Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf für ein Bayerisches Ingenieurgesetz (BayIngG)

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Die Staatsregierung hat den Entwurf für ein Bayerisches Ingenieurgesetz (BayIngG) eingebracht (LT-Drs. 17/10310 v. 01.03.2016). Der Entwurf sieht den Neuerlass und die Aufhebung des bisherigen Ingenieurgesetzes (genaue Bezeichnung: Gesetz zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ und „Ingenieurin“ – Ingenieurgesetz [IngG]) vor. Daneben enthält er eine Änderung des BayBQFG (Bayerisches Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz), die die Anwendbarkeit des BayBQFG auch für das BayIngG regelt.

Hintergrund des Neuerlasses ist eine Änderung EU-rechtlicher Vorschriften, in deren Folge zunächst das BayBQFG geändert wurde. Das BayBQFG regelt die Prüfung, ob eine ausländische Berufsqualifikation mit einer bayerischen (ergo: landesrechtlich geregelten) gleichwertig ist und setzt dabei die durch die RL 2013/55/EU novellierte Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG) um. Das IngG ist bislang vom Anwendungsbereich des BayBQFG ausgenommen. Indes müssen die genannten Richtlinien auch für das Ingenieurgesetz umgesetzt werden, was mit vorliegendem Gesetzentwurf geschieht.

Man hat sich dabei für den Neuerlass des ursprünglich aus dem Jahre 1970 stammenden und inzwischen aufgrund zahlreicher Änderungen unübersichtlich gewordenen IngG und den weitgehenden Verweis auf die Regelungen des BayBQFG entschieden.

Wesentliche Neuregelungen

Die bislang in Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 BayBQFG enthaltene Bereichsausnahme für das Ingenieurgesetz entfällt. Damit kann das BayBQFG auch im Bereich des BayIngG als allgemein anwendbare Referenzregelung fungieren und das BayIngG sich – soweit die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen betroffen ist – auf die Normierung berufsspezifischer Abweichungen oder Ergänzungen beschränken.

Zusammengefasst stellt sich die Neuregelung laut Begründung zum Gesetzentwurf im Wesentlichen wie folgt dar:

1. Regelungen zum Anwendungsbereich und zur Berufsbezeichnung allgemein

Das BayBQFG regelt die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Die Voraussetzungen, die Absolventen inländischer Hochschulen erfüllen müssen, damit sie die Berufsbezeichnung Ingenieurin oder Ingenieur führen dürfen, sowie das Bild des Ingenieurberufs sind daher (weiterhin) im Fachgesetz zu regeln.

2. Verweis im BayIngG auf die Regelungen im BayBQFG für reglementierte Berufe

Im BayIngG wird für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen im Regelfall auf das BayBQFG verwiesen, wobei nur die Vorschriften, die für reglementierte Berufe gelten (Art. 9 ff. sowie die allgemeinen Vorschriften), für den Ingenieurberuf relevant sind.

Für das BayIngG gilt künftig auch die Statistikregelung des Art. 16 BayBQFG.

3. Abschließende Umsetzung im BayBQFG

Folgende Neuerungen der Berufsanerkennungsrichtlinie werden abschließend im BayBQFG umgesetzt und sind aufgrund der Verweisung im BayIngG nicht gesondert zu regeln:

  • Einführung der elektronischen Übermittlung von Anträgen und Unterlagen innerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (Art. 12 Abs. 3 BayBQFG);
  • Betrauung des Einheitlichen Ansprechpartners, der durch die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG vom 12. Februar 2006 eingerichtet wurde, mit der Entgegennahme und Weitergabe von Anträgen und Unterlagen im Anerkennungsverfahren (Art. 13 Abs. 7 BayBQFG);
  • Europäischer Berufsausweis (Art. 13a Bay-BQFG), wobei diese Regelung im BayBQFG richtlinienkonform ausnahmsweise auch für Personen aus dem Inland gilt;
  • Vorwarnmechanismus (Art. 13b BayBQFG), wobei für den Ingenieurberuf – entsprechend der Interpretation der Europäischen Kommission zum Vorwarnmechanismus – nur Art. 13b Satz 2 Nr. 1 (Vorlage gefälschter Berufsqualifikationsnachweise) relevant ist. Nr. 2 bezieht sich lediglich auf den in Art. 56a Abs. 1 der Richtlinie 2013/55/EU genannten Personenkreis.

4. Fachspezifische Besonderheiten im BayIngG

Zu folgenden Inhalten der (geänderten) Berufsanerkennungsrichtlinie muss das BayIngG-neu fachspezifische Besonderheiten regeln:

  • Anträge von Personen, in deren Herkunftsland der Ingenieurberuf nicht reglementiert ist;
  • Ausgleichsmaßnahmen.

