Gesetzgebung

Deutscher Städtetag: Pflege für alte Menschen aus einer Hand – Spielräume für Kommunen vergrößern

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Zum Kabinettsbeschluss für das dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) sagte der Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy:

Die Städte unterstützen das Ziel der Bundesregierung, die Rolle der Kommunen bei der Pflege weiter zu stärken und auszubauen und die Kompetenzen der Kommunen bei der Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen besser zu nutzen. Die Städte wollen pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen eine umfassende Beratung aus einer Hand ermöglichen, ohne unnötige Wege und langwieriges Suchen nach dem richtigen Ansprechpartner. Es geht perspektivisch darum, ganze Wohnviertel so auszugestalten, dass den Menschen die Unterstützung gewährleistet wird, die nötig ist, um so lange wie möglich im eigenen Zuhause ein selbst bestimmtes Leben zu führen.

Die jetzt im Gesetzentwurf vorgesehenen, bundesweit 60 Modellprojekte zur Einrichtung neuer Beratungsstellen in den Kommunen sind dafür ein wichtiger Schritt. Eine begrenzte Anzahl an Kommunen bekommt so erstmals die Möglichkeit, die bisherigen separaten Beratungsangebote der Pflegeberatung durch die Pflegekassen zu verzahnen mit kommunalen Beratungsangeboten und kommunalen Leistungen im Rahmen der Seniorenberatung, der Hilfe zur Pflege, der Eingliederungshilfe, dem öffentlichen Gesundheitsdienst und den Beratungsangeboten zur Wohnraumanpassung. Das hilft den Menschen vor Ort, dort, wo sie wohnen und gepflegt werden.

Allerdings ist es unverständlich, warum den Modellkommunen ein so enges Korsett vorgegeben wird, in dem sie arbeiten sollen. Es widerspricht dem Erkenntnisinteresse eines Modells, für die Kommunen nahezu keine Spielräume zu gewähren, jedoch Vorgaben durch die Pflegekassen vorzusehen, bei deren Erarbeitung die kommunale Ebene noch nicht einmal beteiligt werden soll. Die Modellprojekte dürfen keine Sparschweine zugunsten der Pflegekassen sein, die sich ihrer Aufgaben entledigen, aber die Finanzierungsanteile nicht leisten wollen. Da sind Änderungen des Gesetzentwurfs erforderlich.

Die Städte in Deutschland befürworten den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, an dem sie konstruktiv mitgewirkt haben. Er eröffnet pflegebedürftigen Menschen mehr Teilhabemöglichkeiten und er bezieht Menschen mit kognitiven Einschränkungen ein, beispielsweise bei Demenz. Die Städte verlangen allerdings seit längerem, dass sich diese wichtige Neuausrichtung einheitlich in allen Leistungsgesetzen wiederspiegelt, die Menschen mit Pflegebedarf betreffen. Um ein reibungsloses Ineinandergreifen zwischen dem Recht der Pflegeversicherung und der Sozialhilfe zu gewährleisten, ist ein einheitliches Verständnis von Pflegebedürftigkeit unerlässlich.

Das ist derzeit nicht gewährleistet. Denn der Gesetzentwurf zur Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Recht der Hilfe zur Pflege wurde so spät vorgelegt, dass bereits der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens noch im Jahr 2016 fraglich erscheint. Dies ist deshalb problematisch, weil der neue Begriff im Recht der Pflegeversicherung bereits mit Wirkung zum 1.1.2017 eingefügt wurde. Selbst wenn das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr zum Abschluss gebracht werden kann, fehlt es den Städten an der notwendigen Zeit, die Änderungen zum 1.1.2017 verwaltungsorganisatorisch und leistungsrechtlich vorzubereiten. In einigen Bundesländern sind außerdem vorab auch noch landesrechtliche Ausführungsregelungen zu ändern.

Darüber hinaus gibt es finanzielle Unwägbarkeiten. Bislang sind die Kostenauswirkungen für die Städte nicht nachvollziehbar ermittelt worden. Ein unabhängiges Forschungsinstitut hat Mehrkosten der Träger der Sozialhilfe in Höhe von rund einer Milliarde Euro ermittelt – die Bundesregierung geht dagegen von einer Entlastung in Höhe von rund 530 Millionen Euro aus. Ein derartiges Finanzierungsrisiko ist für die Städte nicht zumutbar.

Inhaltlich verlangen die Städte eine klare Abgrenzung von Leistungen der Pflege und Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, aber auch einen klaren Vorrang der Pflegeversicherungsleistung vor steuerfinanzierten Sozialhilfeleistungen.“

Deutscher Städtetag, Statement v. 28.06.2016

Redaktioneller Hinweis: Meldungen im Kontext der Pflegestärkungsgesetze.