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161. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzung“

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Die 161. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzung“ fand vom 9. bis 11.11.2021 statt. Anlässlich der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden kommt auch dieser Steuerschätzung eine besondere Bedeutung zu.

Verglichen mit der Mai-Steuerschätzung werden die Steuereinnahmen für den Gesamtstaat im Jahr 2021 deutlich höher ausfallen. Das Einnahme-Plus für alle staatlichen Ebenen beläuft sich auf 38,5 Mrd. j. Während sich für den Bund Mehreinnahmen von 11,7 Mrd. j ergeben, können die Länder mit einem beachtlichen Zuwachs von 22,5 Mrd. j rechnen. Die Einnahmen der Gemeinden erhöhen sich um 8,1 Mrd. j. Für den Gesamtstaat werden im Jahr 2021 Steuereinnahmen in Höhe von 812,0 Mrd. j erwartet, was einen Anstieg um 8,9 % zur Folge hätte. Im Mai gingen die Schätzer noch von einem Anstieg um 4,6 % aus.

Auch im Jahr 2022 wird das Steueraufkommen mit + 36,8 Mrd. j spürbar über dem Schätzergebnis vom Mai liegen. Für die Folgejahre ergeben sich ebenfalls deutlich mehr Spielräume. Die Aufwärtskorrekturen betragen + 33,8 Mrd. j (2023), + 33,6 Mrd. j (2024) und + 36,3 Mrd. j (2025). Die Gesamtsteuereinnahmen steigen innerhalb des Schätzzeitraums 2022 bis 2025 um + 4,5 % (2022), + 3,9 % (2023), + 4,2 % (2024) und + 3,8 % (2025) gegenüber den Vorjahren. Der Schätzzeitraum wurde um das Jahr 2026 ergänzt. In diesem Jahr wird ein Anstieg um + 3,5 % auf 987,5 Mrd. j erwartet.

Die aus gesamtwirtschaftlichen Gründen vorgenommenen Aufwärtskorrekturen für den Schätzzeitraum 2021 bis 2025 liegen insgesamt um 176 Mrd. j über der Mai-Steuerschätzung. Dagegen haben steuermindernde Steuerrechtsänderungen nur relativ geringfügig (2,3 Mrd. j) Anlass für eine Berichtigung gegeben. Gegenüber der vorangegangenen Schätzung im Mai wurden die finanziellen Auswirkungen folgender Gesetze und sonstigen Regelungen berücksichtigt:

– Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG) vom 2.6.2021 (BGBl I S. 1259),

– Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz  – FoStoG) vom 3.6.2021 (BGBl I S. 1498),

– Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) vom 25.6.2021 (BGBl I S. 2035),

– Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.6.2021 (BGBl I S. 2050), – Gesetz zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes und der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz vom 25.6.2021 (BGBl I S. 2065),

– Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) vom 11.7.2021 (BGBl I S. 2754); hier: Artikel 2 Nr. 14: Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung für Kinderlose ab 1.1.2022 von 0,25 Prozentpunkten auf 0,35 Prozentpunkte,

– Gesetz zur erleichterten Umsetzung der Reform der Grundsteuer und Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz – GrStRefUG) vom 16.7.2021 (BGBl I S. 2931); Artikel 4: Änderung des FAG,

– Sechstes Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes vom 16.7.2021 (BGBl I S. 3011),

– Gesetz zur Modernisierung des Tabaksteuerrechts (Tabaksteuermodernisierungsgesetz – TabStMoG) vom 10.8.2021 (BGBl I S. 3411),

– Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz 2021 – AufbhG 2021) vom 10.9.2021 (BGBl I S. 4147); Artikel 2: Änderung des FAG,

– Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG) vom 2.10.2021 (BGBl I S. 4602); Artikel 4: Änderung des FAG,

– BMF-Schreiben vom 17.9.2021, Az. IV A 3 – S 0338/19/10004 :005 (Dok 2021/0957238) zur Festsetzung von Zinsen nach §§ 233a bis 237 in Verbindung mit § 238 Absatz 1 Satz 1 AO; Vorläufige Festsetzung (§ 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 AO) und Aussetzung der Festsetzung von Nachzahlungs und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 (§ 165 Absatz 1 Satz 4 in Verbindung mit Satz 2 Nummer 2 AO); Aussetzung der Vollziehung und Ruhen von Rechtsbehelfsverfahren; hier: Aussetzung der Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019.

Bei den Gemeinden soll das bundesweite Steueraufkommen im Jahr 2021 um + 12,2 % auf 120,5 Mrd. j ansteigen. Dieses Aufkommen entspricht einem Anteil am gesamtstaatlichen Steueraufkommen von knapp 15 %. Im Vergleich zur Mai-Schätzung (+ 4,7 %) wurde der für 2021 erwartete Steueraufwuchs damit deutlich nach oben korrigiert. Für das Jahr 2022 wird als Folge des starken Zuwachses im Vorjahr lediglich ein moderates Plus (+ 1,6 %) erwartet. In den Folgejahren sollen die gemeindlichen Steuereinnahmen zwischen 3,7 % und 5,3 % steigen. Am Ende des Schätzzeitraums (2025) gehen die Steuerschätzer von einem gemeindlichen Steueraufkommen von 145,6 Mrd. j aus, was gegenüber dem Ist-Aufkommen im Jahr 2020 (107,5 Mrd. j) einem Zuwachs von rund 35 % entsprechen würde.

1. Rahmenbedingungen für die Schätzung

Der Steuerschätzung wurden die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion 2021 der Bundesregierung zugrunde gelegt, welche insbesondere auch die erwarteten Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung abbildet. Die Bundesregierung erwartet hiernach für dieses Jahr insbesondere aufgrund der länger als erwartet andauernden Lieferengpässe einen mit 2,6 % etwas geringeren Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts als noch in der Frühjahrsprojektion 2021 (+ 3,5 %). Angesichts der hohen Auftragsbestände in der Industrie und daraus resultierender Impulse wird im Jahr 2022 ein deutlicher Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts um 4,1 % erwartet. Im Jahr 2023 soll das Bruttoinlandsprodukt mit 1,6 % wieder moderater zulegen. Mittelfristig, d.h. in den Jahren 2024 bis 2026, geht die Bundesregierung von einem jahresdurchschnittlichen Wachstum von 0,8 % aus.  

a) Gemeindeanteil an der Einkommensteuer

Die Gemeinden erhalten 15 % des Aufkommens an Lohnsteuer und an veranlagter Einkommensteuer sowie 12 % des Aufkommens an Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 bis 12 sowie Satz 2 des Einkommensteuergesetzes. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wird insbesondere durch die Brutto- Lohn-Gehaltssumme (Lohnsteueraufkommen) und die Unternehmens- und Vermögenseinkommen (veranlagte Einkommensteuer) geprägt.

