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EU-Kommission: Staatliche Beihilfen – Kommission genehmigt Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung in Deutschland

Die Europäische Kommission hat heute (Freitag) die Errichtung eines mit € 24 Mrd. ausgestatteten Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung in Deutschland genehmigt. Deutschland beabsichtigt, die Verpflichtungen in Bezug auf die Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente von den Kernkraftwerksbetreibern auf den Bund zu übertragen. Zu diesem Zweck wird ein neuer öffentlich-rechtlicher Fonds errichtet und mit den notwendigen Mitteln ausgestattet.

Als Gegenleistung für die Befreiung von ihren Verpflichtungen im Zusammenhang mit radioaktiven Abfällen müssen die Kernkraftwerksbetreiber in Deutschland Barmittel von insgesamt rd. € 24,1 Mrd. in den neuen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen. Dieser speist sich aus einem Grundbetrag, der den von den Betreibern bereits für diesen Zweck gebildeten Rückstellungen entspricht, und einem Risikoaufschlag, mit dem das Risiko künftiger Kostensteigerungen abgedeckt werden soll.

Nach den EU-Verträgen können die Mitgliedstaaten ihren Energiemix selbst bestimmen und sich dafür entscheiden, in Kerntechnologie zu investieren. Aufgabe der Kommission ist es, dafür zu sorgen, dass die Gewährung öffentlicher Mittel zur Unterstützung von Unternehmen im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften erfolgt.

Die Kommission kam bei ihrer Prüfung zu dem Schluss, dass die Entscheidung Deutschlands zur Übernahme der Haftung für die Entsorgung radioaktiver Abfälle eine staatliche Beihilfe beinhaltet, da die Gesamtkosten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind und die geplante Zahlung von rd. € 24,1 Mrd. Deutschland nicht in vollem Umfang vor Kostenüberschreitungen schützen wird.

Zwar liegen dem in den neuen öffentlich-rechtlichen Fonds einzuzahlenden Betrag die besten derzeit verfügbaren Kostenschätzungen zu Grunde, diese Berechnungen sind aber aus verschiedenen Gründen sehr unsicher. Vor allem hat Deutschland noch keinen Standort für die Endlagerung radioaktiver Abfälle festgelegt, und es gibt keine vergleichbaren Kosten-Benchmarks für den Bau einer entsprechenden Anlage.

Wichtigstes Ziel der Beihilfemaßnahme ist es, dafür zu sorgen, dass die öffentliche Hand über die für die Entsorgung radioaktiver Abfälle erforderlichen Mittel verfügt, und diese Mittel auch für den Fall einer Änderung der finanziellen Situation der Kernkraftwerksbetreiber zu sichern. Die Bundesregierung sieht die Maßnahme angesichts ihrer 2011 getroffenen Entscheidung, bis 2022 aus der Stromerzeugung durch Kernkraft auszusteigen, als notwendig an. Ohne die Maßnahme könnte Deutschland im Falle finanzieller Schwierigkeiten der Kernkraftwerksbetreiber gezwungen sein, die Kosten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle in vollem Umfang zu tragen.

Die Kommission befand, dass die gewährte Unterstützung nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgeht, und dass die durch sie hervorgerufenen Wettbewerbsverfälschungen begrenzt sind.

EU-Kommission, Vertretung in Deutschland, Pressemitteilung v. 16.06.2017

Redaktionelle Anmerkungen

  • Stellungnahme des BMWi zur Entscheidung der EU-Kommission: hier.

Gegenstand der beihilferechtlichen Entscheidung der EU-Kommission ist das „Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung“, das am 02.02.2017 verkündet worden ist (BGBl I S. 114). Nach dessen Art. 10 „tritt [dieses Gesetz] an dem Tag in Kraft, an dem die Europäische Kommission die beihilferechtliche Genehmigung erteilt oder verbindlich mitteilt, dass eine solche Genehmigung nicht erforderlich ist; das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt den Tag des Inkrafttretens im Bundesgesetzblatt bekannt“.

