wurde immer wieder thematisiert. Johnson warb um Vertrauen:

„Sie haben hier in Europa keine Erfahrung damit, aber diese Schiedsgerichte sind einfach schneller und effizienter.“

Der Staat könne nicht alles regeln und CETA biete die Chance auf Innovationen. CETA sei transparent gestaltet und deswegen rate er auch davon ab, Nachverhandlungen anzusetzen.

„Dann kommen die Kanadier auch auf die Idee ein paar Pakete aufzuschnüren, die ihnen nicht so gut gefallen und dann ist der gesamte Vertrag in Frage gestellt.“

Um auszudrücken, wie wichtig ihm das Abkommen ist, richtete sich Johnson dann auch auf Deutsch an den Ausschuss:

„Handel stärkt das Wachstum. Und wie dieser Wachstum in Wohlstand für die Bürger umgewandelt werden kann, das entscheiden die einzelnen Staaten.“

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 10.03.2015 (von Zoran Gojic)

Redaktioneller Hinweis: Vgl. auch das „Gemeinsame(s) Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ der kommunalen Spitzenverbände und des VKU sowie die Mitteilung der Neuen Richtervereinigung „Keine Investor-Staats-Klagen anstelle rechtsstaatlicher Justiz„.