Gesetzgebung

Staatskanzlei: Ministerrat will in kommender Bundesratssitzung Entscheidung über das Gesetz zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten herbeiführen

Bayern will am Freitag im Bundesrat über die Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten um Algerien, Marokko und Tunesien abstimmen lassen. Die Staatsregierung hat dazu das bereits vom Bundestag beschlossene, am 17.06.2016 von der Tagesordnung des Bundesrates abgesetzte Gesetz wieder aufsetzen lassen. Die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat hätte zur Folge, dass für einen Asylbewerber aus diesem Staat eine gesetzliche Vermutung der Nichtverfolgung besteht. Bei Ablehnung eines Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ wird das Asylverfahren erheblich beschleunigt; es gelten verkürzte Ausreise- und Rechtsschutzfristen. Allerdings ist die gesetzliche Vermutung der Nichtverfolgung im Einzelfall widerlegbar, falls der Ausländer nachvollziehbar begründen kann, dass ihm in seinem konkreten Einzelfall abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.

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Bundesratsminister Dr. Marcel Huber:

„Bayern will im Bundesrat ein klares Bekenntnis der grün mitregierten Länder einfordern, ob sie auf ihrer Ablehnung beharren oder endlich die Realitäten anerkennen. Asylanträge aus den Maghreb-Staaten haben praktisch keine Aussicht auf Erfolg, da sie ganz überwiegend rein wirtschaftlich motiviert sind. Wer sich der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten verweigert, toleriert letztlich Missbrauch und gefährdet das Funktionieren unseres Asylrechts. Solidarität kann es nur für die wirklich Schutzbedürftigen geben und auf diese müssen wir uns konzentrieren. Ich hoffe, dass die Landesregierungen mit Beteiligung der Grünen sich jetzt endlich bewegen, denn das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet. Hieran ändert das vorliegende Gesetz nichts. Somit steht der Zustimmung zur Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsländer um die Maghreb-Staaten nichts entgegen.“

Staatskanzlei, Bericht aus der Kabinettssitzung, Pressemitteilung v. 07.03.2017

Redaktionelle Anmerkung

Das Gesetz zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten war ursprünglich Teil des sog. Asylpakts II, dem darüber hinaus noch das am 16.03.2016 verkündete Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren v. 11.03.2016 zugehört (BGBl I, S. 390). Da der Aspekt der „sicheren Herkunftsstaaten“ bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme immer wieder eine Rolle spielt, anbei einige grundsätzliche Ausführungen hierzu (ursprünglich verfasst für den Newsletter zum Asylrecht der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm – vielen Dank dem Verlag, den Ausschnitt hier in redigierter Form veröffentlichen zu können).

Aspekt „sichere Herkunftsstaaten“

Die „sicheren Herkunftsstaaten“ i.S.v. Art. 16a Abs. 3 GG sind in Anlage 2 zu § 29a AsylG benannt. Der Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, er kann glaubhaft machen, dass ihm entgegen der gesetzlichen Regelvermutung Verfolgung droht.

Es kommt also auch in diesen Fällen zu einem individuellen Asylverfahren mit Anhörung. Die Regelung der sicheren Herkunftsländer wirkt sich jedoch deutlich beschleunigend aus, da in vielen Fällen der Sachvortrag des Asylbegehrenden zur Widerlegung der Regelvermutung nicht ausreichend ist und dadurch zeitaufwändige Beweiserhebungen und Sachverhaltsaufklärungen durch das BAMF entfallen. Zudem sind bei Asylanträgen, die als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden, die Anfechtungsfristen verkürzt (Ausreisefrist eine Woche, § 36 Abs. 1 AsylG; Klageerhebung binnen einer Woche, § 74 Abs. 1 AsylG; keine aufschiebende Wirkung der Klage, § 75 Abs. 1 AsylG; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ebenfalls binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu stellen, § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG; das Gericht soll grundsätzlich innerhalb einer Woche über den Antrag entscheiden, § 36 Abs. 3 Satz 5 AsylG). 

Mit dem Gesetz vom 31.10.2014 zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer (BGBl. I S. 1649) wurden Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen.

Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.10.2015 (BGBl. I S. 1722) wurde auch die Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten beschlossen. Zuvor war eine entsprechende Initiative des Freistaats im Bundesrat noch gescheitert (auf der 932. Sitzung am 27.03.2015 wurde beschlossen, den entsprechenden Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten nicht beim Bundestag einzubringen).

Im Zuge des Asylpakets II sollten ursprünglich auch die Demokratischen Volksrepublik Algerien, das Königreich Marokko und die Tunesischen Republik in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen werden.

Unterdessen hat der Freistaat Bayern Mitte Januar 2016 die nächste Bundesratsinitiative beschlossen und im Rahmen eines Entschließungsantrags beantragt zu prüfen, ob auch Armenien, Algerien, Bangladesch, Benin, Gambia, Georgien, Indien, Mali, Mongolei, Nigeria, Republik Moldau, Ukraine, Marokko und Tunesien in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufzunehmen seien. Der Antrag wurde auf der 941. Sitzung am 29.01.2016 dem Innenausschuss zugewiesen.

Auch auf europäischer Ebene wird im Zuge der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an einer Liste sicherer Herkunftsstaaten gearbeitet. Bisher sieht die Asylverfahrens-Richtlinie (RL 2013/32/EU) lediglich Vorgaben für die nach nationalem Recht zu treffende Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“ vor.

Ass. iur. Klaus Kohnen