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BVerwG zur maßstabsprägenden Wirkung aufgelassener Hofstellen im Innenbereich

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BVerwG, Urt. v. 08.12.2016 – 4 C 7.15 / Weitere Schlagworte: Unbeplanter Innenbereich; Maß der baulichen Nutzung; Einfirsthof; landwirtschaftliche Nebengebäude; Maßbestimmungsfaktoren; Gesamtbetrachtung der Maßfaktoren; Geschosszahl

von Oberlandesanwältin Elisabeth Steiner, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsätze des BVerwG:

  1. Baulichkeiten können auch dann die Eigenart der näheren Umgebung prägen, wenn sie nicht imstande sind, einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden (Abgrenzung zu BVerwG, Urt. v. 30.06.2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275).
  1. Ein Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es dort Referenzobjekte gibt, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschossfläche und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar sind. Die Übereinstimmung in nur einem Maßfaktor genügt nicht.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

Dem Rechtsstreit lag die Frage zu Grunde, ob die großzügige Kubatur einer landwirtschaftlichen Hofstelle im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB als Maßstab für ein Wohnbauvorhaben herangezogen werden kann.

Vorliegend sollte die Gebäudehülle eines ehemaligen Einfirsthofs (Wohn- und Stallgebäude unter einem Dach, insgesamt 30×13 m) zu einem Wohn- und Gewerbekomplex umgebaut werden. Das Landratsamt hatte eine Genehmigungsfähigkeit des Umbaus verneint, weil sich für das Maß der Nutzung des beantragten Vorhabens in dem umgebenden Dorfgebiet kein Vorbild finde. Im gerichtlichen Verfahren hatte der Beklagte für diese Rechtsauffassung insbesondere auf das Urteil des erkennenden Senats des BVerwG vom 30.06.2015 (4 C 5.14, sog. Gewächshausentscheidung), verwiesen. Dort hatte das BVerwG Gewächshäusern als nur vorübergehend genutzten, nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmten Baulichkeiten in aller Regel die Kraft abgesprochen, ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darzustellen (Rn. 19).

Für den vorliegend zur Entscheidung stehenden Einfirsthof hat das BVerwG wie schon zuvor der BayVGH auf die bauliche Einheit von Wohn- und Stalltrakt verwiesen und für den gesamten Baukörper eine prägende Wirkung bejaht.

Ob auch ein freistehendes Stallgebäude maßstabsbildend wirkt, lässt sich der Entscheidung aber wohl nicht entnehmen. Denn die Entscheidung verhält sich nicht dazu, welcher Natur die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Maßstabsbildung außer Acht zu lassende Bebauung sein könnte, „die nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen“ (BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 – 4 C 23.86). Auf die in der Gewächshausentscheidung referierte Rechtsprechung zu Nebenanlagen „in einem weiteren Sinne“ kann dabei nicht zurückgegriffen werden: Wie der Leitsatz 1 deutlich macht, sollen die dort im Rahmen des Tatbestandsmerkmals des Bebauungszusammenhangs getroffenen Aussagen nicht auf das Tatbestandsmerkmal der „Eigenart der näheren Umgebung“ übertragbar sein.

Eindeutig ist dagegen die in Leitsatz 2 der Entscheidung getroffene Aussage, dass die das Maß der baulichen Nutzung bestimmenden Maßfaktoren nicht jeweils isoliert der Umgebungsbebauung entnommen werden können. Während der Maßstab für Art und Maß jeweils aus unterschiedlichen Gebäuden der näheren Umgebung gewonnen werden kann, ist ein Zurückgreifen auf verschiedene Gebäude bei den einzelnen Maßfaktoren (Grundfläche, Geschosszahl oder Höhe) nicht möglich (keine „Rosinenpickerei“ bei den Maßfaktoren). Wirkt ein Gebäude daher wie vorliegend dreigeschossig, so muss sich auch ein in Grundfläche und Höhe vergleichbares dreigeschossiges Gebäude als Vorbild finden lassen.

Net-Dokument: BayRVR2017031501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

Titelfoto/-abbildung: (c) Antje Lindert-Rottke – Fotolia.com

Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Elisabeth Steiner ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Baurecht sowie das Recht des öffentlichen Dienstes für Landesbeamte zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB