Gesetzgebung

Landtag: Anstoß zu neuem Gesetz zur Zwangsunterbringung psychisch Kranker (zum PsychKHG)

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Das bayerische Unterbringungsgesetz bildet derzeit die gesetzliche Grundlage für die Zwangseinweisung eines psychisch Kranken in eine psychiatrische Klinik. Seit 2 Jahren berät sich die Staatsregierung mit Verantwortlichen und Experten, mit dem Ziel, eine Ablöse für das Unterbringungsgesetz auf den Weg zu bringen: Das Psychisch-Krankenhilfe-Gesetz (PsychKHG). Im neuen Gesetz sollen dann nicht nur Vorgaben für die Unterbringung der Kranken gemacht werden, sondern entsprechend dem Wortlaut auch Hilfsangebote festgeschrieben werden. Eine flächenhafte Abdeckung durch staatliche Krisendienste als primäres Hilfsangebot findet die Zustimmung aller Fraktionen bei der heutigen Aussprache zum neuen Gesetz im Gesundheitsausschuss. Auf dem Weg zum fertigen Gesetz bleiben noch einige Details zu klären, so etwa die Finanzierung, die Zuständigkeiten und die Überwachung der Unterbringung.

Ein komplexes Gesetz wird dieses Psychisch-Krankenhilfe-Gesetz. So drückt sich Bernhard Seidenath (CSU), der stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, aus. Und tatsächlich: Beteiligt sind zwei Ministerien (Gesundheits- und Sozialministerium), zwei Inhalte werden geregelt (Unterbringung und Hilfsangebot) und der heikle Spagat zwischen Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Einschränkung des Freiheitsrechts des Einzelnen muss gelingen.

Heute haben Vertreter der beiden Ressorts im Ausschuss für Gesundheit und Pflege über die Ergebnisse des Runden Tisches -PsychKHG berichtet. Daran schloss sich ein gemeinsamer Austausch im Hinblick auf die künftige Erarbeitung von Eckpunkten für ein Psychisch-Krankenhilfe-Gesetz.

Generell gilt: Eine Zwangseinweisung darf nur erfolgen, wenn von der psychisch kranken Person eine Gefahr gegenüber anderen oder gegenüber sich selbst besteht. Das ist im momentan gültigen Unterbringungsgesetz so geregelt und soll auch im neuen PsychKHG so festgeschrieben werden. Ebenfalls bereits im Unterbringungsgesetz geregelt sind Vorschriften zum Einweisungsverfahren, rechtliche Vorgaben für die Unterbringung und deren Überwachung. Eine Neuauflage ist nötig geworden, da es neue Standards bei der Unterbringung gibt und neue Regelungen zu Zwangsmaßnahmen, wie etwa der Fixierung von Patienten. Seine Überarbeitung mit einer Erweiterung um Hilfsmaßnahmen für psychisch Kranke soll schließlich in ein Bayerisches Psychisch-Krankenhilfe-Gesetz einfließen. Allen voran wird hier die Errichtung so genannter Krisendienste diskutiert. Sie sollen Kranken in einer Notsituation als Anlaufstelle dienen – vergleichbar mit dem Rettungsdienst für physische Notfälle. Alle Fraktionen im Ausschuss sprechen sich für solche Krisendienste aus. Bisher gibt es vier solcher Einrichtungen in ganz Bayern. Der einhelligen Meinung nach müssen diese flächendeckend errichtet werden – „mit allen Konsequenzen“, sagt Hermann Imhof (CSU) und konkretisiert, dass er damit finanzielle Konsequenzen, also Gelder vom Freistaat, meint.

Neben dem Anspruch auf Krisendienste, soll das PsychKHG um weitere Inhalte reicher werden: Präventionsmaßnahmen etwa, um eine Zwangseinweisung gar nicht erst zustande kommen zu lassen. Dr. Georg Walzel vom Gesundheitsministerium zählt hier Aufklärung über medikamentöse Behandlung, Einbindung von Angehörigen in den therapeutischen Prozess oder Deeskalationsschulungen für medizinisches Personal auf. Sein Kollege vom Sozialministerium, Dr. Michael Hübsch, sieht auch einen gesetzlichen Weiterentwicklungsbedarf beim Thema Überwachung der Unterbringung: Bisher überwachen so genannte Besuchskommissionen, die aus unabhängigen Beamten, Richtern, Ärzten und Sozialarbeitern bestehen, die Unterbringung und die Einhaltung von Vorschriften zum Bespiel bezüglich Zwangsfixierungen. Dr. Hübsch könnte sich vorstellen, dass die Kommissionen durch eine behördliche Fachaufsicht und durch einen mit Politikern besetzten Beirat ergänzt werden. Widerstand gegen die Aufsicht durch Beiräte formulieren Ruth Waldmann (SPD) und Ulrich Leiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), nach deren Ansicht die Aufsicht besser durch Fachkräfte erfolgen soll.

