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EuGH: Polen hat gegen das Unionsrecht über die Luftqualität verstoßen – Die Grenzwerte für PM10-Konzentrationen wurden nämlich fortdauernd überschritten

Eine am 11.06.2008 in Kraft getretene Unionsrichtlinie[1] kodifiziert die früheren Rechtsakte im Bereich der Beurteilung und der Kontrolle der Luftqualität. Sie legt u.a. die Grenzwerte und Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit fest. Das Partikel PM10 setzt sich aus einem Gemisch in der Luft befindlicher organischer und anorganischer Stoffe zusammen. Es kann toxische Substanzen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, Dioxin und Furan enthalten. Es enthält Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern, die in die oberen Atemwege und in die Lunge gelangen können. Da die Kommission der Auffassung war, dass Polen die Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in mehreren Gebieten und Ballungsräumen nicht einhalte und die Bestimmungen der Richtlinie hinsichtlich der Luftqualitätspläne nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe, reichte sie beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen diesen Staat ein.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Überschreitung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft für sich genommen für die Feststellung einer Vertragsverletzung ausreicht. Im vorliegenden Fall zeigen die Daten, die aus den von Polen vorgelegten Jahresberichten über die Luftqualität hervorgehen, dass dieser Mitgliedstaat in den Jahren 2007 bis einschließlich 2015 zum einen in 35 Gebieten die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen und zum anderen in neun Gebieten die Jahresgrenzwerte für solche Konzentrationen regelmäßig überschritten hat. Daraus folgt, dass die so festgestellte Überschreitung als fortdauernd anzusehen ist.

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Des Weiteren ruft der Gerichtshof hinsichtlich der Richtlinienbestimmung, wonach die Luftqualitätspläne im Fall der Überschreitung der Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, geeignete Maßnahmen enthalten müssen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann, in Erinnerung, dass diese Pläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden können. Im vorliegenden Fall obliegt Polen seit dem 11.06.2010 die Verpflichtung, im Fall von Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft Luftqualitätspläne zu erstellen. In den von Polen später erlassenen Plänen wurden für die Beendigung dieser Überschreitungen Fristen festgelegt, die in den verschiedenen Gebieten zwischen 2020 und 2024 ablaufen sollen. Polen trägt vor, dass diese Fristen in vollem Umfang an das Ausmaß der strukturellen Änderungen, die nötig seien, um diese Überschreitungen abzustellen, angepasst seien, wobei es u.a. Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen hervorhebt. Nach Ansicht des Gerichtshofs können solche Umstände zwar berücksichtigt werden, es ist jedoch nicht nachgewiesen worden, dass diese Schwierigkeiten, die keinen Ausnahmecharakter haben, von der Art wären, dass sie weniger lange Fristen unmöglich gemacht hätten. Daher kann nach Ansicht des Gerichtshofs das Vorbringen Polens als solches nicht so lange Fristen für die Beendigung dieser Überschreitungen rechtfertigen.

Im Übrigen stellt der Gerichtshof fest, dass Polen dadurch gegen das Unionsrecht verstoßen hat, dass in vier Gebieten[2] die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft (zuzüglich der Toleranzmarge[3]) überschritten wurden.

Schließlich legt der Gerichtshof dar, dass keiner der von Polen auf nationaler oder regionaler Ebene erlassenen Luftqualitätspläne ausdrücklich erwähnt, dass sie die Begrenzung der Überschreitungen der Grenzwerte auf einen so kurz wie möglich gehaltenen Zeitraum erlauben müssen, wie dies jedoch verlangt wird. Unter diesen Umständen – und in Anbetracht der Tatsache, dass den ersten drei Rügen stattgegeben wurde – ergibt sich, dass die Umsetzung der Richtlinie in das polnische Recht nicht geeignet ist, die vollständige Anwendung der Richtlinie tatsächlich zu gewährleisten.

Pressemitteilung des EuGH Nr. 19 v. 22.02.2018 zum Urt. v. 22.02.2018 – C-336/16 (Kommission/Polen)

Redaktionelle Hinweise


[1] Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1).

[2] Es handelt sich um die Gebiete Stadt Radom, Pruszków-Żyrardów und Kędzierzyn-Koźle (vom 01.01.2010 bis zum 10.06.2011) sowie um das Gebiet Ostrów-Kępno (vom 01.01. bis zum 10.06.2011).

[3] Gemäß Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2008/50 werden die Mitgliedstaaten, wenn in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Grenzwerte für PM10 nach Maßgabe des Anhangs XI dieser Richtlinie auf Grund standortspezifischer Ausbreitungsbedingungen, ungünstiger klimatischer Bedingungen oder grenzüberschreitender Einträge nicht eingehalten werden können, bis zum 11.06.2011 von der Verpflichtung zur Einhaltung dieser Grenzwerte ausgenommen, sofern der Mitgliedstaat nachweist, dass alle geeigneten Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene getroffen wurden, um die Fristen einzuhalten. Die Mitgliedstaaten stellen bei der Anwendung des Abs. 2 sicher, dass der Grenzwert für jeden Schadstoff nicht um mehr als die für jeden der betroffenen Schadstoffe in Anhang XI festgelegte maximale Toleranzmarge überschritten wird. Für PM10 wurde diese Toleranzmarge mit 50% im Verhältnis zu den Grenzwerten festgelegt.