5. In Drittstaaten erworbene Berufsqualifikationen

Das IngG sah unterschiedliche Voraussetzungen und Verfahren für Absolventen aus Mitglied- oder Vertragsstaaten (d.h. aus Mitgliedstaaten der EU, eines Vertragsstaats über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines sonstigen durch Abkommen gleichgestellten Staates) einerseits und Drittstaatlern andererseits vor, da nur für erstere das EU-Recht Vorgaben trifft, welche umzusetzen waren. Das BayBQFG behandelt beide Kategorien von antragstellenden Personen im Wesentlichen gleich. Im BayIngG wird hinsichtlich der Voraussetzungen, die an Ausbildungsnachweise aus Mitglied- und Vertragsstaaten einerseits und aus Drittstaaten andererseits gestellt werden, weiterhin differenziert:

  • Ausbildungsnachweise, die in Drittstaaten erworben wurden, müssen grundsätzlich die Anforderungen, die an ein Ingenieurstudium im Inland gestellt werden, erfüllen. Anders als bei Absolventen aus Mitglied- oder Vertragsstaaten ist nicht darauf abzustellen, ob die antragstellende Person zur Ausübung des Ingenieurberufs im Ausbildungsstaat berechtigt ist oder ob ein Ausgleich durch sonstige Befähigungsnachweise oder nachgewiesene einschlägige Berufserfahrung stattgefunden hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG für den Fall, dass ein Absolvent aus einem Drittland drei Jahre Berufserfahrung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats besitzt und dort anerkannt wurde (vgl. Art. 3 Abs. 3 BayIngG).
  • Ausgleichsmaßnahmen zur Kompensierung festgestellter Defizite in der Berufsqualifikation sind ebenfalls nur für antragstellende Personen, deren Berufsqualifikation in einem Mitglied- oder Vertragsstaaten erworben wurde (oder die einen gleichgestellten Ausbildungsnachweis besitzen), vorgesehen. Eine unangemessene Benachteiligung von Absolventen aus Drittstaaten ist damit nicht verbunden: Das Führen der Berufsbezeichnung ist nicht zwingende Voraussetzung für eine Berufsausübung. Es gibt in Deutschland keine Tätigkeiten, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften nur Ingenieurinnen und Ingenieuren vorbehalten sind.

Abgestellt wird stets darauf, in welchem Land die Ausbildung bzw. das Studium absolviert wurden. Die Staatsangehörigkeit ist im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nicht von Belang.

6. Regelungen im BayBQFG, die von der Verweisung im BayIngG ausgenommen sind

  • Partieller Zugang, Art. 13c BayBQFG: Hintergrund des partiellen Zugangs ist die Überlegung, dass niemand daran gehindert werden soll „die Tätigkeiten, für die er qualifiziert ist, in einem anderen Mitgliedstaat ausüben zu können.“ (vgl. Urteil des EuGH in der Rechtssache C-575/11 vom 27.06.2013). Das Führen der deutschen Berufsbezeichnung kann daher nicht Gegenstand des partiellen Zugangs sein, da die Berufsbezeichnung Ingenieurin bzw. Ingenieur nicht die Befugnis zu bestimmten Tätigkeiten regelt und somit niemand daran gehindert wird, die in seinem Herkunftsland ausgeübten Tätigkeiten hier auszuüben; anders ausgedrückt: das Ingenieurgesetz regelt keinen Berufsrechtsvorbehalt.
  • Art. 14 BayBQFG: Diese Vorschrift ist nicht durch die Berufsanerkennungsrichtlinie vorgegeben; sie regelt, wie ein Anerkennungsverfahren stattfinden kann, wenn die für die Feststellung der Gleichwertigkeit erforderlichen Ausbildungsnachweise aus selbst nicht zu vertretenden Gründen nicht oder nur teilweise vorgelegt werden können. Mittels sog. „Qualifikationsanalysen“ (z.B. Arbeitsproben, Fachgespräche, praktische und theoretische Prüfungen oder Gutachten von Sachverständigen) sollen antragstellende Personen ihre Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen, die sie nicht oder nicht ausreichend durch schriftliche Dokumente belegen können. Die Verfahren sind aufwändig und werden daher bislang nur vereinzelt in Ausbildungsberufen angeboten. Bei dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „Prototyping Transfer – Berufsanerkennung mit Qualifikationsanalysen“ wirken die Ingenieurekammern nicht mit. Auch ist bislang zahlenmäßig kein Bedarf erkennbar.

