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Deutscher Landkreistag: Koalitionsvertrag enthält ungedeckte Finanzversprechen und dürfte die Kommunen strukturell eher schwächen

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Der Deutsche Landkreistag warnt vor dem Hintergrund des vorliegenden Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD vor Finanzierungsrisiken und einer strukturellen Schwächung von Landkreisen, Städten und Gemeinden im Staatsgefüge. Präsident Landrat Reinhard Sager erkannte zwar an, dass zum Teil erhebliche Geldbeträge des Bundes zu Gunsten der Kommunen verabredet worden seien. „Allerdings sichert sich der Bund auf diese Weise in nahezu allen genannten Bereichen erhebliche Einwirkungs- und Kontrollrechte bei kommunalen Aufgaben. Das wird die Kommunen weiter in die Unmündigkeit führen, weil ihre Abhängigkeiten vom Bund wachsen. Eine Große Koalition muss sich aber auf die Fahnen schreiben, die Kommunen zu befähigen, die ihnen obliegenden Aufgaben und Herausforderungen aus eigener Kraft und mit eigenen Ressourcen zu bewältigen.“

Bedauerlicherweise enthalte der Koalitionsvertrag jedoch keine Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Steuerbasis, dafür viele „goldene Zügel“ und ungedeckte Finanzversprechen.

„Ganz im Gegenteil stellt die Verabredung sogar die milliardenschwere Entlastung westdeutscher Kommunen bei der Gewerbesteuerumlage ohne Not in Frage. Das kritisieren wir sehr deutlich.“

Er nannte beispielhaft den erheblichen Anteil von Programmen und Investitionshilfen des Bundes, die für sich genommen zwar ihre Berechtigung hätten, andererseits aber dazu führten, Sachentscheidungen von der Ebene der Länder und Kommunen nach Berlin zu verlagern.

„Entscheidungen im Schulbereich, im Wohnungsbau und bei der Verkehrsfinanzierung müssen dort getroffen werden, wo sie hingehören – nämlich in Ländern und Kommunen. Mitentscheidungen des Bundes in kommunalen Themen stehen wir grundsätzlich kritisch gegenüber“, so Sager.

Die Bürger müssten wissen, wen sie bei Wahlen für den Bundestag, den Landtag, den Kreistag und den Gemeinderat für was verantwortlich machen können.

„Schon deshalb kann es den Menschen in Deutschland nicht egal sein, wer für was verantwortlich ist.“

Kommunale Forderungen zur Stärkung der kommunalen Selbst-Verantwortung – etwa durch eine erhöhte und aufgabenadäquater als bisher verteilte Umsatzsteuerbeteiligung der Gemeinden und Landkreise – suche man aber vergeblich im Vertragswerk.

„Aber selbst wenn im Koalitionsvertrag für bestimmte Maßnahmen – wie etwa für die Schuldigitalisierung – Beträge genannt worden sind, finden sich diese nicht bei den prioritären Maßnahmen, so dass es sich um zumindest nach aktuellem Stand ungedeckte Zusagen handelt.“

Erst wenn die Mehreinnahmen die prognostizierten € 46 Mrd. überstiegen, entstünde der Spielraum für weitere, im Koalitionsvertrag aufgeführte Maßnahmen. Dies gelte zuerst z.B. für die laufenden Kosten der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, aber auch die geplante spürbare Verbesserung der Bezahlung in der Altenpflege.

„Ein weiteres Beispiel ist der reduzierte Rückgriff auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern, deren finanzielle Auswirkungen in der Regel von den Kommunen im Rahmen der Hilfe zur Pflege zu tragen wären.“

Zu begrüßen sei demgegenüber die Betonung der Entwicklung ländlicher Räume, die in verschiedenen Bereichen vorangetrieben werden soll.

„In diesem Anliegen ist eine neue Bundesregierung ebenso zu unterstützen wie in Bezug auf eine besser ausgestattete und inhaltlich erweiterte Gemeinschaftsaufgabe ‚Agrarstruktur und Küstenschutz‘ und eine Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘, wobei sicher auch der um die Bereiche ‚Heimat‘ und ‚Bauen‘ zu erweiternde Zuschnitt des Innenressorts einen verstärkenden Effekt haben wird“, stellte der DLT-Präsident fest.

Altschuldenhilfen seitens des Bundes für überschuldete Kommunen, bei denen die Kommunalaufsicht der Länder über viele Jahre weggesehen habe, seien in diesem Zusammenhang aber abzulehnen, da damit völlig falsche Signale seitens des Bundes ausgesendet würden.

Darüber hinaus hätten sich Union und SPD darauf verständigt, bis 2025 einen flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen zu erreichen, wobei der Netzinfrastrukturwechsel hin zur Glasfaser vollzogen werden soll.

„Dies ist für die Landkreise von großer Bedeutung und für unsere Arbeit ein großer Erfolg, ebenso wie die in Aussicht gestellte flächendeckende 5G-Versorgung“, so Sager.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden aus Sicht des Deutschen Landkreistages die Aussagen zu Zuwanderung und Fluchtmigration. Hier soll ein Regelwerk zur Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und das damit verbundene Recht des Aufenthalts und der Rückkehr erarbeitet werden, das sich am Bedarf der deutschen Wirtschaft orientiert.

„Richtig ist auch, dass vollziehbar Ausreisepflichtige das Land verlassen müssen. Ziel ist es, Rückführungsmaßnahmen deutlich zu intensivieren. Zudem soll die Bearbeitung von Asylverfahren künftig in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen erfolgen. Darüber hinaus erscheint der Kompromiss zum Familiennachzug vor dem Hintergrund der Integrationsfähigkeit in den Landkreisen als vertretbar.“

Zu begrüßen sei schließlich die Zusage des Bundes, die flüchtlingsbedingten Wohnkosten auch über 2018 hinaus vollständig zu übernehmen, sagte der DLT-Präsident.

Pressemitteilung des Deutschen Landkreistags v. 13.02.2018

Redaktioneller Hinweis

Bayerische und kommunale Stellungnahmen zum Koalitionsvertrag: vgl. hier.