Einen weiteren noch nicht ausdiskutierten Bestandteil des neuen Gesetzes bildet die Berichterstattung über die Unterbringung psychisch Kranker in einer psychiatrischen Anstalt. Zwar sei die Notwendigkeit einer solchen Berichterstattung ohne Zweifel, aber wie diese konkret ausschauen könnte, sei noch nicht geklärt und habe nicht primäre Wichtigkeit, sagt Dr. Walzel. Eine Regelung hierzu sei schwierig in das PsychKHG zu integrieren. Und Dr. Hübsch spricht sich gegen eine weithin geforderte Registrierung der Zwangsmaßnahmen wie Fixierung oder Medikamentengabe aus. Damit gehen die Oppositionsparteien nicht konform: Die Vorsitzende des Ausschusses, Kathrin Sonnenholzner, zeigt sich entrüstet und sagt:

Ich dachte, da waren wir uns bereits einig, dass es eine regelmäßige Berichterstattung geben wird!“

Die SPD werde diese zumindest vehement einfordern, so Sonnenholzner. Auch Kerstin Celina (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) pocht auf eine regelmäßige Berichterstattung und Sonnenholzner hält auch das Register für absolut notwendig:

Allein die Tatsache, dass es ein Register gibt, veranlasst die Verantwortlichen, über den Einsatz von Zwangsmaßnahmen nachzudenken.“

Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER) pflichtet ihr bei und sagt:

Ich will schon wissen, wenn es in meinem Bezirk zu Zwangsfixierungen kommt“.

Obwohl Details noch zu klären sind – die Finanzierung ist beispielsweise bewusst noch nicht in die Überlegungen einbezogen worden – gibt es einen ehrgeizigen Zeitplan für das neue Gesetz. Vorgesehen ist die Erarbeitung eines Eckpunktepapiers über den Sommer und eine Ministerratsvorlage im Herbst. Alle Fraktionen eint der Wunsch, dass daran festgehalten wird. Ein eigenes Gesetz zur Unterbringung psychisch Kranker sei schon deshalb wichtig, weil es eine klare Abgrenzung zur Unterbringungen im Zusammenhang mit Maßregelvollzug bringt – zwei völlig verschiedene Fallgruppen, wie Ruth Waldmann sagt.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 05.07.2016 (von Ina Friedl)

Redaktionelle Anmerkungen zur „Unterbringung“

Sprachlich wird der Begriff „Unterbringung“ meist ohne Differenzierung gebraucht und bezeichnet die Einweisung (ggfls. ohne oder gegen den Willen des Betroffenen) in ein psychiatrisches Krankenhaus, eine Entziehungsanstalt oder in eine sonstige Einrichtung – gleich aus welchen Gründen. Juristisch ist beim Begriff der Unterbringung zu unterscheiden zwischen

  • der Art der Unterbringung (zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche, strafrechtliche),
  • dem Anknüpfungspunkt für die Unterbringung (dem geschützten Rechtsgut) und
  • den Voraussetzungen, dem Verfahren und dem Vollzug, mithin den Rechtsgrundlagen.

PsychKHG – Öffentlich-rechtliche Unterbringung

Anknüpfungspunkt für die Unterbringung ist die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, neben der Eigengefährdung also auch die Fremdgefährdung. Voraussetzungen und Vollzug sind landesrechtlich geregelt: In Bayern (noch) im Unterbringungsgesetz (UnterbrG), in anderen Bundesländern meist in einem so oder so ähnlich bezeichneten „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG)“. Hinsichtlich des Unterbringungsverfahrens ist zwischen dem behördlichen Verfahren (noch geregelt im UnterbrG) und dem gerichtlichen Verfahren (geregelt im FamFG, vgl. § 312 Nr. 3 FamFG) zu unterscheiden.

Angesichts der Tatsache, dass das UnterbrG aus dem Jahre 1992 stammt, wird auch im Freistaat seit einigen Jahren verstärkt die Ablösung des UnterbrG durch ein modernes BayPsychKHG diskutiert: Zu Meldungen in diesem Kontext.