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Landtag: Umweltausschuss beschäftigt sich mit Ursachen und Gesundheitsrisiken von Feinstaub und Ultra-Feinstaub

Die Luftqualität in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert. Dennoch – gemessen an den geltenden Grenz- und Zielwerten für Luftschadstoffe – ist ein Level, bei dem nachteilige gesundheitliche Wirkungen nicht mehr vorkommen, noch nicht erreicht. Diese Einschätzung teilten alle Experten, die bei einer Anhörung im Umweltausschuss zum Thema „Feinstaub“ befragt wurden. Vor allem in verkehrsreichen Straßenschluchten sind vielerorts die gemessenen Werte erhöht.

Wie gefährlich ist die Luftverschmutzung? Und welche Risiken birgt der Ultra-Feinstaub? In dem Fragenkatalog, zu dem die geladenen Experten Stellung bezogen, ging es zunächst um Zahlen, Messmethoden und Grenzwerte. Feinstaub besteht demnach aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Unterschieden werden PM10 (PM, particulate matter) mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometer (µm), PM2,5 und ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm.

Die hohe Zahl und Dichte an Emittenten – bspw. Hausfeuerungsanlagen, Gewerbebetriebe, industrielle Anlagen und der Straßenverkehr – führen zu einer erhöhten Feinstaubkonzentration in Ballungsräumen gegenüber dem Umland. Besonders hohe Feinstaubkonzentrationen werden unter anderem wegen der starken verkehrsbedingten Emissionen wie (Diesel-)Ruß, Reifenabrieb sowie aufgewirbeltem Staub registriert. Die Feinstaub-Immissionsbelastung wird aber nicht nur durch direkte Emissionen von Feinstaub verursacht, sondern zu erheblichen Teilen auch durch die Emission von gasförmigen Schadstoffen wie Ammoniak, Schwefeldioxid und Stickstoffoxiden. Diese reagieren in der Luft miteinander und bilden sog. sekundären Feinstaub.

Wie Dr. Marcel Langner vom Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau ausführte, resultieren im bundesweiten Durchschnitt – je nach Partikelgröße – 13 bis 20% der Schadstoffbelastungen aus dem Kfz-Verkehr, rd. 19% aus industriellen Anlagen, 8 bis 23% aus der Landwirtschaft und 8 bis 16% aus Holzfeuerungen der Haushalte.

Der Grenzwert für das PM10-Jahresmittel liegt in der Europäischen Union bei 40 μg/m³. Außerdem gilt, dass ein PM10-Grenzwert von 50 μg/m³ für den Tagesmittelwert an nicht mehr als 35 Tagen im Kalenderjahr überschritten werden darf – ein Wert, der laut Dr. Roland Fischer vom Bayerischen Landesamt für Umwelt, Augsburg, seit 2012 bayernweit eingehalten wird. Dr. Fischer bezog sich dabei auf die Messungen der 54 Stationen im Freistaat, die durch mobile Geräte sowie Modellrechnungen ergänzt würden.

Für einen ausreichenden Gesundheitsschutz der Bevölkerung legt die Weltgesundheitsorganisation allerdings ein Jahresmittel von 20 μg/m³ zugrunde. Dr. Klaus Köppel, Dienststellenleiter vom Umweltamt der Stadt Nürnberg, verstand deshalb den WHO-Wert „nicht als Grenz-, sondern als Richt- oder perspektivischen Zielwert“. Demgegenüber bewertete Prof. Dr. Annette Peters vom Helmholtz Zentrum München die europäischen Werte als „klar zu hoch“. Diese suggerierten, dass kein Handlungsbedarf bestehe. Prof. Dr. Stefan Jacobi wies darauf hin, dass die Grenzwertsetzung immer das Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses sei, der politisch umsetzbare Anforderungen definiere. So gesehen verstand er die EU-Grenzwerte als „Mindeststandards zum Schutz der menschlichen Gesundheit“.

Zunehmend in den Fokus der Wissenschaft gelangt die Schadstoffbelastung der Luft durch Ultra-Feinstaub (UFP). Diese kleinsten Staubanteile der Luft können besonders tief in die menschliche Lunge eindringen und von dort sogar direkt in die menschliche Blutbahn gelangen.

„Sie sind in der Lage, Sauerstoffradikale freizusetzen, die die Zellen und ihre Funktionen in unterschiedlichen Organen schädigen“, führte Prof. Peters aus.

In besonders hoher Konzentration werden ultrafeine Partikel von Flugzeug-Triebwerken emittiert, bei denen nach heutigem Stand der Technik keine Abgasbehandlung möglich ist. Prof. Dr. Oswald Rottmann, Bürgerverein Freising zur Vermeidung von Lärm- und Schadstoffbelastungen e.V., Freising, bezeichnete Flughäfen deshalb als „Hotspots“ für ultrafeine Partikel. Deren Konzentration liege am Münchner Flughafen bis zu 30mal höher als in „Reinluft“.

Die Zusammenhänge zwischen der raum-zeitlichen Verteilung von UFP-Anzahlkonzentrationen und der Verkürzung von Lebenszeit sind nach Aussage der Wissenschaftler noch nicht ausreichend erforscht. Hinsichtlich der Belastung durch Ultra-Feinstaub gibt es deshalb auch noch keine Grenzwerte. Prof. Dr. Thomas Kuhlbusch von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund hielt aus toxikologischen Überlegungen UFP-Messungen aber für sinnvoll und notwendig. Auch Prof. Dr. Jeroen Buters vom Helmholtz Zentrum München sah eine klare Korrelation zwischen der UFP-Belastung einerseits und der Gesundheit andererseits.

„Wir brauchen hier mehr epidemiologische Studien, damit wir zu Grenzwerten kommen“, forderte Prof. Peters.

Bei der anschließenden Diskussion, wie die Schadstoffbelastungen gemindert werden können, stießen alle Experten ins selbe Horn. Als Maßnahmen im Verkehrsbereich nannten sie u.a. Tempolimits auf Autobahnen, Überholverbote für LKW auf Autobahnen Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, Umrüstung von Diesellokomotiven sowie Ausbau und Förderung des ÖPNV, des Radverkehrs und der Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität. In der Landwirtschaft wurden von den Experten Maßnahmen zur Reduktion von Ammoniak-Emissionen, in der Energiewirtschaft die Reduzierung bzw. Vermeidung fossiler Brennstoffe aufgezählt. Dazu zählt auch, dass in privaten Haushalten die Energieeffizienz bei Heizungen verbessert und die Emissionen von Kleinfeuerungsanlagen reguliert werden.

„Jeder einzelne kann dazu beitragen, dass weniger Feinstaub in die Luft emittiert wird“, fasste Dr. Langner abschließend zusammen.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 16.11.2017 (von Katja Helmö)

Redaktioneller Hinweis: Zu Meldungen im Kontext „Dieselfahrverbote“ vgl. hier.