7. Weitere zuständige Stelle

Als weitere zuständige Stelle für den Vollzug des BayIngG wird die Bayerische Ingenieurekammer-Bau benannt. Sie ist – neben der weiterhin für die Mehrzahl der Verfahren zuständigen Regierung von Schwaben – zuständig für Anträge von Personen, deren Qualifikationsnachweise einer der Fachrichtungen Bauingenieurwesen, Gebäude- und Versorgungstechnik oder Vermessungswesen zuzuordnen sind.

Soweit das BayBQFG aufgrund der Richtlinie 2013/55/EU geändert wurde, wird auf den Begründungstext des Gesetzes zur Änderung des BayBQFG und anderer Rechtsvorschriften (PDF) vom 22. Dezember 2015, in Kraft getreten am 1. Januar 2016, verwiesen.[1] Im Folgenden sollen nur einige Erläuterungen erfolgen, die für das BayIngG von besonderer Bedeutung sind:

  • Bislang ist die Ausbildungsdauer das zentrale Kriterium bei der Feststellung des Qualifikationsniveaus eines in einem Mitglied- oder Vertragsstaat erworbenen Ausbildungsnachweises. Nach Art. 2a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 IngG besteht in der Regel ein Anerkennungsanspruch nur dann, wenn der Antragsteller zumindest unmittelbar unter dem im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Qualifikationsniveau gem. Art. 11 der Berufsanerkennungsrichtlinie qualifiziert ist. Nach Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2013/55/EU sollen die in Art. 11 der Richtlinie festgelegten fünf Qualifikationsniveaus künftig nicht mehr als Kriterium für den Ausschluss von Unionsbürgern aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG herangezogen werden, wenn dies dem Grundsatz des lebenslangen Lernens widersprechen würde. Künftig ist in erster Linie zu prüfen, ob die Ausbildungsinhalte der vorgelegten Berufsqualifikationsnachweise sich wesentlich von den von Inländern geforderten Ausbildungsinhalten unterscheiden. Die Ausbildungsdauer kann hierbei nach Erwägungsgrund 11 der RL 2013/55/EU eine weitere Informationsquelle für die Anerkennungsbehörden in den Mitgliedstaaten sein. Unter anderem als Konsequenz dessen, dass bei der Anerkennungsentscheidung zukünftig vorrangig auf Ausbildungsinhalte abzustellen ist, werden die Voraussetzungen, denen die Studienabschlüsse inländischer Ingenieure genügen müssen, in Art. 2 BayIngG inhaltlich konkretisiert.
  • Als Korrektiv bei festgestellten Unterschieden betreffend die Ausbildungsinhalte wirken Ausgleichsmaßnahmen, welche die Behörde anordnen kann. Ausgleichsmaßnahmen sind entweder eine Eignungsprüfung oder ein höchstens dreijähriger Anpassungslehrgang. Die Ausgleichsmaßnahmen werden grundsätzlich im BayBQFG geregelt bis auf eine Ausnahme: Art. 14 Abs. 3 RL 2013/55/EU sieht Ausnahmen vor von dem Grundsatz, dass die antragstellende Person die Wahl hat zwischen Eignungsprüfung oder Anpassungslehrgang; diese Ausnahmen werden im Fachgesetz umgesetzt.
  • Die Möglichkeit von Ausgleichsmaßnahmen bestand bereits nach geltendem Recht, hatte aber in der Praxis keine Relevanz.
  • Zur näheren Ausgestaltung der Ausgleichsmaßnahmen wird eine Verordnungs- bzw. Satzungsermächtigung aufgenommen.
  • Mit der Richtlinie 2013/55/EU wurde auch der Europäische Berufsausweis eingeführt; am 24. Juni 2015 hat die Kommission hierzu sowie zum Vorwarnmechanismus eine Durchführungs-rechtsverordnung 2015/983/EU erlassen. Für den Ingenieurberuf ist voraussichtlich in einer zweiten Stufe ab dem Jahr 2018 mit der Einführung des Europäischen Berufsausweises zu rechnen.

Staatsregierung, Gesetzentwurf für ein Bayerisches Ingenieurgesetz (BayIngG), LT-Drs. 17/10310 v. 01.03.2016

Ass. iur. Klaus Kohnen; Titelfoto/-abbildung: (c) Paulista – Fotolia.com

Net-Dokument BayRVR2016030101

Redaktionelle Hinweise

Verfahrensverlauf, aktueller Stand, ggfls. Stellungnahmen zum Gesetzentwurf: hier.

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[1] Redaktioneller Hinweis: Die Begründung zum Gesetzentwurf nimmt nicht am Gesetzgebungsverfahren teil. Daher muss die Begründung nicht mit dem beschlossenen Gesetz übereinstimmen, falls es im Laufe des parlamentarischen Verfahrens zu Änderungen am Gesetzentwurf kam. Vorliegend war das jedoch nicht der Fall (vgl. hier).