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OLG Bamberg: Ergebnisse der 71. Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten der OLG, des KG, des BayObLG und des BGH in Bamberg

Die Tagesordnung der Konferenz umfasste 22 Haupt- und mehrere Nebenpunkte über aktuelle rechtspolitische Fragen und Themen der Gerichtspraxis. Mit den folgenden Schwerpunktthemen haben sich die 26 Präsidentinnen und Präsidenten befasst: Zukunft des Strafprozesses, Änderungen und Modernisierung der Zivilprozessordnung sowie Reform der Kammern für Handelssachen.

Erstmals seit 1994 hat die Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs wieder in Bamberg stattgefunden.

„Eine leistungsstarke Justiz stellt einen bedeutenden Standortvorteil dar. Um effizient zu bleiben, bedarf es praxisgerechter und zukunftsorientierter Verfahrensordnungen“, erklärte der gastgebende Präsident des OLG Bamberg Clemens Lückemann zum Abschluss der Tagung.

Zu den drei großen Zukunfts- bzw. Schwerpunktthemen sind die Präsidentinnen und Präsidenten zu folgenden Ergebnissen gekommen:

Zukunft des Strafprozesses

Es sei zu begrüßen, dass wichtige Vorschläge des zweiten bundesweiten Strafkammertags im September 2017 in Würzburg (insbesondere: gebündelte Vertretung der Interessen von Nebenklägern, Vereinfachung der Ablehnungsmöglichkeiten von missbräuchlichen Befangenheits- und Beweisanträgen, Vorab-Entscheidungsverfahren für Besetzungsrügen) Eingang in den zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarten Koalitionsvertrag sowie in die von der Bundesregierung am 15. Mai 2019 verabschiedeten „Eckpunkte zur Reform des Strafprozesses“ gefunden hätten. Es werde davon ausgegangen, dass diese Vorarbeiten im Interesse der Funktionsfähigkeit der Strafjustiz zügig und unabhängig von tagespolitischen Überlegungen gesetzgeberisch umgesetzt würden. Für die weitere Funktionsfähigkeit der Strafgerichte sei auch die Klärung bzw. Regelung zusätzlicher von der gerichtlichen Praxis zur Diskussion gestellter Punkte wie beispielsweise die Frage der angemessenen Ausgestaltung der Regeln zum gesetzlichen Richter sowie die Überarbeitung des Rechtsmittelrechts von großer Bedeutung und müsse angegangen werden.

Änderungen und Modernisierung des Zivilprozesses

Es sei notwendig, weitere gesetzgeberische Schritte einzuleiten, um neue technische Möglichkeiten im Zivilprozess sinnvoll nutzbar zu machen. Durch eine entsprechende Überarbeitung des Prozessrechts könnten Gerichtsverfahren bürgerfreundlicher, effizienter und ressourcenschonender gestaltet werden. Die aus gerichtlicher Sicht dazu erforderlichen Maßnahmen sollten – wie im Strafprozessrecht bereits erfolgt – in den politischen Prozess eingebracht und die zukünftige Gesetzgebung mit eigenen Überlegungen der Praxis begleitet werden. Es werde daher eine Arbeitsgruppe der Präsidentinnen und Präsidenten der OLG eingerichtet, die konkrete Vorschläge zur Anpassung der Zivilprozessordnung erarbeiten solle. Dabei sollten insbesondere Überlegungen angestellt werden zur Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs, zur besseren Strukturierung von Verfahren, zu neuen Formen mündlicher Verhandlungen, zur Einführung eines elektronisch geführten Verfahrens in Bagatellsachen und im Urkundenprozess, zur Reform des Beweisrechts, zum elektronischen Mahnverfahren, zur Erleichterung der Zwangsvollstreckung und zum digitalen Sitzungsaushang im Internet.

Aufgabe des BGH sei es, schwierige und grundsätzliche Rechtsfragen in Zivil- und Strafsachen zügig und allgemeinverbindlich zu klären. Damit er diese Aufgabe erfüllen könne, treten die Präsidentinnen und Präsidenten dafür ein, die im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) geregelte Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde zu entfristen und die Wertgrenze angemessen anzuheben.

Hintergrund: Grundsätzlich kann die unterliegende Partei in einem zivilrechtlichen Berufungsverfahren das Urteil nur dann durch den BGH überprüfen lassen, wenn das Berufungsgericht die Revision gegen seine Entscheidung zulässt. Für den Fall, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zulässt, kann hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt werden. Hat diese Erfolg, wird die Revision zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist derzeit nur dann möglich, wenn der Wert der Streitsache 20.000 Euro (Wertgrenze) übersteigt. Diese Regelung ist allerdings bis zum 31. Dezember 2019 befristet.

Reform der Vorschriften für die Kammern für Handelssachen

Die Präsidentinnen und Präsidenten unterstützen eine Reform der Vorschriften für die Kammern für Handelssachen. Durch strukturelle Stärkung der Spruchkörper solle die Attraktivität der deutschen Ziviljustiz für Wirtschaftsakteure erhalten und gesteigert werden. Die Präsidentenkonferenz spricht sich dafür aus, die Kammern für Handelssachen zu erhalten und zu stärken. Die Mitwirkung von Handelsrichterinnen und Handelsrichtern sei ein wertvoller Beitrag zur Beilegung des Rechtsstreits; gleichwohl seien Modifizierungen erforderlich. Zu erwägen seien zum Beispiel der Einsatz spezialisierter Handelsrichterinnen und Handelsrichter, die Hinzuziehung weiterer Berufsrichterinnen oder Berufsrichter und die Erweiterung der Zuständigkeiten der Kammern für Handelssachen. Auch könnten an geeigneten Standorten spezialisierte Kammern für Handelssachen für bestimmte Rechtsmaterien eingerichtet werden, um eine Steigerung wirtschaftsrechtlicher Kompetenzen zu erreichen.

Der genaue Wortlaut der Beschlüsse zu den obigen Tagesordnungspunkten ist in den folgenden vier Anlagen beigefügt.

Pressemitteilung des OLG Bamberg Nr. 16 v. 29.05.2019