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EU-Kommission: Dublin-Überstellungen von Flüchtlingen nach Griechenland sollen schrittweise wieder aufgenommen werden

Die EU-Kommission hat heute (Donnerstag) ausführliche Berichte über die Fortschritte bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise vorgelegt, darunter über die Umsetzung der Erklärung EU-Türkei und den aktuellen Stand bei der Umverteilung und Neuansiedlung von Flüchtlingen. In ihrer Empfehlung zum Asylsystem in Griechenland empfiehlt die EU-Kommission eine schrittweise Wiederaufnahme der Überstellungen von Flüchtlingen nach Griechenland. Dabei sollen die griechischen Behörden in jedem Einzelfall eine menschenwürdige Behandlung zusichern. Damit Griechenland nicht übermäßig belastet wird, sollten diese Überstellungen nicht rückwirkend wiederaufgenommen werden, sondern sich nur auf Asylbewerber erstrecken, die ab dem 15.03.2017 irregulär über eine Außengrenze nach Griechenland gelangen, oder für die Griechenland aufgrund anderer als der Dublin-Kriterien ab diesem Zeitpunkt zuständig ist. Um die griechischen Bemühungen zu unterstützen, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihren Umverteilungspflichten vollumfänglich nachkommen und in ausreichendem Umfang Asylexperten nach Griechenland abzustellen.

Der Erste Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans erklärte dazu:

„Unser umfassendes europäisches Migrationskonzept zeigt Erfolge. Die EU-Türkei-Erklärung wird kontinuierlich angewandt, und die Zahl der Migranten, die irregulär nach Griechenland kommen, ist ganz erheblich zurückgegangen. Hervorzuheben sind aber auch die Fortschritte, die Griechenland bei der Behebung von Schwachstellen in seinem Asylsystem erzielt hat. Dank dieser Fortschritte kann die Kommission jetzt empfehlen, die Dublin-Überstellungen nach Griechenland ab dem 15.03.2017 allmählich wiederaufzunehmen. Damit nimmt die Attraktivität der irregulären Zuwanderung und Weiterreise in andere europäische Länder weiter ab, womit wir der Rückkehr zu einem normal funktionierenden Dublin- und Schengen-System einen erheblichen Schritt näher kommen.“

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos erklärte:

„Sowohl Italien als auch Griechenland haben in den letzten Monaten bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise Übermenschliches geleistet. Deshalb konnten wir heute beschließen, das Vertragsverletzungsverfahren wegen der Abnahme von Fingerabdrücken und der Registrierung von Migranten einzustellen. Im November hatten die Umsiedlungen mit mehr als 1.400 überstellten Migranten einen Rekordstand erreicht. Jetzt ist es an den Mitgliedstaaten, ihr diesbezügliches Engagement zu intensivieren und zu verstetigen. Unser Ziel ist es, im Laufe des kommenden Jahres sämtliche Personen in Griechenland und Italien, die für eine Umverteilung in Frage kommen, umzusiedeln. Diese Umverteilung und eine dauerhafte Senkung des Flüchtlingsaufkommens aus der Türkei mittels der EU-Türkei-Erklärung sind notwendige Grundvoraussetzungen für eine allmähliche Rückkehr Griechenlands ins Dublin-System.“

Stetige Fortschritte bei der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei

