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BayVGH zur Klagebefugnis anerkannter Umweltverbände gegen eine Einzelbaugenehmigung

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BayVGH, Beschl. v. 11.04.2018 – 2 CS 18.198 / Weitere Schlagworte: Antragsbefugnis; Verbandsklage; Inzidentanfechtung

von Oberlandesanwältin Elisabeth Steiner, Landesanwaltschaft Bayern

Orientierungssatz der Landesanwaltschaft Bayern:

Eine nach § 30 Abs. 1 BauGB auf der Grundlage eines Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung stellt mangels Anwendung umweltbezogener Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts keine Zulassungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG dar. Die Verbandsklage eines anerkannten Umweltverbands ist daher mangels Klagebefugnis unzulässig.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

Im vorliegenden Eilverfahren war der BayVGH – soweit ersichtlich – erstmals mit der Frage befasst, wann eine Baugenehmigung unter den Begriff der für einen anerkannten Umweltverband rechtsbehelfsfähigen Entscheidung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG fällt.

In seinem Beschluss vom 11.04.2018 bestätigt er im Ergebnis die Rechtsauffassung des VG Augsburg (Beschl. v. 04.01.2018 – Au 4 S 17.1798), dass eine nach § 30 Abs. 1 BauGB, also auf der Grundlage eines Bebauungsplans, erteilte Baugenehmigung mangels Anwendung umweltbezogener Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts keine Zulassungsentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist und daher auch nicht dem Verbandsklagerecht anerkannter Umweltverbände unterliegt. Zwar erfüllt eine Baugenehmigung grundsätzlich den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG verwandten Begriff eines „anderen als in Nr. 1 bis 2b genannten Vorhabens“, allerdings kommen bei einer nach § 30 Abs. 1 BauGB ergangenen Zulassungsentscheidung gerade keine „umweltbezogenen Vorschriften“ in der Terminologie des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) unmittelbar zur Anwendung. § 30 Abs. 1 und 2 BauGB stellen allein auf die Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplans und die gesicherte Erschließung ab.

Die Prüfung der umweltbezogenen Vorschriften findet vielmehr auf der Ebene der Bauleitplanung statt. Der Bebauungsplan selbst ist aber keine umweltbezogene Rechtsvorschrift, sondern setzt solche vielmehr um (Rn. 9).

Der Senat verneint auch eine Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung, weil Art. 9 Abs. 3 AK im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 AK bislang nicht auf unionsrechtlicher Ebene umgesetzt worden ist (Rn. 10). Ebenso wenig erachtet er nach dem Willen des Gesetzgebers eine analoge Anwendung von § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG für möglich (Rn. 11).

Anerkannten Umweltverbänden steht daher kein Wahlrecht zwischen einem Vorgehen gegen einen Bebauungsplan im Wege der Prinzipalkontrolle durch einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO und einer Inzidentkontrolle im Rahmen einer Klage gegen eine Einzelbaugenehmigung nach § 30 Abs. 1 BauGB zu. Effektiver Rechtsschutz ist ggf. im Wege eines Eilantrags nach § 47 Abs. 6 VwGO nachzusuchen.

Net-Dokument: BayRVR2018051501 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwältin Elisabeth Steiner ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Baurecht sowie das Recht des öffentlichen Dienstes für Landesbeamte zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB