Rechtsprechung Bayern

Corona: Verdienstausfallentschädigung für Auszubildende bei Quarantäne

© Vitalii Vodolazskyi

Das Verwaltungsgericht Bayreuth entschied auf die Klage gegen eine Ablehnung eines Antrages auf Verdienstausfallentschädigung wegen angeordneter Quarantäne, dass diese ein in der Person des Arbeitnehmers, hier des Auszubildenden, liegender Grund im Sinne eines subjektiven Leistungshindernisses sei.1

Auch wenn eine Pandemie als solche ein globales und gesellschaftliches Ereignis sei, sei der Anlass der Quarantäneanordnung im Einzelfall in hohem Grade von der betroffenen Person und den jeweiligen Umständen abhängig. Eine individuelle Quarantäneanordnung gegenüber einem Auszubildenden führe nicht zur Zahlung einer Entschädigung an Arbeitgeber nach dem Infektionsschutzgesetz. Ein Mann absolvierte in einem Unternehmen eine Ausbildung zum Fertigungsmechaniker. In der Zeit vom 08.08.2020 bis zum 22.08.2020 blieb er der Ausbildung fern, weil das Landratsamt mit Bescheid vom 17.08.2020 für diesen Zeitraum auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine Quarantäne aufgrund eines vorangegangenen engen Kontakts mit einer Covid- 19-positiven Person angeordnet hatte.

Einen Monat später beantragte die ausbildende Arbeitgeberin bei der zuständigen Behörde die Zahlung einer Entschädigung für den Zeitraum der quarantänebedingten Abwesenheit des Auszubildenden in Höhe von 597,28 €. Mit Bescheid vom 21.12.2020 lehnte die Behörde den Antrag auf Verdienstausfallentschädigung ab und führte zur Begründung aus, ein zu entschädigender Verdienstausfall liege vor, wenn für die Dauer der Quarantäne kein Anspruch auf Lohnfortzahlung aufgrund einer gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmung bestanden habe. Hier habe die Ausbildungsstelle gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. BBiG dem Fertigungsmechaniker die Vergütung bis zur Dauer von sechs Wochen zu zahlen, wenn er aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert sei, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen.

Somit sei für den Auszubildenden kein Verdienstausfall entstanden und der Antrag müsse daher abgelehnt werden. Gegen den entsprechenden Bescheid erhob die Ausbildungsstelle Klage und begründete sie damit, dass der Auszubildende während der behördlich verfügten Absonderung seiner Arbeit nicht habe nachgehen können. Ein nach dem Infektionsschutzgesetz zu erstattender Verdienstausfall liege vor. Denn die behördliche Anordnung, insbesondere ein Tätigkeitsverbot oder eine Quarantäneverfügung, beruhten auf einem objektiven Leistungshindernis. Dazu gehörten unter anderem Unruhen, Krieg, Terror und auch Epidemien, die gerade keinen Fall des § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. BBiG darstellten.

Es handele sich auch nicht um ein subjektives, sondern um ein objektives, also kein persönliches Leistungshindernis des Auszubildenden. Im Übrigen habe die coronabedingte Quarantäne zu einer Verhinderung geführt, die eine „nicht erhebliche“ Zeit überschreite. § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. BBiG sei § 616 BGB nachempfunden. Mit der zuletzt genannten Vorschrift würden normalerweise Fälle wie Hochzeiten, Beerdigungen, die Pflege naher Angehöriger oder Kinder erfasst. Es sei ursprünglich nicht Sinn und Zweck von § 616 BGB gewesen, Quarantänefälle einzubeziehen. § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. BBiG gelte auch nur für kürzere Verhinderungsfälle. Die Klage blieb erfolglos.

VG Bayreuth: Quarantäne ist subjektives Leistungshindernis

Nach Meinung des Verwaltungsgerichts Bayreuth lag hier mit der behördlich gegenüber dem Auszubildenden angeordneten Quarantäne ein sonstiger, in der Person des Auszubildenden liegender Grund im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. BBiG vor, der dazu geführt habe, dass der Auszubildende unverschuldet verhindert gewesen sei, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Die Quarantäne sei ein in der Person des Arbeitnehmers – hier des Auszubildenden – liegender Grund im Sinne eines subjektiven Leistungshindernisses. Auch wenn eine Pandemie als solche ein globales und gesellschaftliches Ereignis sei, sei der Anlass der Quarantäneanordnung im Einzelfall in hohem Grad von der betroffenen Person und den jeweiligen Umständen abhängig. Erst eine konkrete, infektionsgefährliche Situation im Sinne der definierten „Kategorie-I-Kontakte“ oder ein positives Covid19-Testergebnis könne zur Einordnung einer Person als „Ausscheider“, „Ansteckungsverdächtiger“ oder „Krankheitsverdächtiger“ führen und sie damit zu Adressaten einer Isolierungsanordnung im Sinne des § 56 Absatz 1 IfSG machen.

Gerade die Beurteilung der jeweiligen Kontaktsituation erfordere eine umfassende individuelle Beurteilung der Gegebenheiten anhand zahlreicher Kriterien, wie z.B. Dauer und räumliche Nähe des Kontakts, Lüftungsverhältnisse, das Tragen von Masken etc. Die bloße Möglichkeit, dass von einer gefährlichen Kontaktsituation im Einzelfall mehrere Personen betroffen sein könnten, ließe das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Beurteilung der Infektionsgefahr für jeden Betroffenen nicht entfallen. Zwar möge der Vergütungsfortzahlungsanspruch nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. BBiG in seinen Voraussetzungen § 616 Satz 1 BGB entsprechen. Er sei jedoch nach dem klaren gesetzlichen Wortlaut nicht auf eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit begrenzt, sondern bestünde für die Dauer von sechs Wochen und könne auch nicht abbedungen werden. Damit handele es sich um eine Spezialvorschrift für Ausbildungsverhältnisse.

Praxistipp

Eine individuelle Quarantäneanordnung gegenüber einem Auszubildenden führt also nicht zur Zahlung einer Entschädigung an Arbeitgeber nach dem Infektionsschutzgesetz. Kann die Ausbildung nicht durchgeführt werden, weil eine weiträumige behördliche Schließungsanordnung besteht, dürfte die Situation auch nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts2 zugunsten der Arbeitgeber anders zu beurteilen sein.

1 Verwaltungsgerichtshof Bayreuth, Bescheid vom 19.05.2021, B 7 K 21.80

2 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021 – 5 AZR 211/21

Entnommen aus RdW 2/2022