Gesetzgebung

Deutscher Landkreistag: Integration findet auf kommunaler Ebene statt – Wohnsitzauflage zügig beschließen – Kosten gerecht verteilen

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Der Deutsche Landkreistag hat heute nach der nächtlichen Verständigung der Spitzen von Union und SPD auf ein Integrationsgesetz auf die kommunale Rolle in der Flüchtlingspolitik hingewiesen und Bund und Länder aufgefordert, diese zu stärken.

Präsident Landrat Sager sagte: „Integration kann nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller staatlichen Ebenen geleistet werden. Ganz klar findet Integration vor Ort statt. Daher muss es den Landkreisen überlassen bleiben, wie sie im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung und im Zusammenwirken mit den Gemeinden den Integrationsprozess am effektivsten organisieren.“

Voraussetzung dafür sei in jedem Fall eine wirksame Wohnsitzauflage, um zu einer gleichmäßigeren regionalen Verteilung zu gelangen. Darüber hinaus forderte der Landkreistag Bund und Länder auf, die Kommunen bei ihren Integrationsaufgaben auch finanziell zu unterstützen.

Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Günter Henneke sagte: „Die Länder müssen ihren Finanzierungspflichten gegenüber den Kreisen und Städten unbedingt nachkommen. Noch immer übernehmen viele Länder nicht die vollen Kosten für die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen. Außerdem sollte der Bund seinen Anteil an den Hartz IV-Unterkunftskosten in diesem und im nächsten Jahr fürs Erste um 6 Prozentpunkte (= 750 Mio. €) erhöhen, um Kreise und Städte ein Stück weit von flüchtlingsbedingten Wohnkosten zu entlasten.“

Es bestehe auch im Hinblick auf die Finanzierungsfrage die unbedingte Notwendigkeit einer effektiven Steuerung der regionalen Verteilung der Flüchtlinge, so Henneke weiter:

Wir brauchen dringend eine Wohnsitzauflage, damit die Lasten der Integration einerseits gerecht verteilt werden, andererseits aber auch die Angebote selbst bestmöglich wirken können.“

Kern einer generellen Wohnsitzpflicht müsse ein zweistufiges Verteilverfahren vom Bund auf die Länder nach dem Königsteiner Schlüssel und anschließend eine nach weiteren Kriterien zu bestimmende Verteilung der Flüchtlinge im jeweiligen Land sein.

Als Kriterien kommen die Beschäftigungsquote, die Verfügbarkeit von Wohnraum, Integrationsdienste oder der Ausländeranteil in Betracht. Die Auflage wäre für die Betroffenen so lange aufrechtzuerhalten, wie soziale Leistungen bezogen werden.“

Generell müssten die Kommunen finanziell in die Lage versetzt werden, die Integrationsaufgaben bestmöglich wahrzunehmen, erläuterte Henneke.

Zudem schlagen wir vor, dass der Bund seinen Finanzierungsanteil für die Landkreise und kreisfreien Städte kurzfristig um 750 Mio. € in den nächsten zwei Jahren erhöht, um die kommunalen Lasten im Zusammenhang mit den Wohnungskosten für ausländische Hartz IV-Empfänger zu reduzieren. Dies sollte im Vorgriff auf die unabhängig davon zu erfolgende Entlastung der kommunalen Ebene um 5 Mrd. € ab 2018 geschehen und wäre eine gute temporäre Unterstützungsmaßnahme, die sich später auch in eine dauerhafte Lösung überführen ließe“, stellte er dar.

Die Integration von Flüchtlingen sei eine Querschnittsaufgabe, deren Schwerpunkt eindeutig auf der kommunalen Ebene liege, so Sager weiter.

Unsere Gesellschaft darf die Fehler der 60-er und 70-er Jahre nicht wiederholen. Für Flüchtlinge ist es nicht zuletzt mangels Kenntnis der Sprache, der Kultur und der Gepflogenheiten nicht einfach, den Weg zu Institutionen und Angeboten zu finden. Dafür ist es wichtig, in den Landkreisen geeignete Strukturen zu schaffen, um eine gebündelte Betreuung zu ermöglichen. Da die meisten integrationsrelevanten Zuständigkeiten bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten liegen, muss dies weiterhin dort verantwortet werden“, forderte er.

Ein Beispiel sei die sprachliche Bildung:

Ein unkoordiniertes Nebeneinander von Sprachkursangeboten verschiedener Behörden muss vermieden werden. Deshalb sollten die Landkreise die Koordinierung der Sprach- und Integrationskurse insgesamt, d. h. auch die bisher vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verantworteten Kurse übernehmen. Das wäre ein echter Fortschritt und würde uns sehr bei unseren Integrationsbemühungen unterstützen.“

Dadurch würden bestehende Reibungs- und Abstimmungsverluste vermieden, die Steuerungsfähigkeit im System erhöht, eine Sprachkursteilnahme besser sichergestellt und eine bestmögliche Verzahnung mit kommunalen Integrationsangeboten erreicht werden, so der DLT-Präsident abschließend.

Deutscher Landkreistag, Pressemitteilung v. 14.04.2016

Redaktionelle Anmerkung zur Wohnsitzauflage

Die Möglichkeit einer Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber (während des Asylverfahrens spricht man von Residenzpflicht) wird kontrovers diskutiert. Sie entspricht einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene. Ähnliches gab es in der BRD schon einmal: Als Ende der 1980er Jahre im Zuge der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ die Zahl der Spätaussiedler deutlich anstieg und der Zustrom zu erheblichen Engpässen bei der Erstunterbringung und der Wohnraumversorgung führte, reagierte der Bundesgesetzgeber mit dem Erlass des sog. Wohnortzuweisungsgesetzes (Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Aussiedler und Übersiedler vom 6. Juli 1989, BGBl I S. 1378). In einem Urteil vom 17. März 2004 (1 BvR 1266/00) bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungskonformität des Gesetzes, mahnte jedoch an, die weitere Entwicklung und insbesondere die Auswirkungen der Regelung zu beobachten und diese gegebenenfalls für die Zukunft zu korrigieren. In diesem Kontext entstand der Forschungsbericht des BAMF „Zuwanderung und Integration von (Spät-) Aussiedlern – Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Wohnortzuweisungsgesetzes“ aus dem Jahre 2011.

Im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Wohnsitzauföage ist auch ein jüngst ergangenes Urteil des EuGH zu berücksichtigen. Dieser hatte geurteilt, dass Wohnsitzauflagen bei subsidiär Schutzberechtigten zulässig sind, wenn sie in stärkerem Maß mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert sind als andere Personen. Zum Verfahrensgang samt Vorlagebeschluss des BVerwG vgl. hier.

  • Zu Meldungen und Stellungnahmen im Kontext „Bundesintegrationsgesetz“ vgl. hier.
  • Zu Meldungen und Stellungnahmen im Kontext „Bayerische Integrationsgesetz“ vgl. hier.