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BayVerfGH: Austausch digitaler und analoger Hörfunkprogramme – Popularklage abgewiesen [Austausch von BR-Klassik gegen das Programm PULS auf der UKW-Frequenz]

Der BayVerfGH hat zur Entscheidung v. 17.07.2017 über eine Popularklage auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Einrichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ (Bayerisches Rundfunkgesetz – BayRG) in der Fassung der Bek. v. 22.10.2003 (GVBl S. 792), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes v. 20.12.2016 (GVBl S. 427) geändert worden ist, nachfolgende Pressemitteilung veröffentlicht.

I.

Die Popularklage betrifft die Frage, ob Art. 2 Abs. 4 BayRG, der den Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Hörfunkprogramms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Hörfunkprogramm zulässt, wenn die Anzahl der analogen Hörfunkprogramme nicht vergrößert wird und dadurch insgesamt keine Mehrkosten entstehen, mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist. Hintergrund der Popularklage ist ein Beschluss des Rundfunkrats vom 10.07.2014, wonach der Bayerische Rundfunk beabsichtigt, das bislang auch analog über UKW ausgestrahlte Hörfunkprogramm BR-Klassik ab dem Jahr 2018 nur noch digital zu verbreiten und stattdessen das bislang nur digital verbreitete Jugendprogramm PULS auch analog zu verbreiten. Mit der Aufschaltung von PULS auf die UKW-Frequenz soll dessen Reichweitenanteil deutlich erhöht werden.

II.

1. Die Antragsteller, Musiker und Liebhaber klassischer Musik, sind der Ansicht, Art. 2 Abs. 4 BayRG, der den geplanten Frequenzwechsel ermöglichen solle, sei mit dem Rundfunkstaatsvertrag nicht vereinbar und verstoße gegen die Bayerische Verfassung. Aus der Rundfunkfreiheit und dem vom Schutzbereich des Grundrechts umfassten Grundversorgungsauftrag ergebe sich eine Verpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seine Programme in einer technischen Form zu verbreiten, die für die Mehrheit der Hörer auch tatsächlich zu empfangen sei. Wenn Hörer erst ein Digitalradio erwerben müssten, liege hierin eine unzulässige Erschwernis. Dadurch sei auch die Rundfunkempfangsfreiheit verletzt.

2. Der Bayerische Landtag, die Bayerische Staatsregierung und der Bayerische Rundfunk haben Bedenken gegen die Zulässigkeit der Popularklage und halten diese für jedenfalls unbegründet.

III.

Der BayVerfGH hat die Popularklage am 17.07.2017 abgewiesen. Die Entscheidung stützt sich auf folgende Grundsätze:

  1. Art. 2 Abs. 4 BayRG, der den Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Hörfunkprogramms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Hörfunkprogramm unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, ist mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Ein unauflösbarer Widerspruch zwischen Art. 2 Abs. 4 BayRG und dem Rundfunkstaatsvertrag ist nicht ersichtlich.
  2. Der Bayerische Rundfunk erfüllt seinen Grundversorgungsauftrag durch sämtliche von ihm verbreiteten zehn Hörfunkprogramme, unabhängig davon, ob ein Hörfunkprogramm terrestrisch analog oder digital verbreitet wird.
  3. Der geplante Austausch von BR-Klassik gegen das Programm PULS auf der UKW-Frequenz ist im Popularklageverfahren kein zulässiger Prüfungsgegenstand.

Zu der Entscheidung im Einzelnen

1. Die Popularklage ist unzulässig, soweit sich die Antragsteller gegen die Absicht des Bayerischen Rundfunks wenden, das Programm BR-Klassik ab dem Jahr 2018 nicht mehr analog zu verbreiten. Der Austausch von BR-Klassik gegen das Programm PULS auf der UKW-Frequenz stellt keine zwangsläufige Folge der gesetzlichen Regelung des Art. 2 Abs. 4 BayRG dar, sondern beruht auf einer autonom getroffenen Entscheidung des Bayerischen Rundfunks. Eine solche Maßnahme des Gesetzesvollzugs kann nicht Gegenstand einer Normenkontrolle im Popularklageverfahren sein.

2. Die von den Antragstellern unmittelbar gegen die gesetzliche Regelung des Art. 2 Abs. 4 BayRG erhobenen Rügen sind unbegründet.

a) Ein unauflösbarer Widerspruch zwischen Art. 2 Abs. 4 BayRG und dem Rundfunkstaatsvertrag, der verfassungsrechtlich unter dem Aspekt der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit eines Regelungssystems (Art. 118 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) von Bedeutung sein kann, ist nicht ersichtlich. Zwar regelt der Staatsvertrag in § 11c Abs. 2 Satz 6 und in § 19 Satz 3 RStV, dass der Austausch eines in digitaler Technik verbreiteten Programms gegen ein in analoger Technik verbreitetes Programm und die analoge Verbreitung bisher ausschließlich digital verbreiteter Programme unzulässig sind. Diese Regelungen sind jedoch sprachlich missglückt, da sie nach ihrem Wortlaut nicht nur die zu einer digitalen Verbreitung hinzukommende analoge Verbreitung und die nunmehr analoge Verbreitung eines bislang digital verbreiteten Programms untersagen, sondern auch einen Tausch zwischen einem digital und einem analog verbreiteten Programm verbieten. Dies widerspricht der Absicht des Normgebers, die in der Begründung des Rundfunkstaatsvertrags zum Ausdruck kommt; danach soll lediglich eine Obergrenze für die Anzahl der analog verbreiteten Hörfunkprogramme festgelegt werden. Es kommt daher eine Auslegung in Betracht, nach der Art. 2 Abs. 4 BayRG mit dem Rundfunkstaatsvertrag vereinbar ist.

b) Gegen die Rundfunkfreiheit (Art. 111a Abs. 1 BV) wurde nicht verstoßen. Dass der Empfang von digital gesendeten Hörfunkprogrammen nur mittels eines Digitalradios und nicht mit herkömmlichen Radiogeräten möglich ist, beeinträchtigt die Grundversorgung nicht. Wesensmerkmal der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgetragenen Grundversorgung ist eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen allgemein sichergestellt ist. Dies ist im Hinblick auf Digitalprogramme der Fall; eine im Vergleich zum analogen Sendebetrieb signifikant abweichende (geringere) Flächendeckung besteht nicht. Auch bewegen sich die Kosten für die Anschaffung eines Digitalradios im unteren Bereich, sodass ein Empfang grundsätzlich möglich ist. Die Rundfunkempfangsfreiheit (Art. 112 Abs. 2 BV) ist daher ebenso wenig verletzt.

BayVerfGH, Pressemitteilung v. 21.07.2017 zur Entsch. v. 17.07.2017 – Vf. 9-VII-15

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