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BVerwG: Ausweisung eines Flüchtlings wegen Unterstützung der PKK

Sachgebiet: Ausländer- und Asylrecht / BVerwG, Urt. v. 22.02.2017 – BVerwG 1 C 3.16 / Weitere Schlagworte: seit 01.01.2016 geltendes Ausweisungsrecht; gebundene Ausweisung; Ausweisungsinteresse anerkannten Flüchtlings; unionsrechtskonforme Auslegung; Unterstüztung einer terroristischen Vereinigung; Vergünstigungen eines Flüchtlings nach Wegfall des Aufenthaltstitels; Verschlechterungsverbot nach dem Assoziationsrecht EWG-Türkei

Leitsätze:

  1. Das seit 01.01.2016 geltende Ausweisungsrecht nach §§ 53 ff. AufenthG ersetzt das bisherige dreistufige System der Ist-, Regel- und Kann-Ausweisung durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte gebundene Ausweisung.
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    Rechtsgrundlage für die Ausweisung eines Flüchtlings ist nach der seit 01.01.2016 geltenden neuen Rechtslage § 53 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 3 AufenthG. Diese nationalen Vorschriften sind unionsrechtskonform am Maßstab der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU auszulegen. Dabei sind insbesondere Art. 21 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie zu beachten.

  1. Der bisherige Regelausweisungstatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung nach § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. wurde zu einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n.F. unter Beibehaltung seines Bedeutungsgehalts hochgestuft.
  1. Die langjährige Unterstützung der als terroristische Vereinigung eingestuften PKK in Deutschland durch Wahrnehmung von Vorstandsämtern in Unterstützervereinen, als Versammlungsleiter und Redner kann auch bei einem anerkannten Flüchtling ein Ausweisungsinteresse begründen, das die unionsrechtlichen Voraussetzungen für den Entzug des Aufenthaltstitels wegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU erfüllt.
  1. Ein Flüchtling hat auch nach Wegfall seines Aufenthaltstitels – solange er den Flüchtlingsstatus besitzt – weiterhin Anspruch auf die Vergünstigungen, die die EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU in Kapitel VII jedem Flüchtling gewährt, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift.
  1. Die zum 01.01.2016 eingeführte Neuregelung des Ausweisungsrechts verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot nach dem Assoziationsrecht EWG-Türkei soweit es die bisherige Ermessensausweisung durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte gebundene Ausweisung abgelöst hat.