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Landtag: Hochwasserkatastrophe – Landtag debattiert über politische Konsequenzen

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In der vergangenen Woche wurden der Landkreis Rottal-Inn und andere Teile Bayerns von einer schrecklichen Hochwasserkatastrophe heimgesucht. Dabei kamen sieben Menschen ums Leben. Sie konnten sich nicht mehr rechtzeitig vor den Fluten und Schlammlawinen in Sicherheit bringen. Viele Menschen wurden verletzt, verloren Hab und Gut – und bauen nun ihre Heimat wieder auf. Der Landtag sandte zum Auftakt der 75. Plenarsitzung ein überparteiliches Signal des Mitgefühls und der Solidarität mit den betroffenen Menschen insbesondere in den niederbayerischen Orten Simbach, Julbach, Tann und Triftern aus. 1. Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet dankte im Namen des Parlaments dabei auch den rund 10.000 Einsatzkräften, die rund um die Uhr arbeiten, um die Menschen vor Ort zu unterstützen und ihnen beizustehen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nahm die Sturzflut bzw. Starkregen-Ereignisse der letzten Tage zum Anlass, um in einer von ihr anberaumten „Aktuellen Stunde“ über die politischen Konsequenzen der Hochwasserkatastrophe zu sprechen.

Schnelle und unbürokratische Hilfe sicherte Umweltministerin Ulrike Scharf allen Betroffenen zu:

Wir stehen in diesen schweren Zeiten fest zusammen, um gemeinsam die Zukunft wieder möglich zu machen“, sagte sie und verwies auf das von der Staatsregierung am Dienstag bereit gestellte und im Haushaltsausschuss des Landtags einstimmig verabschiedete, umfangreiche Hilfsprogramm.

Die erlebte Sturzflut zeige die gravierenden Folgen des Klimawandels, der 2013 mit dem verheerenden Hochwasser und 2015 mit Trockenheit aufgetreten sei und sich nun mit einer „Mega-Regenzelle“ niederschlage.

Deswegen ist Klimapolitik Existenzpolitik“, erklärte die Staatsministerin.

Sie erinnerte an die Bayerische Klimaanpassungsstrategie, das vorliegende 3,4 Milliarden Euro umfassende „Hochwasserschutz-Aktionsprogramm 2020plus“ sowie den Dreiklang von „Warnung, Beratung und Förderung“, auf den die Staatsregierung setze.

Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, nannte die Überhitzung des Erdklimas ebenfalls als Ursache für die immer häufigeren, sintflutartigen Regenfälle und Überschwemmungen. Er kritisierte die Mitglieder der Großen Koalition in Berlin, die nicht bereit seien, politische Lehren aus den Folgen der Klimaüberhitzung zu ziehen. Statt dafür zu sorgen, dass weniger Klima-Gifte in die Atmosphäre gelangten, würden sie als „Schutzheilige der Braunkohle“ bei den erneuerbaren Energien die Abrissbirne schwingen und beim fortschreitenden Flächenfraß tatenlos zuzusehen:

Je mehr Sie asphaltieren und je mehr sie betonieren, umso schneller steigt das Wasser, wenn es zu einem Unwetter kommt“, führte er vor Augen.

Der Staatsregierung in Bayern warf er vor, „das Land in ein Gewerbegebiet mit Autobahnanschluss zu verwandeln“. Ein radikales Umdenken forderte er auch in der Landwirtschaft, wo schwere Landmaschinen die Böden verdichteten und Ackerbau oft bis zum letzten Meter an die Gewässer heran betrieben werde.

Gewässer müssten renaturiert, die fortschreitende Flächenversiegelung gestoppt und teilweise rückgängig gemacht werden. Außerdem müsse die Bewirtschaftung in den Risikogebieten auf den Prüfstand, beispielsweise der problematische Maisanbau – das forderte auch die SPD-Landtagsfraktion. Diese machte zudem auf den aktuellen Stellenabbau in den bayerischen Wasserwirtschaftsämtern aufmerksam. Florian von Brunn rechnete vor, dass seit 2004 dort 600 Stellen gestrichen worden seien. Bis 2022 sei die Streichung weiterer 600 Stellen geplant:

Das ist angesichts solcher extremer Wetterereignisse verantwortungslos“, kritisierte er.

Sein Fraktionskollege Klaus Adelt schlug vor, auch sogenannte Gewässer dritter Ordnung, also kleine Bäche wie etwa den Simbach, der „normal“ nur 60 Zentimeter breit und 20 Zentimeter tief ist, wieder unter die fachliche Aufsicht der Wasserwirtschaftsämter zu stellen. Beim monsunartigen Niederschlag war der Pegel des Simbachs innerhalb von Minuten auf fünf Meter angestiegen.

Auf gezielte dezentrale Lösungen auf kommunaler Ebene setzt die Fraktion der FREIEN WÄHLER:

Wir brauchen vor allem einen gezielten Siedlungsschutz und diesbezüglich eine intensivere Beratung und Förderung der Kommunen, damit derartige Sturzfluten in Zukunft gemildert oder vermieden werden können“, sagte Fraktionsvorsitzender Hubert Aiwanger, der zugleich für eine Helfergleichstellung in Bayern warb.

Es dürfe nicht sein, so Aiwanger, dass ehrenamtliche Rettungskräfte – zum Beispiel vom Roten Kreuz – schlechter gestellt seien als ehrenamtliche Feuerwehrleute. Bei Katastrophen wie dieser Jahrtausendflutwelle arbeiteten schließlich alle Hand in Hand.

Der Freistaats Bayern stelle pro Jahr Mittel von bis zu 235 Millionen Euro für den Hochwasserschutz zur Verfügung – dies hob CSU-Abgeordneter Dr. Martin Huber hervor. Im Rahmen der dazu aufgelegten Programme und Fördermöglichkeiten sollen die natürlichen Rückhalteflächen wie Auen sowie der technische Hochwasserschutz und die Hochwasservorsorge intensiviert werden. Parteikollegin Gudrun Brendel-Fischer (CSU) beteuerte, dass kein Landwirt ein Interesse daran habe, dass der Humus von den Feldern gespült werde und die Fließgewässer verschlammten. Aus ihrer Sicht zeichnet sich mittlerweile ein klarer Trend zum verstärkten Anbau von Zwischenfrüchten sowie zum Erosionsschutz auf den Feldern ab. Mit Blick darauf würden in Bayern bereits 500.000 Hektar Ackerfläche bodenschonend bearbeitet.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus dem Plenum v. 09.06.2016 (von Katja Helmö)