Gesetzgebung

EU-Kommission: Deutschland bei Strom- und Gasrichtlinien und Offshore-Sicherheitsregeln im Verzug

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Die Europäische Kommission hat Deutschland heute (Donnerstag) aufgefordert, geltendes EU-Recht im Bereich Energie vollständig umzusetzen. Dabei geht es zum einen um die korrekte Umsetzung der Stromrichtlinie und der Gasrichtlinie, insbesondere ihrer Vorgaben zum Unabhängigkeit der Übertragungsnetzbetreiber, und zum anderen um die Vorgaben zur Sicherheit von Offshore-Aktivitäten zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas. In beiden Fällen hat die Kommission Deutschland eine sogenannte mit Gründen versehene Stellungnahme übersandt. Das ist die zweite Stufe im Rahmen des insgesamt dreistufigen Vertragsverletzungsverfahrens. Deutschland hat nun in beiden Fällen zwei Monate Zeit, um der Kommission mitzuteilen, wie es die gemeinsam beschlossenen EU-Regeln umsetzen wird. Andernfalls kann die Europäische Kommission Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verklagen.

Energiebinnenmarkt: Umsetzung der Strom- und Gasrichtlinie

Beide Richtlinien gehören zum Dritten Energiepaket und umfassen eine Reihe wichtiger Bestimmungen, die das reibungslose Funktionieren der Energiemärkte gewährleisten sollen. Dazu gehören neue Vorschriften zur Entflechtung von Übertragungsnetzbetreibern und Energieversorgern und ‑erzeugern, zur Stärkung der Unabhängigkeit und der Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden und zur verbesserten Funktionsweise der Endkundenmärkte im Interesse der Verbraucher.

Deutschland hat mehrere Vorschriften bezüglich des Entflechtungsmodells für einen unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber (ITO) nicht ordnungsgemäß in nationales Recht übertragen. Beispielsweise stehen die Vorschriften zur Unabhängigkeit des Personals und der Führungsebene des ITO nicht in vollem Einklang mit den Richtlinien, und die Definition des vertikal integrierten Unternehmens schließt Aktivitäten außerhalb der EU aus. Die Bundesrepublik hat auch nicht für die vollständige Einhaltung bestimmter Regeln über die Befugnisse der nationalen Regulierungsstelle gesorgt. So kann die Regulierungsstelle nicht völlig unabhängig die Tarife und andere Vertragsbedingungen für den Netzzugang und Ausgleichsleistungen festlegen, und die Befugnis der Regulierungsstelle ist nicht umfassend gewährleistet, Sanktionen in Höhe von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes des Übertragungsnetzbetreibers bzw. des vertikal integrierten Unternehmens zu verhängen. Ferner bestehen mehrere Mängel hinsichtlich der Umsetzung der Verbraucherschutzvorschriften. Ein erstes Mahnschreiben hatte die Europäische Kommission der Bundesrepublik im Februar 2015 übermittelt.

Offshore-Erdöl und -Erdgas: Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie

Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine Reihe von Vorschriften zu erlassen, um Unfälle zu verhindern und um bei einem Unfall in einer Offshore-Erdöl- oder -Erdgasanlage umgehend und wirksam reagieren zu können. So müssen Unternehmen für ihre Offshore-Anlage noch vor Beginn der Exploration und der Öl- oder  Gasgewinnung einen Bericht über ernste Gefahren erstellen. Bei der Lizenzvergabe müssen die EU-Mitgliedstaaten außerdem dafür sorgen, dass die Unternehmen über solide Finanzen und die notwendige Fachkompetenz verfügen. Die Öffentlichkeit ist über die von den Unternehmen und den EU-Staaten ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen zu informieren, und die Unternehmen sollten uneingeschränkt für Umweltschäden haften, die sie an geschützten Meereslebewesen und natürlichen Lebensräumen verursachen. Die Richtlinie musste bis zum 19. Juli 2015 in nationales Recht umgesetzt werden.

Neben Deutschland hat die Europäische Kommission heute auch Rumänien ermahnt, dem EU-Recht nachzukommen und die Vorgaben der Richtlinie vollständig umzusetzen.

Ablauf von Vertragsverletzungsverfahren

Die Europäische Kommission ist als „Hüterin der Verträge“ dazu verpflichtet, die Anwendung geltenden EU-Rechts in allen EU-Ländern zu überwachen. In Vertragsverletzungsverfahren können die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten Verstöße eines Mitgliedstaates gegen das EU-Recht geltend machen. Es besteht aus drei Stufen. Wenn die Kommission vermutet, dass europäisches Recht nicht fristgemäß, unvollständig oder überhaupt nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, sendet sie im Vorverfahren zunächst ein Fristsetzungsschreiben/Mahnschreiben, in dem sie einen Mitgliedstaat auffordert, innerhalb einer bestimmten Frist zu einem aufgetretenen Problem der Anwendung des Unionsrechts Stellung zu nehmen. Die zweite Stufe ist die mit Gründen versehene Stellungnahme. Hier wird der Mitgliedstaat aufgefordert, den Verstoß innerhalb einer bestimmten Frist abzustellen. Kommt der Mitgliedstaat dem nicht nach, kann die Kommission ein gerichtliches Verfahren vor dem EuGH einleiten. Wenn der Gerichtshof eine Vertragsverletzung feststellt, kann er z.B. ein Zwangsgeld oder andere Strafzahlungen verhängen.

Mehr Informationen:

EU-Kommission, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 28.04.2016