Gesetzgebung

Landtag: Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen – Beschlussempfehlung mit Bericht

Der federführende Ausschuss hat zu o.g. Gesetzentwurf der Staatsregierung die Beschlussempfehlung mit Bericht vorgelegt (LT-Drs. 17/17415 v. 22.06.2017). Er hat Zustimmung mit der Maßgabe von Änderungen empfohlen. Den Änderungen liegt der Antrag auf LT-Drs. 17/17058 zu Grunde. Dieser betrifft die Verwendung des Begriffs „Angriffe“ anstelle von „Gewalttaten“ in der Neufassung von Art. 11 Abs. 3 PAG. Art. 11 PAG lautet hiernach wie folgt (Änderungen durch den Gesetzentwurf gefettet bzw. durchgestrichen, Änderungen durch den Änderungsantrag darüber hinaus farbig):

Art. 11 Allgemeine Befugnisse

(1) Die Polizei kann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die Art. 12 bis 48 die Befugnisse der Polizei besonders regeln.

(2) 1Eine Maßnahme im Sinn des Absatzes 1 kann die Polizei insbesondere dann treffen, wenn sie notwendig ist, um

1. Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden,
2. durch solche Handlungen verursachte Zustände zu beseitigen oder
3. Gefahren abzuwehren oder Zustände zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit der Person oder die Sachen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen.

2Straftaten im Sinn dieses Gesetzes sind rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen. 3Ordnungswidrigkeiten im Sinn dieses Gesetzes sind rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen. 4Verfassungsfeindlich im Sinn des Satzes 1 Nr. 1 ist eine Handlung, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder auf verfassungswidrige Weise zu stören oder zu ändern, ohne eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu verwirklichen.

(3) 1Die Polizei kann unbeschadet der Abs. 1 und 2 die notwendigen Maßnahmen treffen, um den Sachverhalt aufzuklären und die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu verhindern, wenn im Einzelfall 

1. das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet oder
2. Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen zulassen, 

wonach in absehbarer Zeit Gewalttaten Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind (drohende Gefahr), soweit nicht die Art. 12 bis 48 die Befugnisse der Polizei besonders regeln. 2Bedeutende Rechtsgüter sind 

1. der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes,
2. Leben, Gesundheit oder Freiheit,
3. die sexuelle Selbstbestimmung,
4. erhebliche Eigentumspositionen oder
5. Sachen, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse liegt. 

(3 4) 1Zur Erfüllung der Aufgaben, die der Polizei durch andere Rechtsvorschriften zugewiesen sind (Art. 2 Abs. 4), hat sie die dort vorgesehenen Befugnisse. 2Soweit solche Rechtsvorschriften Befugnisse der Polizei nicht regeln, hat sie die Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen.

Zur Begründung dieser Änderung vgl. den zu Grunde liegenden Antrag.

Weitere Informationen

  • Stichworte: Änderungen des PAG, BayDSG, LStVG; Einführung der sog. drohenden Gefahr als zusätzliche Gefahrbegriffskategorie; hieran anknüpfend Ausweitung von Generalklausel und Standardbefugnissen; Einfügung einer zusätzlichen Tatbestandsvariante zur rechtsgüterbezogenen Gefahrenabwehr bei der Erkennungsdienstlichen Behandlung; Schaffung einer speziellen Befugnis zu orts- und gebietsbezogenen Aufenthaltsge- und verboten sowie Kontaktverboten, zu deren Überwachung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ggf. auch die EAÜ angeordnet werden kann; Ergänzung des Gewahrsams um die Einfügung einer zusätzlichen Alternative der Abwehr einer Gefahr für bestimmte hochrangige Rechtsgüter sowie um den weiteren möglichen Gewahrsamsgrund des Nichtbefolgens einer angeordneten EAÜ-Maßnahme; Ausdrückliche Regelung von bestimmten Überwachungsmaßnahmen, insbesondere auch einer optischen und technischen Überwachung, bei Personen im polizeilichen Präventivgewahrsam durch Bezugnahme auf die Bestimmungen im BayStVollzG; Aufhebung der bisherigen gesetzlich absoluten Befristung der ohnehin richterlicher Entscheidung unterliegenden (Höchst)Dauer des Präventivgewahrsams von 14 Tagen; zugleich Schaffung einer flankierenden Verfahrensregelung, auf Grund derer eine hinreichende gerichtliche Überprüfung der Gewahrsamsvoraussetzungen gewährleistet ist; Erstreckung der bestehenden Befugnisse zur Durchsuchung von Personen auf Situationen drohender Gefahr; Wiedereinführung einer zweimonatigen Höchstspeicherfrist bei offenen Bild- und Tonaufzeichnungen nach Art. 32 PAG sowie Art. 21a BayDSG (bisher drei Wochen); Einfügung der neuen spezialgesetzlichen Befugnis zu einer (grds. richterlichen) Anordnung einer offenen EAÜ und der damit einhergehenden polizeilichen Datenerhebung sowie weiteren Verarbeitung in einem neu zu schaffenden Art. 32a PAG; Schaffung einer klaren gesetzlichen Regelung für präventivpolizeiliche Maßnahmen der Quellen-TKÜ (Überwachung des Inhalts von verschlüsselter Kommunikation, indem diese vor der Verschlüsselung beim Versender oder nach der Entschlüsselung beim Empfänger ausgeleitet wird); punktuelle Anpassung der Regelungen über die Verkehrsdatenerhebung an die aktuelle Fassung des TKG.
  • Vgl. auch Brodmerkel, Der Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen – Gelungen mit Einschränkungen und Heidebach, Der Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen – Wider rechtsstaatliche Kernsätze des Polizeirechts (beide zur Fassung des Gesetzentwurfs im Rahmen der Verbändeanhörung)
  • Verfahrensverlauf, ggfls. Beiträge und amtliche bzw. kommunale Stellungnahmen auf einen Blick: hier.
  • Vorgangsmappe des Landtags: hier.

Sonstiges

Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

(koh)