Gesetzgebung

Landtag: Europaausschuss kritisiert Qualifizierung der Landesparlamente als „stakeholder“

Nur 3 von insgesamt 27 EU-Mitgliedstaaten sind vollkommen föderativ strukturiert: die Bundesrepublik Deutschland, Österreich sowie Belgien. Dies ist eine Ursache, warum es regionale Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnis in der Europäischen Union schwer haben, als unmittelbar demokratisch legitimierte Institutionen wahrgenommen zu werden. In einem fraktionsübergreifenden Antrag forderten jetzt alle Mitglieder des Europaausschusses, dass in Brüssel die Rolle der Landesparlamente im Subsidiaritätsverfahren künftig angemessen berücksichtigt werden soll.

Anlass für den Antrag (LT-Drs. 17/15200) war der Jahresbericht 2015 der EU-Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität. Darin war nicht aufgezeigt worden, dass sich seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags neben den nationalen Parlamenten auch die regionalen Parlamente am Subsidiaritätsverfahren beteiligen. Der Bayerische Landtag tut dies in zweifacher Form: Zum einen werden Subsidiaritätsrügen, die per Beschluss festgestellt werden, der Staatsregierung übersandt, die diese wiederum in den Bundesrat einbringt; zum anderen pflegt das bayerische Parlament diesbezüglich auch einen direkten Dialog mit Brüssel, indem die Beschlüsse des Bayerischen Landtags in Subsidiaritätsangelegenheiten direkt an die Europäische Kommission übermittelt werden.

Der Bericht der Kommission enthält dazu keine Ausführungen. Stattdessen werden die Stellungnahmen des Landtags bei der Gruppe der „Interessenträger“ (stakeholder) aufgeführt. Eine solche Gleichstellung mit Unternehmen und gesellschaftlichen Organisationen werde dem hoheitlichen, demokratisch legitimierten Charakter subnationaler Gebietskörperschaften nicht gerecht, kritisierte 1. Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet, der als Berichterstatter und „spiritus rector“ an der Sitzung des Europaausschusses teilnahm. Bocklet hatte sich diesbezüglich auch mit einem Schreiben direkt an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gewandt und die Kommission aufgefordert, die bestehende Praxis zu ändern. Die Qualifizierung der Landesparlamente als stakeholder kritisierte auch Ausschussvorsitzender Dr. Franz Rieger (CSU): Der Landtag werde hier etwa mit einem Kunststoffverband gleichgestellt, sagte er. Dem pflichtete der stellvertretende Ausschussvorsitzende Georg Rosenthal (SPD) bei:

„Eine Gleichstellung an dieser Stelle ist nicht gerechtfertigt. Wir wollen eine stärkere Rolle der regionalen Parlamente in der Europäischen Union.“

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 07.02.2017 (von Katja Helmö)

Redaktionelle Hinweise

Vgl. auch die Veranstaltungsreihe des Bayerischen Landtags „Rolle und Zukunft der Landesparlamente“, die sich am 08.04.2016 dem Thema widmete, welche Rolle die Landesparlamente in der EU spielen. Diese Veranstaltung wurde vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet und auf BR alpha im Rahmen der Sendung „Denkzeit“ am 23.04.2016 ausgestrahlt. Die Sendung ist in der Mediathek abrufbar: http://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/programmkalender/sendung-1269246.html. Empfohlen seien insbesondere die Ausführungen von 1. Landttagsvizepräsidenten Reinhold Bocklet (ab Minute 7:09).

Um einer möglichen Marginalisierung der Landesparlamente durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU, bei der die Länder im Bundesrat nur auf Ebene der Exekutive mitwirken, entgegen zu wirken, wurde zuletzt Art. 70 Abs. 4 BV geändert (GVBl. 2013, S. 640). Hiernach kann die Staatsregierung hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens im Bundesrat durch Gesetz gebunden werden, wenn das Recht der Gesetzgebung des Landtags durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union betroffen ist.