Gesetzgebung

StMBW: Übertrittsverfahren verfassungskonform – SPD-Gutachten lässt viele Fragen offen und BayVerfGH-Entscheidung außen vor

Kultusministerium: Begabungsgerechte Übertrittsphase hat sich bewährt – Übertrittsempfehlung wichtige Hilfe für die Schulwahl nach der 4. Klasse – Elternverantwortung durch Reform von 2009 gestärkt – SPD-Gutachten lässt viele Fragen offen und Gerichtsentscheidung außen vor

Das bayerische Übertrittsverfahren von 2009 ist verfassungskonform. Das hat der BayVerfGH 2014 entschieden. Und mit der Einführung der kind- und begabungsgerechten Übertrittsphase hat das Bayerische Kultusministerium den Elternwillen bei der Entscheidung über die Wahl der weiterführenden Schule nach der Grundschule gestärkt. Die Position des Bayerischen Kultusministeriums ist eindeutig. Die Entscheidung für den Übertritt des Kindes an Gymnasium oder Realschule liegt mittlerweile bei den Eltern, wenn die Kinder im Probeunterricht an der angestrebten Schule in den Fächern Mathematik und Deutsch jeweils die Note 4 erreicht haben. Bis dahin mussten die Schülerinnen und Schüler zumindest in einem der beiden Fächer die Note 3 erreichen.

Das von der SPD heute vorgestellte Gutachten lässt mehr Fragen offen als es beantwortet, und beachtet die Entscheidung des BayVerfGH über die Popularklage von 2014 nicht.

Onlinebefragung von Eltern und Lehrkräften: bayerische Praxis weithin positiv

Im Frühjahr 2016 hatte die mittlerweile sechste Onlinebefragung des Kultusministeriums bei Schulleitungen, Klassenlehrkräften der Jahrgangsstufen 3 und 4 sowie Klassenelternsprechern der Jahrgangsstufe 4 an insgesamt rund 700 Grundschulen bestätigt: die kind- und begabungsrechte Übertrittsphase findet überwiegend die Zustimmung durch Klassenlehrkräfte und Klassenelternsprecher. Dabei wurde z. B. von knapp 78 Prozent der Elternsprecher die Ausstellung eines Übertrittszeugnisses für alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 4 als positiv betrachtet. Sehr positiv werden auch die umfassenden Informationsangebote für die Eltern ab der 3. Jahrgangsstufe bezeichnet.

Die Wahl der Schulart nach der 4. Jahrgangsstufe ist vorläufig. Im durchlässigen bayerischen Bildungswesen stehen den Kindern viele Wege offen: Sie können die Schulart wechseln oder später auf erworbenen Abschlüssen aufbauen. Über entsprechende Schullaufbahnmöglichkeiten werden die Eltern bereits in der 3. und 4. Jahrgangsstufe der Grundschule informiert. Die Übertrittsempfehlung ist aber gerade für viele Eltern, die keine eigenen Erfahrungen mit Gymnasien und Hochschulen gemacht haben, auch mit Blick auf die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder eine zusätzliche positive Stütze bei einer Entscheidung zugunsten der Realschule oder des Gymnasiums.

Bayerns Schulwesen deutlich durchlässiger

Bayern hat die Durchlässigkeit des Schulwesens in den vergangenen Jahren spürbar ausgeweitet. Dazu gehören Möglichkeiten, an einer Schulart mehrere Abschlüsse zu erlangen, etwa an der Mittelschule den erfolgreichen und den qualifizierenden Mittelschulabschluss sowie einen mittleren Bildungsabschluss. Zudem gibt es vielfältige Anschlussmöglichkeiten nach dem ersten schulischen Abschluss. Bayern hat auch die Möglichkeiten der beruflichen Bildung massiv erweitert, die Anzahl der Fachoberschulen deutlich erhöht und auch Brückenangebote eingerichtet, z.B. Vorklassen für Schülerinnen und Schüler mit mittlerem Bildungsabschluss, die nach der Mittel- und Wirtschaftsschule die Fachoberschule besuchen wollen. Über 40 Prozent aller Hochschulzugangsberechtigungen in Bayern werden inzwischen über den Weg der beruflichen Bildung erworben.

Schulpsychologe hält Noten in Leistungsgesellschaft für normal

Am Wochenende erst hatte der Münchner Schulpsychologe Sebastian Pichlmeier Noten in einer Leistungsgesellschaft für normal und unverzichtbar erklärt – gerade auch mit Blick auf den Übertritt nach der 4. Jahrgangsstufe.

StMBW, Pressemitteilung v. 06.09.2016

Redaktionelle Anmerkungen

Das erwähnte Gutachten wurde von Prof. Dr. Wolfgang Cremer aus Bochum erstellt. Die Kurzfassung des Gutachtens (PDF) geht nicht auf die Entscheidung des BayVerfGH ein, die Langfassung (PDF) sehr wohl.

Der BayVerfGH hatte in seiner Entscheidung v. 21.05.2014 (Vf.  7-VII-13) folgenden Leitsatz formuliert:

„Die Regelungen in §§ 25, 37 GrSO zur Eignung für den Übertritt von der Grundschule an ein Gymnasium oder eine Realschule sowie zur Erhebung der hierfür maßgeblichen schriftlichen Leistungsnachweise sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.“

Die vormals in § 25 bzw. § 37 GrSO enthaltenen Regelungen finden sich nunmehr in § 6 bzw. § 10 GrSO.

Die für die Entscheidung des BayVerfGH maßgeblichen Vorschriften der §§ 25, 37 GrSO lauteten:

§ 25 Übertritt an ein Gymnasium oder an eine Realschule

(1) 1In den Jahrgangsstufen 3 und 4 führt die Grundschule Informationsveranstaltungen zur Wahl des schulischen Bildungswegs und zum Übertrittsverfahren durch; Lehrkräfte mit Erfahrung an weiterführenden Schulen sollen zu den Informationsveranstaltungen hinzugezogen werden. 2Den Erziehungsberechtigten wird außerdem eine eingehende Beratung angeboten. 3Dabei werden die Erziehungsberechtigten auch umfassend über die Angebote des schulischen Bildungssystems und dessen An- und Abschlussmöglichkeiten einschließlich des beruflichen Schulwesens informiert.

(2) 1Alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 4 öffentlicher oder staatlich anerkannter Grundschulen erhalten am ersten Unterrichtstag des Monats Mai ein Übertrittszeugnis. 2Das Übertrittszeugnis stellt fest, für welche Schulart die Schülerin oder der Schüler geeignet ist; es gilt nur für den Übertritt im jeweils folgenden Schuljahr.

(3) Das Übertrittszeugnis enthält die Jahresfortgangsnoten in allen Fächern, in den Fächern Deutsch und Mathematik mit zusätzlichen Erläuterungen, die Gesamtdurchschnittsnote aus den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht, eine zusammenfassende Beurteilung zur Übertrittseignung, eine Bewertung des Sozial- sowie des Lern-und Arbeitsverhaltens gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 und – soweit erforderlich – einen Hinweis entsprechend § 43 Abs. 8 Satz 3.

(4) 1Die Eignung für einen weiterführenden Bildungsweg wird in der zusammenfassenden Beurteilung festgestellt. 2Die Eignung für den Bildungsweg des Gymnasiums liegt vor, wenn die Gesamtdurchschnittsnote mindestens 2,33 beträgt. 3Die Eignung für den Bildungsweg der Realschule liegt vor, wenn die Gesamtdurchschnittsnote mindestens 2,66 beträgt.

§ 37 Probearbeiten

(1) 1Die Lehrerkonferenz trifft vor Unterrichtsbeginn des Schuljahres grundsätzliche Festlegungen zur Erhebung von Leistungsnachweisen einschließlich prüfungsfreier Lernphasen; die Festlegungen sind den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Erziehungsberechtigten bekannt zu geben. 2In der Jahrgangsstufe 4 sollen in der Zeit vom Unterrichtsbeginn bis zum Erhalt des Übertrittszeugnisses jeweils in den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht rhythmisiert mindestens vier Unterrichtswochen von bewerteten Probearbeiten freigehalten werden.

(2) 1Schriftliche Leistungsnachweise werden durch Probearbeiten erbracht. 2Sie müssen sich aus dem unmittelbaren Unterrichtsablauf ergeben und in der Jahrgangsstufe 4 angekündigt werden. 3Der Termin einer angekündigten Probearbeit muss spätestens eine Woche vorher bekannt gegeben werden. 4An einem Tag darf nur eine Probearbeit, in der Woche sollen nicht mehr als zwei Probearbeiten abgehalten werden. 5Kann der Leistungsstand einer Schülerin oder eines Schülers wegen nicht zu vertretender Versäumnisse nicht hinreichend beurteilt werden, so kann die Lehrkraft das Nachholen von Probearbeiten anordnen.

(3) 1In der Jahrgangsstufe 1 werden keine Probearbeiten geschrieben. 2Die Probearbeiten im ersten Halbjahr der Jahrgangsstufe 2 werden nicht benotet, jedoch mit Bemerkungen versehen, die den Leistungsstand der Schülerin oder des Schülers beschreiben. 3In der Jahrgangsstufe 4 soll bis zum Erhalt des Übertrittszeugnisses in den Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht eine angemessene Zahl von Probearbeiten abgehalten werden; als Richtwerte gelten im Fach Deutsch zwölf, im Fach Mathematik und im Fach Heimat- und Sachunterricht je Fach fünf bewertete Probearbeiten.