Rechtsprechung Bayern

Verkaufsflächenbegrenzung im festgesetzten Sondergebiet

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Dem unten vermerkten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 03.03.2021 ist hierzu Folgendes zu entnehmen:

1. Zulässigkeit von vorhabenbezogen getroffenen Regelungen nach Quadratmetergrenzen für die höchstzulässige Verkaufsfläche

„Einer Gemeinde ist es gestattet, in einem Bebauungsplan, mit dem sie gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO ein Sondergebiet für einen großflächigen Handelsbetrieb festsetzt, vorhabenbezogen nach Quadratmetergrenzen bestimmte Regelungen über die höchstzulässige Verkaufsfläche zu treffen. Somit wäre die Festsetzung einer maximalen Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Größe des jeweiligen Baugrundstücks durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) oder eine Regelung mit dem Inhalt, dass alle Einzelhandelsvorhaben, die grundsätzlich der festgesetzten Zweckbestimmung des Sondergebiets entsprechen, im Sondergebiet nur eine bestimmte Verkaufsflächengröße haben dürfen, grundsätzlich auf Basis von § 11 BauNVO möglich. Bereits der Verordnungsgeber hat mit der Bestimmung über Sondergebiete für großflächige Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Abs. 2 und 3 BauNVO) ein Baugebiet besonderer Art mit einem bestimmten Typ der baulichen Nutzung festgelegt. Diese Nutzungsart bestimmt sich nach der Größe der Verkaufsfläche. Hieran knüpft der Ortsgesetzgeber an, wenn er in einem Bebauungsplan für ein Sondergebiet Verkaufsflächengrenzen für Einzelhandelsgroßbetriebe festsetzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.5.20201) – 4 BN 44.19 – …). Mit solchen Regelungen über höchstzulässige Verkaufsflächen fächert er in Fortführung des vom Verordnungsgeber geschaffenen Konzepts einer nach der Betriebsgröße abgegrenzten besonderen Nutzungsart ,großflächiger Einzelhandel‘ diese Art der Nutzung weiter auf (vgl. BVerwG, … Urteil vom 17.10.20192) – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 = juris Rn. 10, 33).“

2. Zulässigkeit einer vorhabenunabhängigen gebietsbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung

„Anderes gilt aber für eine vorhabenunabhängige gebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkung, also eine Regelung, wonach alle Einzelhandelsvorhaben, die grundsätzlich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung der festgesetzten Zweckbestimmung des Sondergebiets entsprechen, zusammen (also in der Summe) nur eine bestimmte maximale Verkaufsflächengröße haben dürfen. Eine solche Festsetzung ist weder als Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung zulässig, weil sie nicht mit Hilfe eines der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter (Grundfläche, Geschossfläche) vorgenommen worden ist, noch ist sie eine nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO in sonstigen Sondergebieten zulässige Festsetzung der Art der baulichen Nutzung. Dort, wo die Verordnung die Festlegung von Nutzungsanteilen (Quoten) oder die Quantifizierung einer Nutzungsart zulässt, wie in § 4a Abs. 4 Nr. 2 und § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO und in Gestalt der Beschränkung freiberuflicher Berufsausübung auf ,Räume‘ in den Baugebieten der §§ 2 bis 4 BauNVO (vgl. § 13 BauNVO), wird dies ausdrücklich geregelt. Eine Kontingentierung der Verkaufsflächen, die auf das Sondergebiet insgesamt bezogen ist, öffnet das Tor für sog. ,Windhundrennen‘ potentieller Investoren und Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrundeliegenden Regelungsansatz, wonach im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen können soll. Einer Fehlentwicklung zu Lasten der einen oder anderen Nutzung kann durch § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO entgegengewirkt werden …“

3. Es gibt keine Ermächtigungsgrundlage im BauGB oder in der BauNVO, in einem Bebauungsplan die Zahl der zulässigen Einkaufszentren oder Einzelhandelsvorhaben zu beschränken

„Ausnahmsweise ist eine gebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung unbedenklich, wenn in dem in Rede stehenden Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist bzw. tatsächlich umsetzbar ist; denn dann ist die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch … Der Gemeinde ist es dabei aber – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – verwehrt, die Identität von gebietsbezogener und vorhabenbezogener Verkaufsflächenbegrenzung dadurch ,herzustellen‘, dass sie die Zulässigkeit von Einzelhandel auf einem ausgewiesenen Sondergebiet zahlenmäßig auf ein Einzelhandelsvorhaben – also etwa auf ein Einkaufszentrum oder auf einen großflächigen Handelsbetrieb (z.B. Lebensmitteldiscounter) – begrenzt. Weder in § 9 BauGB noch in der BauNVO existiert eine Ermächtigungsgrundlage, in einem Bebauungsplan die Zahl der zulässigen Einkaufszentren oder Einzelhandelsvorhaben zu beschränken: § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO greift mit der Vorgabe, dass die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen sind, das Regelungsmuster der §§ 2 bis 10 BauNVO auf.