  • Zu amtlichen bzw. kommunalen Meldungen in diesem Kontext: hier.
  • Zum Vorgang im DIP: hier.

Derweil wurde am 15.05.2017 das „Gesetz zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze“ verkündet (BGBl I S. 1106), dessen Art. 1 das neue Standortauswahlgesetz (StandAG) enthält.

  • Zu amtlichen bzw. kommunalen Meldungen in diesem Kontext: hier.
  • Zum Vorgang im DIP: hier.

Das Standortauswahlverfahren dient dazu, den Standort in Deutschland zu finden, der für die insbesondere hochradioaktiven Abfälle die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren für ein Endlager gewährleistet. Ausgangspunkt der Suche ist eine sog. weiße Landkarte. Das novellierte StAG geht auf die Empfehlungen der Endlagerkommission zurück und setzt neue Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen, Abwägungskriterien und weitere Entscheidungsgrundlagen für das Standortauswahlverfahren fest. Das Gesetz sieht eine mehrphasige Suche nach einem Standort mit „bestmöglicher Sicherheit“ und eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit insbesondere in den betroffenen Standortregionen vor. In drei Phasen werden die Suchräume zunehmend eingeengt. Die Vorschläge der Bundes-Gesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) werden am Ende jeder Phase vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) geprüft. Auf dieser Basis unterrichtet das Bundesumweltministerium den Bundestag und den Bundesrat über die jeweils vorgeschlagenen weiteren Schritte. Die jeweiligen Phasen enden mit einem Bundesgesetz.

  • Phase 1: Ermittlung der Standortregionen für die übertägige Erkundung
    Die BGE sammelt vorhandene geowissenschaftlichen Daten der Länder, bereitet diese auf und wendet die geowissenschaftlichen Kriterien und Anforderungen an. Als Ergebnis veröffentlicht sie ihren Vorschlag für Teilgebiete, den die vom BfE einzuberufende Fachkonferenz Teilgebiete aus Bürgerinnen und Bürgern und Gemeindevertretern aus diesen Gebieten sowie aus Experten erörtert. Die BGE führt repräsentative vorläufige Sicherheitsuntersuchungen für die Teilgebiete durch und entwickelt die Erkundungsprogramme für die übertägige Erkundung. Das BfE prüft diese. Sobald die Standortregionen durch die BGE vorgeschlagen werden, richtet das BfE für das weitere Verfahren je eine „Regionalkonferenz“ ein, über die die Öffentlichkeit in der jeweils betroffenen Region zum Vorschlag Stellung nehmen und eine Nachprüfung fordern kann. Im vom BfE zusätzlich einzurichtenden „Rat der Regionen“ kommen Vertreter der Regionalkonferenzen mit Vertretern der Zwischenlagergemeinden zusammen und begleiten das Verfahren aus überregionaler Sicht.
  • Phase 2: Ermittlung der Standorte für die untertägige Erkundung
    Die BGE erkundet die Standortregionen übertägig, führt weiterentwickelte vorläufige Sicherheitsuntersuchungen sowie sozioökonomische Potenzialanalysen durch. Die BGE wendet zur Ermittlung der Standorte für die untertägige Erkundung erneut die gesetzlich festgelegten Kriterien und Anforderungen an und erarbeitet Erkundungsprogramme und Prüfkriterien für die untertägige Erkundung. Das BfE prüft diese.
  • Phase 3: Einengung und Festlegung des Standortes für die Endlagerung
    Die BGE erkundet die Standorte untertägig, wendet die für diese Erkundung festgelegten Prüfkriterien an, und führt umfassende vorläufige Sicherheitsuntersuchungen durch. Die BGE wendet zur Ermittlung der Standorte erneut die gesetzlich festgelegten Kriterien und Anforderungen an und erstellt auf Grundlage einer vergleichenden Bewertung einen Standortvorschlag für das Endlager einschließlich eines zugrunde liegenden Standortvergleichs von mindestens zwei Standorten. Das BfE prüft diese.

Ass. iur. Klaus Kohnen