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Ausschussbesetzung: Klage wegen Verletzung des Spiegelbildlichkeitsprinzips und Willkür erfolglos

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Gegenstand des unten vermerkten Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 21.10.2021 war ein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) zur Ausschussbesetzung einer Gemeinde.

Der Gemeinderat hatte in seinen Geschäftsordnungsregelungen bestimmt, bei der Besetzung der Ausschüsse – wie bisher – das Verfahren nach Hare-Niemeyer anzuwenden, hatte aber die Größe der drei (streitigen) Ausschüsse von elf auf zehn Mitglieder reduziert. Das hatte zur Folge, dass auf eine Partei, die mit neun von 24 Sitzen im Gemeinderat vertreten ist, vier Ausschusssitze entfielen, und zwei andere Parteien, die mit jeweils vier Sitzen im Gemeinderat vertreten sind, insgesamt drei Ausschusssitze erhielten, wobei die eine Partei unter Anwendung der Pattauflösungsregel nach der Zahl der Wählerstimmen zwei Ausschusssitze, die andere nur einen Ausschusssitz erhielt. Letztere klagte und machte eine Verletzung des Spiegelbildlichkeitsprinzips und Willkür, insbesondere hinsichtlich der Veränderung der Ausschussgröße geltend. Das VG wies die Klage ab. Der VGH bestätigte die Entscheidung und formulierte folgenden Leitsatz:

Die kommunalen Vertretungskörperschaften sind bei der Auswahl eines der zulässigen Berechnungsverfahren für die Ausschussbesetzung auch dann frei, wenn das gewählte Verfahren zu einer Pattsituation zwischen zwei in gleicher Stärke im Gremium vertretenen Parteien und Wählergruppen führt (Art. 33 Abs. 1 Satz 3 GO). Eine Pattsituation zwingt auch nicht dazu, die Ausschussgröße zu verändern.

Zur Begründung führt der VGH aus:

1. Ermessen des Gemeinderats bei der Festlegung der Ausschussgröße

„§ 2 der Satzung der Beklagten zur Regelung von Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts, in dem in der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Gemeinderats festgelegt wurde, die Zahl der Mitglieder in den maßgeblichen drei Ausschüssen auf zehn festzusetzen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Für die Größe der – hier streitgegenständlichen – Ausschüsse gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Es liegt im Organisationsermessen der Beklagten und ihres Vertretungsorgans, die Größe der Ausschüsse entsprechend ihrer Aufgabe festzulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2009[1]

8 C 17.08 – BayVBl 2010, 632 = juris Rn. 29).

Das VG weist … zu Recht darauf hin, dass das Ziel einer effektiven, das  Gemeinderatsgremium entlastenden Ausschussarbeit wesentliches Kriterium bei der Festlegung der Ausschussgröße sein soll. Die Mitgliederzahl eines Ausschusses darf lediglich nicht so gering bemessen werden, dass ansehnlich große Fraktionen und Gruppen von einer  Vertretung im Ausschuss ausgeschlossen wären, sodass der Ausschuss kein Spiegelbild der Zusammensetzung des Gemeinderats mehr darstellen würde. Denn Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO verlangt nicht die Festlegung einer im Sinne des Spiegelbildlichkeitsgebots optimierten Ausschussgröße, sondern verbietet lediglich grobe Verzerrungen der Stärkeverhältnisse im Plenum (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.9.2006 – 4 ZB 06.535 – juris Rn. 10; Urteil vom 17.3.2004[2] – 4 BV 03.1159 – BayVBl 2004, 429 = juris Rn. 15), die bei der hier festgelegten Ausschussgröße bei keinem Berechnungsverfahren eintreten können. Angesichts der Gesamtzahl der Gemeinderatsmitglieder (24) ist die Größe dieser Ausschüsse sehr großzügig gewählt, sodass auch kleinere Parteien und Wählergruppen, hier sogar alle im Gemeinderat der Beklagten vertretenen Parteien und Wählergruppen, mindestens einen Sitz erhalten.“

2. Ein neuer Gemeinderat ist nicht an die vom vorherigen Gemeinderat festgelegte Größe der Ausschüsse gebunden

„Rechtliche Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick darauf, dass die Ausschussgröße in der vergangenen Wahlperiode bei elf Mitgliedern lag. Der neugewählte Gemeinderat hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, sich eine neue Geschäftsordnung zu geben oder – wie hier – die Satzung zur Regelung von Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts entsprechend seinem Willen zu bestätigen oder zu ändern. Die Geschäftsordnung des Gemeinderats gilt nicht über das Ende seiner Wahlzeit hinaus (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.12.2020[3] – 4 CE 20.2271 – BayVBl 2021, 273 Rn. 20). Der Gemeinderat der vergangenen Wahlperiode kann keine Geschäftsordnungsregelungen für die neue Wahlperiode treffen. Der neugewählte Gemeinderat ist daher auch nicht an die vom Gemeinderat der vergangenen Wahlperiode erlassenen Regelungen gebunden. Das gilt auch für die Ausschussgröße.

Die Größe der Ausschüsse kann grundsätzlich auch unabhängig davon bestimmt werden, welches Berechnungsverfahren zur Besetzung der Ausschusssitze angewendet wird. Das gilt erst recht, wenn die Ausschüsse wie hier so viele Mitglieder haben, dass über 40 % der Mitglieder des Gemeinderats darin vertreten sind. Angesichts der Größe der Ausschüsse im Verhältnis zur Größe des Gemeinderats ist es unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn die Zahl der Ausschussmitglieder von elf auf zehn verringert wird. Ohne dass es einer weiteren Rechtfertigung bedarf, ist auch die weitere Begründung der Beklagten für die Festlegung einer geraden Zahl der Ausschussmitglieder neben dem Vorsitzenden, nämlich die Vermeidung einer Pattsituation, objektiv nachvollziehbar, und zwar unabhängig davon, wie oft es in der vergangenen Wahlperiode unter Berücksichtigung der damaligen Besetzung zu solchen Pattsituationen gekommen ist, weil das Abstimmungsverhalten nach der  Neuwahl des Gemeinderats nicht vorhersehbar ist.“

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21.10.2021 – 4 ZB 21.1776

Entnommen aus Fundstelle Bayern, Heft 4/2022, S. 133, Randnr. 41.

[1] FStBay Randnummer 73/2011

[2] FStBay Randnummer 208/2004

[3] FStBay Randnummer 83/2021