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EuGH (GA): Der Begriff „Ehegatte“ erfasst im Hinblick auf die Aufenthaltsfreiheit der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen auch die Ehegatten desselben Geschlechts

Obwohl es den Mitgliedstaaten freistehe, die Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts zu erlauben oder nicht, dürften sie die Aufenthaltsfreiheit eines Unionsbürgers nicht dadurch behindern, dass sie seinem gleichgeschlechtlichen Ehegatten, der Staatsangehöriger eines Nicht-EU-Landes sei, ein Daueraufenthaltsrecht in ihrem Hoheitsgebiet verweigern.

Herr R. A. Coman, ein rumänischer Staatsangehöriger, und Herr R. C. Hamilton, ein amerikanischer Staatsangehöriger, lebten in den Vereinigten Staaten vier Jahre zusammen, bevor sie 2010 in Brüssel heirateten. Im Dezember 2012 beantragten Herr Coman und sein Ehemann bei den rumänischen Behörden die Ausstellung der notwendigen Unterlagen dafür, dass sich Herr Coman mit seinem Ehegatten auf Dauer in Rumänien aufhalten und dort arbeiten konnte. Dieser Antrag war auf die Richtlinie über die Ausübung der Freizügigkeit gestützt[1], die es dem Ehegatten eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, erlaubt, seinem Ehegatten in den Mitgliedstaat nachzuziehen, in dem dieser sich aufhält.

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Die rumänischen Behörden versagten Herrn Hamilton ein solches Aufenthaltsrecht insbesondere mit der Begründung, dass er in Rumänien nicht als Ehegatte eines Unionsbürgers eingestuft werden könne, weil Rumänien die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkenne.

Daraufhin erhoben Herr Coman und Herr Hamilton vor den rumänischen Gerichten Klage gegen diese Entscheidung der rumänischen Behörden. Der im Rahmen dieses Rechtsstreits mit einem Einwand der Verfassungswidrigkeit befasste Curtea Constituţională (Verfassungsgerichtshof, Rumänien) möchte vom Gerichtshof wissen, ob Herrn Hamilton als Ehegatten eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, ein Daueraufenthaltsrecht in Rumänien zu gewähren ist.

In seinen Schlussanträgen von heute weist Generalanwalt Wathelet zunächst darauf hin, dass das rechtliche Problem, das im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehe, nicht die Legalisierung der Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts, sondern die Freizügigkeit der Unionsbürger sei. Zwar stehe es den Mitgliedstaaten frei, in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung für Personen desselben Geschlechts die Ehe vorzusehen oder nicht, doch müssten sie die Verpflichtungen beachten, denen sie auf Grund der Freizügigkeit der Unionsbürger unterliegen.

Da die Richtlinie zur Bestimmung der Eigenschaft eines „Ehegatten“ keinerlei Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten enthalte, müsse dieser Begriff in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten. Der Begriff „Ehegatte“ im Sinne der Richtlinie knüpfe an eine Beziehung an, die auf der Ehe beruhe, sei aber hinsichtlich des Geschlechts der betreffenden Personen neutral und unabhängig vom Ort der Eheschließung. Im Licht der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Hinblick auf die Erlaubtheit der Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts im letzten Jahrzehnt[2], kann nach Auffassung des Generalanwalts an der Rechtsprechung des Gerichtshofs[3], wonach „der Begriff ‚Ehe‘ nach in allen Mitgliedstaaten geltender Definition eine Lebensgemeinschaft zweier Personen verschiedenen Geschlechts bezeichnet“, nicht mehr festgehalten werden.

Zudem hänge der Begriff „Ehegatte“ notwendig mit dem Familienleben zusammen, das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)[4] in gleicher Weise geschützt sei. Der Generalanwalt weist hierzu darauf hin, dass der EGMR befunden habe, dass ein gleichgeschlechtliches Paar ein Familienleben haben könne[5] und dass gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit einzuräumen sei, eine gesetzliche Anerkennung und die rechtliche Absicherung ihrer Partnerschaft zu erlangen[6]. Der EGMR habe zudem befunden, dass im Bereich der Familienzusammenführung das Ziel des Schutzes der traditionellen Familie nicht eine Diskriminierung auf Grund der sexuellen Ausrichtung rechtfertigen könne[7].

Vor diesem Hintergrund vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass der Begriff „Ehegatte“ im Sinne der Richtlinie auch die Ehegatten desselben Geschlechts umfasse. Folglich könne sich eine solche Person auch dauerhaft im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhalten, in dem sich sein Ehegatte als Unionsbürger niedergelassen habe, nachdem er von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe. Dieses Ergebnis gelte auch[8] für den Herkunftsmitgliedstaat dieses Bürgers, wenn er dorthin zurückkehre, nachdem er sich dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten habe, in dem er ein Familienleben entwickelt oder gefestigt habe, wie es hier bei Herrn Coman und Herrn Hamilton der Fall sei.

Pressemitteilung des EuGH Nr. 2 v. 11.01.2018 zu den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Rs. C-673/16 (R. A. Coman u. a. / Inspectoratul General pentru Imigrări u. a.)


[1] Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, sowie Berichtigungen in ABl. 2004, L 229, S. 35).

[2] Die Ehe zwischen Personen desselben Geschlechts ist gegenwärtig in 13 Mitgliedstaaten der Union erlaubt. In Umsetzung des Urteils des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 04.12.2017 (G 258-259/2017-9) wird sie spätestens ab dem 01.01.2019 auch in Österreich zulässig sein.

[3] Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 31.05.2001, D und Schweden/Rat (C-122/99 P und C-125/99 P).

[4] Am 04.11.1950 in Rom unterzeichnete Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

[5] Vgl. Urteil des EMR vom 24.06.2010, Schalk und Kopf/Österreich, § 94.

[6] Vgl. Urteil des EGMR vom 21.07.2015, Oliari u. a./Italien, § 185.

[7] Vgl. Urteil des EGMR vom 30.06.2016, Taddeucci und McCall/Italien, § 58.

[8] Auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 AEUV.