Nach einem deutlichen Rückgang im Jahr 2020 (– 4,7 %) soll das Lohnsteueraufkommen im Jahr 2021 um + 4,1 %auf 217,95 Mrd. j ansteigen. Im Mai wurde nur mit einem geringen Wachstum von + 1,0 % gerechnet. Die Aufwärtskorrektur ist insbesondere auf den deutlichen Rückgang der Kurzarbeiterzahlen zurückzuführen. Die Entwicklung des Lohnsteueraufkommens ist maßgeblich vom Verlauf der Bruttolöhne und -gehälter abhängig, deren Veränderung gegenüber der Frühjahrsprojektion 2021 für den gesamten Schätzzeitraum angepasst worden ist. Nachdem die Bruttolöhne und -gehälter im Jahr 2020 um – 0,8 % zurückgegangen sind, geht die Bundesregierung in der aktuellen Herbstprojektion für die Jahre 2021 und 2022 von einem Anstieg von + 3,6 % und + 4,6 % aus. In den Folgejahren wird bei den Bruttolöhnen und -gehältern mit einem Plus von 3,2 % (2023) und dann mit einer jährlichen Wachstumsrate von jeweils + 2,6 % gerechnet. Die geschätzten Wachstumsraten lassen das Lohnsteueraufkommen im Jahr 2026 auf voraussichtlich 283,50 Mrd. j ansteigen. Im Vergleich zum Ist-Aufkommen 2020 wäre dies ein Anstieg um rund 35 %. Die Aufkommensentwicklung bei der veranlagten Einkommensteuer hängt insbesondere von den Unternehmens- und Vermögenseinkommen ab. Bei dieser Einkommensgruppe wird für das Jahr 2021 mit einem kräftigen Anstieg um 14,3 % gerechnet. Ab dem kommenden Jahr setzt sich die Erholung fort mit projizierten Wachstumsraten von + 8,4 % (2022), + 3,5 % (2023), + 2,5 % (2024) und jeweils + 2,9 % in den Jahren 2025 und 2026. Auf dieser Schätzgrundlage ergibt sich bei der veranlagten Einkommensteuer im Jahr 2021 ein Aufkommen von 69,30 Mrd. j (+ 17,5 %). In den kommenden Jahren gehen die Steuerschätzer von jährlichen Veränderungsraten von – 6,4 % (2022), + 6,3 % (2023), + 8,0 % (2024), + 6,3 % (2025) und + 5,2 % (2026) aus. Bei der Abgeltungssteuer auf Zinsen und Veräußerungserträge wird für das Jahr 2021 ein deutlicher Zuwachs um + 40,5 % auf 9,50 Mrd. j erwartet.

Die vorstehenden Zahlen sind Grundlage für den gemeindlichen Anteil an der Einkommensteuer. Nach einem abrupten Rückgang im Jahr 2020 (– 4,8 %) soll der gemeindliche Anteil im Jahr 2021 bundesweit um + 7,7 % auf 44,23 Mrd. j ansteigen. Damit erfolgte im Vergleich zur letzten Steuerschätzung (+ 1,7 %) eine deutliche Aufwärtskorrektur. Grund dafür waren die besseren Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Auch in den Folgejahren stellt sich die Entwicklung beim Einkommensteueranteil der Gemeinden positiv dar. Die Zuwachsraten liegen zwischen + 2,6 % und + 5,7 %. Am Ende des Planungszeitraums (2026) liegt das Schätzaufkommen bei 56,11 Mrd. j. Gegenüber dem Ist-Aufkommen im Jahr 2020 wäre dies ein Anstieg von + 36 %. Im Jahr 2020 belief sich der Anteil des gemeindlichen Einkommensteueranteils am Gesamtsteueraufkommen der Gemeinden auf rund 38 %. Damit ist der Einkommensteueranteil nach der Gewerbesteuer die bedeutendste Einkommenssäule der Gemeinden.

b) Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer ist aus gesamtstaatlicher Sicht die bedeutendste Gemeinschaftssteuer. Im Jahr 2020 sank das Gesamtaufkommen der Umsatzsteuer anlässlich der Corona-Pandemie bundesweit um – 9,8 % auf 219,48 Mrd. j. Aufgrund der unterstellten konjunkturellen Erholung wird für das Jahr 2021 ein starker Anstieg von + 12,3 % erwartet, dem im darauffolgenden Jahr (2022) ein nochmaliger deutlicher Erholungseffekt von + 9,8 % folgen soll. Im weiteren Verlauf (2023 bis 2026) sollen die Zuwachsraten in einem Korridor zwischen + 2,5 % und + 4,2 % liegen. Die Gemeinden erhalten an der Umsatzsteuer einen Anteil von 2,2 %. Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer stellt nur einen geringen Anteil am Gesamtaufkommen der gemeindlichen Steuereinnahmen dar. Der gemeindliche Anteil erhöht sich noch um Festbeträge, die der Bund den Gemeinden überlässt. Diese Festbeträge haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Im Vorgriff auf die dauerhafte Entlastung der kommunalen Ebene durch den Bund um jährlich 5 Mrd. j ab dem Jahr 2018 erhielten die Kommunen vom Bund in dem Zeitraum 2015 bis 2017 jeweils eine Milliarde Euro (sog. „Bundesmilliarde“), die jeweils hälftig (0,5 Mrd. j pro Jahr) über den Umsatzsteueranteil an die Gemeinden flossen (der übrige Teil ging über den Erstattungsanteil des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung an die Gemeinden). Zusätzlich zu der Bundesmilliarde erhielten die Kommunen im Jahr 2017 Bundesmittel in Höhe von 1,5 Mrd. j. Diese zusätzlichen Bundesmittel wurden zum Großteil (1,0 Mrd. j) über den Umsatzsteueranteil und im Übrigen über die Erstattungsleistung für Kosten der Unterkunft und Heizung (0,5 Mrd. j) an die Kommunen transferiert.

Deshalb stieg das gemeindliche Umsatzsteueraufkommen im Jahr 2017 sprunghaft um 38,9 %. Ab dem Jahr 2018 wurde dann die dauerhafte Bundesentlastung von 5 Mrd. j pro Jahr kassenwirksam, die überwiegend (2,76 Mrd. j) über den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer bei den Gemeinden ankam. Zur Vermeidung einer Bundesauftragsverwaltung bei der staatlichen Transferleistung für die Kosten der Unterkunft und Heizung wurde im Jahr 2019 ein noch größerer Teil des 5-Mrd.-Euro-Pakets, nämlich 3,4 Mrd. j, über ihren Umsatzsteueranteil an die Gemeinden transferiert. Mit dem Gesetz zur Beteiligung des Bundes an den Integrationskosten der Länder und Kommunen in den Jahren 2020 und 2021 vom 9.12.2019 (BGBl I S. 2051) wurde auch für die Jahre 2020 und 2021 eine Anhebung des Umsatzsteuerfestbetrages vorgenommen. In diesen Jahren beläuft sich der Umsatzsteuerfestbetrag innerhalb des 5-Mrd.-Euro-Pakets auf 3,76 Mrd. j (2020) und 3,68 Mrd. j (2021). Nach aktueller Rechtslage sinkt dann der Umsatzsteuerfestbetrag ab dem Jahr 2022 wieder auf die ursprünglich festgelegte Höhe von 2,4 Mrd. j. Vor allem wegen der Kompensationszusage des Bundes zu Gunsten der kommunalen Ebene infolge der Steuermindereinnahmen aus der befristeten Umsatzsteuersenkung für das 2. Halbjahr 2020 und der Kinderbonuszahlung kam es im Jahr 2020 beim gemeindlichen Umsatzsteueranteil zu einem Anstieg um + 9,7 %. Ein Teil dieser Kompensationszahlungen wird erst im Jahr 2021 kassenwirksam. Dies erklärt den für 2021 prognostizierten geringen Anstieg beim Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer um + 0,2 %. Ohne den Kompensationseffekt wäre das Aufkommen zurückgegangen. Die bereits beschriebene Senkung des Umsatzsteuerfestbetrages innerhalb des 5-Mrd.-Euro-Entlastungspakets ab dem Jahr 2022 führt dazu, dass es im Jahr 2022 zu einem stärkeren Rückgang (– 14,0 %) kommt. In den Folgejahren sollen sich die Zuwächse zwischen von + 1,8 % und + 2,9 % bewegen.

Entnommen aus Gemeindekasse Bayern, Heft 3/2022, S. 49, Randnr. 25