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BVerwG: Abschiebungsanordnung zur Überstellung im Dublin-Verfahren ist unionsrechtskonform

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§ 34a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) ist mit Unionsrecht vereinbar, soweit er für die Überstellung eines Asylbewerbers an den nach den Dublin-Bestimmungen für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat nur die Anordnung einer Abschiebung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorsieht. Ist eine rechtzeitige Überstellung ausnahmsweise auch bei einer selbstorganisierten Ausreise gesichert, muss die für den Vollzug zuständige Ausländerbehörde aber die Möglichkeit der Überstellung auf eigene Initiative einräumen. Das hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute entschieden.

Die Entscheidung erging im Verfahren eines pakistanischen Staatsangehörigen, der im Oktober 2013 in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte. Zuvor hatte er sich bereits in Italien aufgehalten und war dort wegen illegaler Einreise im Eurodac-System erfasst worden. Deshalb ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die italienischen Behörden um Aufnahme des Klägers. Nach Ablauf der nach der Dublin-Verordnung maßgeblichen Beantwortungsfrist war von der Zustimmung Italiens auszugehen. Daraufhin lehnte das Bundesamt im März 2014 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an. Das Verwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof ließ die Berufung des Klägers nur in Bezug auf die Abschiebungsanordnung zu und wies sie in der Sache zurück.

Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bestätigt. Die im nationalen Recht zwingend vorgesehene Abschiebungsanordnung ist bei unionsrechtskonformer Auslegung vereinbar mit den Dublin-Regelungen der EU. Zwar sehen die Dublin-Verordnungen und die dazu ergangene Durchführungsverordnung neben der kontrollierten Ausreise und der begleiteten Überstellung auch die Möglichkeit einer Überstellung auf Initiative des Asylbewerbers vor. Die Mitgliedstaaten können aber selbst bestimmen, welche Überstellungsform sie vorsehen; unionsrechtlich müssen sie der selbstorganisierten Ausreise nicht den Vorrang einräumen. In Deutschland bestimmt § 34a AsylVfG, dass Überstellungen in Form der Abschiebung (kontrollierte Ausreise bzw. begleitete Überstellung als Zwangsmaßnahmen) erfolgen; dies ist unions- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei entsprechender Initiative des Asylbewerbers müssen die für den Vollzug von Dublin-Überstellungen zuständigen Ausländerbehörden jedoch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit prüfen, ob dem Betroffenen ausnahmsweise anstelle einer Abschiebung auch die Möglichkeit der selbstorganisierten Überstellung ermöglicht werden kann. Die Initiative dazu muss jedoch vom Asylbewerber ausgehen. Die selbstorganisierte Überstellung ist grundsätzlich auch von diesem zu finanzieren und kommt nur in Betracht, wenn gesichert erscheint, dass der Asylbewerber sich freiwillig in den anderen Mitgliedstaat begibt und sich dort fristgerecht bei der zuständigen Behörde meldet. Das ist z.B. denkbar in Fällen der von ihm gewünschten Familienzusammenführung in dem anderen Mitgliedstaat.

BVerwG, Pressemitteilung v. 17.09.2015 zum U. v. 17.09.2015, 1 C 26.14

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