Der Trend zu stetigen Fortschritten bei der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei hat sich trotz der vielen Herausforderungen bestätigt. Die Zahl der irregulären Grenzübertritte über die Ägäis blieb im Berichtszeitraum deutlich unter dem Stand vor der EU-Türkei-Erklärung. Seit März liegt die durchschnittliche Zahl der Neuankömmlinge bei 92 pro Tag, während im vergangenen Jahr an einem einzigen Oktobertag 10.000 Flüchtlinge eingetroffen waren. Es werden weiterhin Rückführungsaktionen durchgeführt, in deren Verlauf seit dem dritten Bericht zusätzlich 170 Personen rückgeführt wurden, so dass die Gesamtzahl der auf Grundlage der Erklärung oder gemäß dem bilateralen Rückübernahmeabkommen zwischen Griechenland und der Türkei rückgeführten Personen auf 1.187 anstieg. Erhebliche Unzulänglichkeiten bestehen jedoch weiter: So kommen die Rücküberstellungen aus Griechenland in die Türkei weiterhin zu langsam voran, was zu zusätzlichem Druck auf den griechischen Inseln führt. Daher muss nicht nur die Lage aufmerksam beobachtet werden, sondern – was noch wichtiger ist – es müssen auch zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um die Situation auf den griechischen Inseln zu verbessern. Deshalb müssen ausreichend Ressourcen bereitgestellt werden, um die wirksame Bearbeitung von Asylanträgen zu gewährleisten, wobei die Mitgliedstaaten in vollem Umfang den Aufforderungen des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen Folge leisten müssen. Um die vollständige Umsetzung der Erklärung EU-Türkei sicherzustellen und insbesondere die griechischen Inseln zu entlasten, hat der EU-Koordinator Maarten Verwey in Zusammenarbeit mit den griechischen Behörden einen gemeinsamen Aktionsplan erarbeitet, den er heute veröffentlicht.

Für die Umsetzung des Fahrplans für die Visaliberalisierung muss die Türkei noch sieben Vorgaben erfüllen. Die Kommission bestärkt die Türkei darin, ihre Anstrengungen fortzusetzen, um alle noch ausstehenden Vorgaben des Fahrplans für die Visaliberalisierung so bald wie möglich zu erfüllen. Die Kommission und die Türkei haben ihren Dialog fortgeführt, um Lösungen zu finden und u. a. die zur Erfüllung der noch ausstehenden Vorgaben erforderlichen gesetzlichen und verfahrenstechnischen Änderungen vorzunehmen.

Die Kommission hat die Bereitstellung von Finanzmitteln im Rahmen der Flüchtlingsfazilität für die Türkei weiter beschleunigt und insgesamt bereits € 2,2 Mrd. der für den Zeitraum 2016-2017 vorgesehenen € 3 Mrd. zugewiesen, um den dringendsten Bedarf der Flüchtlinge und Aufnahmegemeinschaften in der Türkei zu decken. Die vertraglich gebundenen Mittel erhöhten sich auf € 1,3 Mrd. Die Kommission unternimmt alle erforderlichen Anstrengungen, um dafür zu sorgen, dass die Mittel aus der Fazilität rascher ausgezahlt werden können. Bislang sind insgesamt € 677 Mio. ausgezahlt worden.

Schrittweise Wiederaufnahme der Dublin-Überstellungen nach Griechenland

Die Kommission hat heute ihre vierte Empfehlung zur Frage der Wiederaufnahme der Dublin-Überstellungen nach Griechenland angenommen. Damit wird die Rückkehr zu einer normalen Funktionsweise der Dublin-Regeln greifbarer. In dieser Empfehlung stellt die Kommission fest, dass Griechenland beträchtliche Fortschritte bei der Schaffung der grundlegenden institutionellen und rechtlichen Strukturen erzielt hat, die für ein ordnungsgemäß funktionierendes Asylsystem erforderlich sind. Allerdings sind auf dem Weg zur Wiederaufnahme der Dublin-Überstellungen noch mehrere Punkte zu berücksichtigen: So bleibt der Migrationsdruck hoch, und bestimmte Unzulänglichkeiten im griechischen Asylsystem bestehen weiterhin, u.a. was die Aufnahmebedingungen, die Behandlung schutzbedürftiger Antragsteller und die Geschwindigkeit anbelangt, mit der Asylanträge registriert und geprüft werden.

