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BayVerfGH: Keine Pistensperrungen für Tourengeher im Skigebiet „Garmisch-Classic“

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Pressemitteilung zur Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 27. Januar 2016 über eine Verfassungsbeschwerde gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zur Beseitigung von Pistensperrungen für Tourengeher

I.

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine Pistenbetreiberin hatte in der Wintersaison 2011/2012 und 2012/2013 mehrere Pisten im Skigebiet „Garmisch-Classic“ für Tourengeher gesperrt. Ein Skitourengeher erhob daraufhin Klage mit dem Ziel, den Freistaat Bayern zum Einschreiten gegen die Pistensperrungen zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht München und in der Berufungsinstanz der Bayerische Verwaltungsgerichtshof haben entschieden, dass der Freistaat Bayern verpflichtet war, die Beseitigung der Pistensperrungen für Tourengeher mit Ausnahme von Sperrungen wegen Pistenpräparierung anzuordnen.

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Pistenbetreiberin, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigeladen war, gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts München und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Sie macht u. a. geltend, ihr Eigentumsgrundrecht und ihre Berufsausübungsfreiheit seien verletzt. Aus dem Begegnungsverkehr zwischen aufsteigenden Tourengehern und abfahrenden Skifahrern resultierten erhebliche Gefahren für deren Leib und Leben. Dies erhöhe wegen der bestehenden Verkehrssicherungspflichten das Haftungsrisiko der Pistenbetreiberin in unzumutbarer Weise. Zudem sei mit einer Abwanderung von zahlenden Kunden, die sich durch die Tourengeher gestört fühlten, in andere Skigebiete zu rechnen.

II.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsbeschwerde am 27. Januar 2016 abgewiesen. Die für die verfassungsrechtliche Überprüfung maßgebliche Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die Pistensperrungen für Tourengeher – außer bei Pistenpräparierung – nicht zulässt, verletzt die Pistenbetreiberin nicht in ihren Grundrechten.

Nach der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verlieren präparierte Skipisten trotz der starken Veränderungen durch bauliche Maßnahmen, technische Einrichtungen und Sicherungsmaßnahmen ihren Charakter als Teile der freien Natur nicht. Sperren kommen daher nach Art. 33 Nr. 1 Bayerisches Naturschutzgesetz nur ausnahmsweise in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Gefahren, die mit dem Aufsteigen von Tourengehern auf Skipisten während des allgemeinen Skibetriebs verbunden sind, in seine Überlegungen einbezogen. Im Ergebnis vertritt er jedoch die Auffassung, dass Tourengeher, die beim Aufsteigen auf Abfahrtspisten besonders vorsichtig sein müssen, die Nutzung der Pisten durch Skifahrer nicht erheblich behindern oder einschränken. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass dem Recht der Tourengeher auf freies Betreten der Natur (Art. 141 Abs. 3 Satz 3 Bayerische Verfassung) damit der Vorrang gegenüber den durch die Eigentumsgarantie (Art. 103 Abs. 1 Bayerische Verfassung) und die Handlungsfreiheit (Art. 101 Bayerische Verfassung) geschützten Interessen der Pistenbetreiberin eingeräumt wurde.

BayVerfGH, Pressemitteilung v. 01.02.2016 zur Entscheidung v. 27.01.2016, Vf. 106-VI-14

Redaktionelle Hinweise

Zum Verfahrensgang vgl. hier.

Der BayVGH hatte in seinem Urteil v. 21.11.2013 folgende Leitsätze formuliert:

  1. Präparierte Skipisten bleiben trotz der Umgestaltungen, die sie durch die Pistenbetreiber erfahren, Teile der freien Natur.
  2. Ein Pistenbetreiber darf während des allgemeinen Skibetriebs grundsätzlich keine Sperrungen der Skipisten für Tourengeher vornehmen. Anderes gilt für Sperrungen der Skipisten für alle Pistennutzer während der (gefahrvollen) Pistenpräparierung.
  3. Das Grundrecht auf Naturgenuss bzw. das Betretungsrecht der freien Natur gibt dem Erholungssuchenden grundsätzlich kein Recht, auf die Arbeits- und Betriebsabläufe eines Pistenbetreibers Einfluss zu nehmen.
  4. Das Ermessen der Naturschutzbehörde, gegen unzulässige und nicht nur unbedeutende Sperren in der freien Natur vorzugehen, kann im Hinblick auf das Grundrecht auf Naturgenuss auf Null reduziert sein; es bleibt offen, ob es sich bei diesem Ermessen um sog. „intendiertes Ermessen“ handelt.