Aktuelles

BayVGH: Feststellung der Minderjährigkeit bedarf einer qualifizierten Inaugenscheinnahme

Sachgebiete: Ausländer- und Asylrecht; Sozial-, Jugendschutz-, Kindergartenrecht / BayVGH, Beschl. v. 05.04.2017 – 12 BV 17.185 / Weitere Schlagworte: vorläufige Inobhutnahme minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge; Bestätigung der Rechtsprechung

Leitsätze:

  1. Anzeige

    „Zweifel“ bei der Feststellung des Alters i.S.v. § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (Bestätigung von BayVGH, Beschl. v. 16.08.2016 – 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22] Rn. 18; Beschl. v. 18.08.2016 – 12 CE 16.1570 – juris, Rn. 14; Beschl. v. 13.12.2016 -12 CE 16.2333 – juris, Rn. 26).

  2. Das Vorliegen eines „Zweifelsfalls“ i.S.v. § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (Bestätigung von BayVGH, Beschl. v. 16.08.2016 – 12 CS 16. 1550 -, BayVBl. 2017, 21 [22 f.] Rn. 19 f.; Beschl. v. 18.08.2016 – 12 CE 16.1570 – juris, Rn. 15 f.; Beschl. v. 13.12.2016 – 12 CE 16.2333 – juris, Rn. 27 f.).
  3. Anzeige

    Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist und alle bekannten Verfahren lediglich Näherungswerte liefern können, kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts (§ 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII) lediglich dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden oder evidenter Minderjährigkeit festzustellen. In allen anderen Fällen – namentlich im Grenzbereich zwischen Volljährigkeit und Minderjährigkeit – ist hingegen regelmäßig vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt (Bestätigung von BayVGH, Beschl. v. 16.08.2016 – 12 CS 16.1550 – BayVBl. 2017, 21 [22 f.] Rn. 23 f.; Beschl. v. 18.08.2016 – 12 CE 16.1570 – juris, Rn. 19 f.; Beschl. v. 13.12.2016 – 12 CE 16.2333 – juris, Rn. 31 f.).