Die Kommission empfiehlt deshalb eine schrittweise Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland. Dabei sollen die griechischen Behörden in jedem Einzelfall eine menschenwürdige Behandlung zusichern. Damit Griechenland nicht übermäßig belastet wird, sollten diese Überstellungen nicht rückwirkend wiederaufgenommen werden, sondern sich nur auf Asylbewerber erstrecken, die ab dem 15.03.2017 irregulär über eine Außengrenze nach Griechenland gelangen, oder für die Griechenland aufgrund anderer als der Dublin-Kriterien ab diesem Zeitpunkt zuständig ist. Um die griechischen Bemühungen zu unterstützen, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihren Umverteilungspflichten vollumfänglich nachkommen und in ausreichendem Umfang Asylexperten nach Griechenland abzustellen.

Asylbewerber sollten nur dann nach Griechenland überstellt werden, wenn die griechischen Behörden in jedem Einzelfall eine mit EU-Recht konforme Behandlung zusichern. Schutzbedürftige Asylbewerber wie unbegleitete Minderjährige sollten vorläufig nicht nach Griechenland überstellt werden. Ein Team des Europäisches Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO), bestehend aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten, sollte die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten unterstützen und darüber berichten, ob die gemäß der Dublin-Verordnung nach Griechenland rücküberstellten Personen entsprechend den Zusicherungen der griechischen Behörden behandelt werden. Die Kommission wird regelmäßig über die Fortschritte bei der Umsetzung ihrer Empfehlung berichten und die darin enthaltenen Einzelempfehlungen erforderlichenfalls aktualisieren.

Fortschritte bei Umverteilung und Neuansiedlung

Im November wurden insgesamt 1.406 Personen umgesiedelt. Mit dieser bislang höchsten Zahl in einem Monatszeitraum bestätigt sich die anhaltend positive Entwicklung. Die Zahl der aus Griechenland umgesiedelten Personen stabilisiert sich bei rund 1.000 pro Monat, und die Umsiedlungen aus Italien haben erheblich zugenommen. Insgesamt wurden bislang 8.162 Personen umverteilt (6.212 aus Griechenland und 1.950 aus Italien).

Die Kommission hält es inzwischen für machbar, alle für eine Umverteilung in Frage kommenden Flüchtlinge aus Griechenland und Italien bis September 2017 in andere Mitgliedstaaten umzusiedeln. Hierzu müssten die Mitgliedstaaten ab jetzt jeden Monat mindestens 2.000 Flüchtlinge aus Griechenland und 1.000 aus Italien aufnehmen. Ab April 2017 müsste sich diese Zahl auf mindestens 3.000 Flüchtlinge pro Monat aus Griechenland und 1.500 aus Italien erhöhen.

Die Kommission arbeitet weiterhin eng mit den griechischen und italienischen Behörden und den übrigen Mitgliedstaaten daran, vor Ort bestehende Hindernisse für eine raschere Umverteilung zu beseitigen. Ferner hat die Kommission heute die Einstellung der Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien und Griechenland wegen Nichtanwendung der Eurodac-Verordnung beschlossen, da beide Mitgliedstaaten inzwischen bei nahezu allen Drittausländern, die illegal über eine Außengrenze in die EU einreisen, die vorgeschriebene Abnahme von Fingerabdrücken durchführen.

Die Mitgliedstaaten haben auch ihre Anstrengungen im Bereich der Neuansiedlung verstärkt und bisher 13.887 der insgesamt im Rahmen der Regelung vom Juli 2015 vereinbarten 22.504 Menschen legale und sichere Einreisemöglichkeiten angeboten. Seit dem letzten Bericht wurden 2.035 Menschen vor allem aus der Türkei, Jordanien und dem Libanon neu angesiedelt, so viel wie noch nie in einem einzigen Monat. Weitere 544 syrische Flüchtlinge wurden aus der Türkei neu angesiedelt. Damit erhöht sich die Zahl der im Rahmen der Erklärung EU-Türkei neu angesiedelten Personen aus der Türkei auf 2.761.

Weitere Informationen

Umverteilung und Neuansiedlung:

Bericht EU-Türkei

Dublin-Empfehlung:

EU-Kommisison, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 08.12.2016