Aktuelles

EuGH: Zur vergaberechtlichen Beurteilung der Übertragung von Aufgaben der Abfallentsorgung auf einen Zweckverband

Der EuGH hat heute sein Urteil in der Rs. C-51/15 (Remondis gegen Region Hannover) zur vergaberechtlichen Beurteilung der Übertragung von Aufgaben der Abfallentsorgung auf den Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover verkündet. Das OLG Celle hatte ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen gestellt.

Zum Sachverhalt (Rn. 1 und 2):

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.04.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge.

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Remondis GmbH & Co. KG Region Nord und der Region Hannover über die Rechtmäßigkeit der Übertragung von Aufgaben der Abfallentsorgung und -bewirtschaftung, mit denen die Region Hannover betraut war, auf den Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover.

Vorlagefragen des OLG Celle (Rn. 34):

  1. Stellt eine Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften, auf deren Grundlage die Gebietskörperschaften durch Satzungen einen gemeinsamen Zweckverband mit eigener Rechtspersönlichkeit gründen, der fortan bestimmte Aufgaben, die bislang den beteiligten Gebietskörperschaften oblegen haben, in eigener Zuständigkeit wahrnimmt, einen „öffentlichen Auftrag“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 dar, wenn dieser Aufgabenübergang Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie betrifft und entgeltlich erfolgt, der Zweckverband über die Wahrnehmung zuvor den beteiligten Körperschaften oblegener Aufgaben hinausgehende Tätigkeiten entfaltet und der Aufgabenübergang nicht zu „den zwei Arten von Aufträgen“ gehört, die, obwohl sie von öffentlichen Einrichtungen vergeben werden, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (zuletzt Urt. v. 13.06.2013, Piepenbrock, C‑386/11, EU:C:2013:385, Rn. 33 ff.) nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fallen?
  1. Soweit Frage 1 bejaht wird: Richtet sich die Frage, ob die Bildung eines Zweckverbands und der damit verbundene Aufgabenübergang auf diesen ausnahmsweise nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt, nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof betreffend Verträge zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person entwickelt hat, nach denen eine Anwendung des Vergaberechts der Union ausscheidet, wenn die Einrichtung über die betreffende Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die genannte Person zugleich im Wesentlichen für die Einrichtung oder die Einrichtungen tätig ist, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben (vgl. in diesem Sinne u.a. Urt. v. 18.11.1999, Teckal, C‑107/98, EU:C:1999:562, Rn. 50), oder finden demgegenüber die Grundsätze Anwendung, die der Gerichtshof betreffend Verträge entwickelt hat, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden Gemeinwohlaufgabe vereinbart wird (dazu: Urt. v. 19.12.2012, Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u.a., C‑159/11, EU:C:2012:817, Rn. 34 ff.)?

Urteil des EuGH: (Rn. 57):

Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass es sich bei einer Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht und auf deren Grundlage diese eine Satzung über die Gründung eines Zweckverbands – einer juristischen Person des öffentlichen Rechts – erlassen und dieser neuen öffentlichen Einrichtung Befugnisse zuweisen, die bisher diesen Körperschaften oblagen und fortan zu eigenen Aufgaben dieses Zweckverbands werden, nicht um einen öffentlichen Auftrag handelt.

Eine solche die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende Kompetenzübertragung liegt jedoch nur vor, wenn die Übertragung sowohl die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten als auch die damit einhergehenden Befugnisse betrifft, so dass die neuerdings zuständige öffentliche Stelle über eine eigene Entscheidungsbefugnis und eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob dies der Fall ist.

Ass. iur. Klaus Kohnen