Gesetzgebung

BMI: Neustrukturierung BKA-Gesetz – Ein übergreifendes Informationssystem in sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten

Mit dem heute vom Kabinett beschlossenen Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes gibt Bundesinnenminister de Maizière den Startschuss für das Projekt „Polizei 2020“. Durch das Gesetz soll der rechtliche Rahmen für eine grundlegende Modernisierung der polizeilichen IT-Systeme geschaffen werden. Diese stammen in ihrer Grundstruktur noch aus den 70er Jahren. De Maizière hatte seine Reformideen auf der letzten BKA-Herbsttagung vorgestellt.

„Wir können uns im 21. Jahrhundert keine zersplitterte IT-Landschaft mehr leisten“, sagte de Maizière mit Blick auf die Informationstechnik im Polizeibereich.

„Zahlreiche Eigenentwicklungen, Sonderlösungen, Schnittstellen, unterschiedliche Datenformate und Erhebungsregeln erschweren tagtäglich die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten. Das neue Gesetz leitet hier eine Zeitenwende ein. Wir ersetzen die bisherige polizeiliche Datenlandschaft als Teil eines groß angelegten Modernisierungsprojektes durch ein übergreifendes Informationssystem beim BKA. Dieses wird besser als bislang dazu beitragen, Informationen, die phänomenübergreifend zusammengehören, auch wirklich zusammenzuführen“, so de Maizière.

Der Startschuss für ein gewaltiges IT-Projekt. Doppelstrukturen bei den Ländern werden abgeschafft und einheitliche Standards geschaffen.

Durch die neue IT-Architektur wird die innere Sicherheit gestärkt. Informationen werden gezielter und leichter fließen, die Datenqualität wird verbessert und neue gemeinsame IT-Standards in unserer föderalen Sicherheitsarchitektur geschaffen.

„Das ist absolut notwendig für die optimale Nutzung der Ressourcen des Bundeskriminalamtes in diesen sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten“, fügte de Maizière hinzu.

Darüber hinaus wird auch der Datenschutz gestärkt. Das Gesetz setzt sowohl die Vorgaben des BVerfG vom April 2016 um als auch die neuen europarechtlichen Datenschutz-Anforderungen. Der polizeiliche Informationsverbund wird ein modernes Zugriffsmanagement erhalten, das die Zweckbindung der Daten technisch umsetzt. Der vom BVerfG entwickelte Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung ist das Leitbild für die neue Datenhaltung und -nutzung. Der Kernbereichsschutz, als der Schutz der engsten Privatsphäre, wird ausgebaut. Rechtsanwälte werden stärker geschützt als bisher.

Mit dem Gesetz wird zudem eine Befugnisnorm für die sogenannte elektronische Fußfessel für Gefährder geschaffen, an der sich künftig auch die Landespolizeigesetze orientieren können. Hierzu erklärte der Minister:

„Im Eiltempo haben wir jetzt die Grundlage dafür geschaffen, damit das BKA für Gefährder Aufenthaltsverbote erlassen und mit Hilfe von elektronischen Fussfesseln deren Einhaltung kontrollieren kann. Eine wichtige Maßnahme, um die Überwachung von gefährlichen Personen zu erleichtern. Ich hoffe, dass sich die Bundesländer, die regelmäßig für den Umgang mit Gefährdern verantwortlich sind, nun hieran orientieren und rasch ihrerseits vergleichbare Befugnisse schaffen.“

BMI, Pressemitteilung v. 01.02.2017

Redaktionelle Anmerkungen

1) Gesetzentwürfe

  • Bund: Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes
  • Bayern: Auf der Kabinettssitzung v. 24.01.2017 wurde ein Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) angekündigt. Die wesentlichen Stichworte der zu Grunde liegenden Pressemitteilung lauten:  präventiv-polizeiliche Befugnis für offene elektronische Aufenthaltsüberwachung (sog. elektronische Fußfessel); erleichterter Sicherheitsgewahrsam für Extremisten und Gefährder; Verlängerung der Speicherfristen für Videoaufzeichnungen auf zwei Monate (hierzu auch Änderung des BayDSG). Eine fortlaufend aktualisierte Gesetzgebungsübersicht nebst Verfahrensstand und amtlichen bzw. kommunalen Stellungnahmen finden Sie hier.

2) Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung

Im Hinblick auf die Verwendung von aus Überwachungsmaßnahmen gewonnener Daten präzisiert und konsolidiert das o.g. BVerfG-Urteil die Figur der „hypothetischen Neuerhebung“ als gedanklichen Ansatz zur Bestimmung der Zweckänderungsbedingungen. Siehe hierzu Leitsatz 2c des Urteils:

„Der Gesetzgeber kann darüber hinaus eine Nutzung der Daten auch zu anderen Zwecken als denen der ursprünglichen Datenerhebung erlauben (Zweckänderung).

Die Verhältnismäßigkeitsanforderungen für eine solche Zweckänderung orientieren sich am Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung. Danach muss die neue Nutzung der Daten dem Schutz von Rechtsgütern oder der Aufdeckung von Straftaten eines solchen Gewichts dienen, die verfassungsrechtlich ihre Neuerhebung mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln rechtfertigen könnten. Eine konkretisierte Gefahrenlage wie bei der Datenerhebung ist demgegenüber grundsätzlich nicht erneut zu verlangen; erforderlich aber auch ausreichend ist in der Regel das Vorliegen eines konkreten Ermittlungsansatzes.

Für Daten aus Wohnraumüberwachungen und Online-Durchsuchungen darf die Verwendung zu einem geänderten Zweck allerdings nur erlaubt werden, wenn auch die für die Datenerhebung maßgeblichen Anforderungen an die Gefahrenlage erfüllt sind.“