Die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben lässt sich nicht als Festsetzung der Zweckbestimmung verstehen. Die Anzahl der in einem Gebiet zulässigen Vorhaben spielt für den Gebietszweck keine Rolle. Die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben ist auch nicht als Bestimmung der Art der Nutzung eines sonstigen Sondergebiets möglich. Die Gemeinde muss bei der Bestimmung der zulassungsfähigen Anlagen die vorhabenbezogene Typisierung beachten, die den §§ 2 bis 10 BauNVO zugrunde liegt. Die nummerische Beschränkung zulässiger Anlagen trägt zur Kennzeichnung der Art der zulässigen Nutzung indes nichts bei. Sie qualifiziert nicht den Anlagentyp – also etwa den Typ eines Einkaufszentrums oder eines (großflächigen) Einzelhandelsbetriebs –, sondern quantifiziert Nutzungsoptionen. Solche Kontingentierungen von Nutzungsmöglichkeiten lässt die BauNVO nur in wenigen, ausdrücklich geregelten und hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen zu. Schließlich kann die Beschränkung der Zahl der zulässigen Vorhaben auch nicht als Bestimmung des Maßes der zulässigen Nutzung festgesetzt werden; denn dies ist nur mit Hilfe einer der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter, etwa der Grundfläche oder der Geschossfläche, zulässig …“

4. Besonderheit, wenn das Plangebiet nur aus einem vorhabengeeigneten Baugrundstück im grundbuchrechtlichen Sinn besteht

„Wenn aber § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO die Möglichkeit eröffnet, die höchstzulässige Verkaufsfläche für das jeweilige Grundstück im Bebauungsplan als Art der Nutzung in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) festgelegt wird, soweit dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (s.o.), macht es für die Art der Nutzung keinen Unterschied, ob die Gemeinde für einzelne Baugrundstücke im Plangebiet eine Verhältniszahl oder eine absolute Zahl festsetzt, die sich ihrerseits durch den Bezug auf die Grundstücksgröße auch als Verhältniszahl ausdrücken ließe. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es deshalb auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche grundstücksbezogen im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, Urteil vom 17.10.2019 a.a.O. juris Rn. 33). Denn besteht das Plangebiet nur aus einem vorhabengeeigneten Baugrundstück im grundbuchrechtlichen Sinn …, kann der Eigentümer das Grundstück in den Grenzen der Verkaufsflächenbeschränkungen nutzen und muss nicht befürchten, durch andere Eigentümer Abstriche an seinen Nutzungsmöglichkeiten hinnehmen zu müssen. Zu einem mit § 11 BauNVO unvereinbaren ,Windhundrennen‘ kommt es dann nicht.

Der theoretischen Möglichkeit einer späteren Grundstücksteilung durch den Eigentümer – sollte diese überhaupt am Maßstab des § 19 Abs. 2 BauGB zulässig sein…– kommt dann planungsrechtlich keine Bedeutung zu… Hat eine Gemeinde – insoweit ohne Rechtsgrundlage und damit unwirksam – in einem Sondergebiet die Anzahl von kern- bzw. sondergebietstypischen Einzelhandelsvorhaben (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) beschränkt, hat sie diese Festsetzung aber mit einer Verkaufsflächenbegrenzung gekoppelt und besteht das als Sondergebiet ausgewiesene Areal nur aus einem vorhabengeeigneten Grundstück, bleibt die Festsetzung als grundstücksbezogene Verkaufsflächenbegrenzung aufrechterhalten, sofern nach den Grundsätzen der Teilunwirksamkeit bauplanungsrechtlicher Festsetzungen…die verbleibende Regelung zur Gewährleistung einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung geeignet ist und zudem davon auszugehen ist, dass die Gemeinde die so verbleibende ,Rest-Festsetzung‘ auch ohne die unwirksame zahlenmäßige Beschränkung erlassen hätte … Diese in der Rechtsprechung zunächst für Einkaufszentren (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO) entwickelten Grundsätze sind auf vergleichbare Festsetzungen, wonach in einem bestimmten Sondergebiet lediglich ein einziger (großflächiger) Einzelhandelsbetrieb mit einer näher geregelten Verkaufsflächenbegrenzung zulässig ist, zu übertragen (vgl. … Arndt/Heyn, UPR 2020, 281/287). Eine planerhaltende Auslegung im vorgenannten Sinn setzt auch dann voraus, dass es dem Willen der planenden Gemeinde entspricht, dass auf dem (mit dem Geltungsbereich der Sondergebietsfestsetzung identischen) Baugrundstück auch mehrere Einzelhandelsbetriebe bis zum Erreichen der festgesetzten maximalen Gesamtverkaufsfläche (in der Summe) errichtet werden dürfen, wenn sie gewusst hätte, dass die nummerische Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben unwirksam ist.“

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 03.03.2021 – 15 B 20.2075.

Entnommen aus Fundstelle Bayern, Heft 21/2021, Rdnr. 238.