Aktuelles

EU-Kommission: EU-Justizbarometer 2017 – Justizsysteme werden effektiver

Die Dauer zivil- und handelsrechtlicher Streitigkeiten in Europa nimmt tendenziell ab. Deutschland liegt mit durchschnittlich 190 Tagen in erster Instanz im europäischen Mittelfeld. Dies ist ein Ergebnis des heute (Montag) von der Europäische Kommission vorgestellten Justizbarometers 2017. Diese Verbesserung ist im Vergleich mit der Lage vor fünf Jahren deutlicher zu erkennen als bei kurzfristiger Betrachtung. Das Justizbarometer gibt einen vergleichenden Überblick über die Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme der Mitgliedstaaten. Es zeigt Trends bei der Arbeitsweise nationaler Justizsysteme auf.

„Die 5. Ausgabe des Justizbarometers bestätigt, dass effiziente Justizsysteme unerlässlich sind, um Vertrauen in ein unternehmens- und investitionsfreundliches Umfeld im Binnenmarkt aufzubauen“, sagte Vĕra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung.

„Ich fordere die Mitgliedstaaten auf zu gewährleisten, dass bei Justizreformen die Rechtsstaatlichkeit und die richterliche Unabhängigkeit gewahrt bleiben. Dies ist von zentraler Bedeutung, damit Bürger und Unternehmen ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können. Eine unabhängige, gut funktionierende Justiz ist ein Grundpfeiler jeder Demokratie“, so Jourová.

Im Justizbarometer wird nicht eine Art Rangliste erstellt, sondern ein Überblick über alle Justizsysteme vermittelt. Das Justizbarometer fördert kein bestimmtes Justizsystem. Alle Mitgliedstaaten sind gleichberechtigt. Zu den Parametern einer leistungsfähigen Justiz gehören zügige Verfahren, Unabhängigkeit, Erschwinglichkeit und leichter Zugang.

Die wichtigsten Ergebnisse der Ausgabe 2017 im Überblick:

  • Kürzere Zivil- und Handelsgerichtsverfahren: Dies gilt auch für eine Reihe von Mitgliedstaaten, deren Justizsystem vor Herausforderungen steht. Diese Verbesserung ist im Vergleich mit der Lage vor fünf Jahren deutlicher zu erkennen als bei kurzfristiger Betrachtung.
  • Analyse der Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts: Für die Durchsetzung des EU-Verbraucherschutzrechts sind die Mitgliedstaaten zuständig. Wie das Justizbarometer zeigt, ist die Dauer der Verwaltungsverfahren und der gerichtlichen Überprüfung auf diesem Gebiet je nach Land sehr unterschiedlich. Es zeigt ferner, dass viele Verbraucherprobleme von den Verbraucherschutzbehörden direkt gelöst werden und nicht die Gerichte beschäftigen müssen.
  • Analyse der Bekämpfung der Geldwäsche: Wie in der 4. Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche vorgeschrieben, haben die Mitgliedstaaten zum ersten Mal Daten in diesem Bereich zur Verfügung gestellt. Danach ist die Dauer von Verfahren wegen Geldwäschedelikten sehr unterschiedlich – sie reicht von unter sechs Monaten bis zu fast drei Jahren.
  • Beschränkter Zugang zur Justiz für ärmere Bürger: Das Justizbarometer zeigt, dass in einigen Mitgliedstaaten Bürgerinnen und Bürgern, deren Einkommen unter der Armutsschwelle liegt, für bestimmte Arten von Streitigkeiten keine Prozesskostenhilfe gewährt wird.
  • Nutzung von IKT-Instrumenten in einigen Ländern noch begrenzt: IKT-Instrumente werden zwar weithin für die Kommunikation zwischen Gerichten und Rechtsanwälten genutzt, aber in mehr als der Hälfte der EU-Länder kaum für die elektronische Unterschrift. Neue Daten zur Art und Weise, wie Rechtsanwälte IKT für ihre Kommunikation mit den Gerichten nutzen, unterstreichen einmal mehr, wie wichtig elektronische Kommunikation für gut funktionierende Justizsysteme ist.
  • Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz durch die breite Öffentlichkeit verbessert oder stabil: Dies gilt anders als noch 2016 für mehr als zwei Drittel der Mitgliedstaaten. Bei der Wahrnehmung durch Unternehmen ist dieser Trend seit 2010 zu beobachten. Als Gründe für den wahrgenommenen Mangel an Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern wurden am häufigsten Einflussnahme oder Druck durch Staat und Politiker genannt. Die Ausgabe 2017 stellt auch Daten zu den Garantien vor, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten bestehen, um die Unabhängigkeit der Richter zu gewährleisten. Dies entspricht der großen Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit für die EU.
  • Qualitätsstandards: Die meisten Mitgliedstaaten verfügen über Standards in Form von Fristen oder Zeitrahmen, um langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Solche Standards bestehen jedoch nicht in einigen Mitgliedstaaten mit weniger effizienten Justizsystemen.

Weitere Informationen:

EU-Kommission, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 10.04.2017