Das Verwaltungsgericht Ansbach hat in unten vermerktem rechtskräftigem Urteil vom 18 .5.2020 untersucht, in welchen Grenzen die Mitwirkung einer Stadtwerke GmbH bei der Gebührenerhebung eine im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Gebührenbescheide noch zulässige Einbindung eines Verwaltungshelfers darstellt.
In dem konkreten Fall kam das Gericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH), wonach Verwaltungshelfer die Verwaltungsbehörde bei der Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben unterstützen, sie aber im Unterschied zu Beliehenen nicht selbständig tätig werden, zum Ergebnis, dass die Stadtwerke GmbH im zulässigen Rahmen als Verwaltungshelferin gehandelt hat und die Gebührenfestsetzung rechtmäßig erfolgte. Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger sind Eigentümer mehrerer Grundstücke in der Stadt … Die Stadt übertrug der Beklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts (Kommunalunternehmen), die Aufgabe der Abwasserbeseitigung, konkret unter anderem das Recht, Satzungen über die Benutzung der Einrichtungen sowie Satzungen über diesbezügliche Gebühren und Beiträge zu erlassen. Das Kommunalunternehmen betreibt dementsprechend auf Grundlage der Entwässerungssatzung eine Entwässerungseinrichtung. An diese sind die Grundstücke der Kläger angeschlossen. Auf Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) hat die Beklagte mit mehreren Bescheiden die Kläger zu Abwassergebühren herangezogen. Zudem ist auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung die Stadtwerke GmbH in die Abgabeerhebung eingebunden. Insbesondere werden im Vorfeld der Bescheide die Zählerstände an die Stadtwerke GmbH gemeldet. Während nur bei den Klägern die Beklagte jeweils die mitgeteilten Stände bei der Stadtwerke GmbH anfordert, die Bescheide selbst erstellt und verschickt, erfolgt die Gebührenabrechnung bei anderen Bürgern dergestalt, dass die Stadtwerke GmbH nach stichprobenartiger Überprüfung und Freigabe durch die Beklagte auch die Bescheide verschickt.(1) Die Kläger erhoben gegen die Bescheide teilweise erfolglos Widerspruch und stellten dabei heraus, dass nur ihnen gegenüber durch gesonderten Gebührenbescheid der Beklagten die Abwassergebühren festgesetzt würden. In dem von den Klägern gegen die Bescheide angestrengten Klageverfahren machten sie im Wesentlichen geltend, dass es sich bei der Einbindung der Stadtwerke GmbH um eine mangels gesetzlicher Grundlage unzulässige Beleihung eines Privaten handele. Zudem dürften Kosten, die durch entsprechende Entgelte an die auf Gewinnerzielung gerichtete Stadtwerke GmbH anfielen, nicht in die Kalkulation einbezogen werden, sodass eine Übererhebung vorliege. Die Beklagte argumentierte, dass die Stadtwerke GmbH im Fall der Kläger nur die Zählerstände mitgeteilt hätte, jedoch alle weiteren Tätigkeiten bezüglich des Bescheidserlasses ausschließlich von eigenen Personen der Beklagten vorgenommen worden seien. Die Bescheide seien durch Mitarbeiter der Beklagten ausgefertigt und eigenhändig unterzeichnet worden. Es sei für das vorliegende Verfahren bedeutungslos, ob und inwieweit die Stadtwerke GmbH in den anderen Fällen umfangreicher in den Prozess des Bescheidserlasses eingebunden sei. Das Gericht wies den Einwand hinsichtlich der Gebührenkalkulation ohne sachliche Auseinandersetzung gemäß § 87b VWGO aus prozessualen Gründen als verspätet zurück, hielt im Übrigen die Abwassergebührenbescheide für rechtmäßig und wies die Klagen ab. Der Entscheidung entnehmen wir:
Wird eine juristische Person des Privatrechts für den Betrieb einer Einrichtung gegründet, ohne ihr Hoheitsrechte zu übertragen, wird sie nur als Verwaltungshelfer tätig
Das Gericht erläutert zunächst: „Der Verwaltungsrechtsweg ist vorliegend eröffnet. Unabhängig davon, ob die Beklagte im Wege des Bescheidserlasses hätte vorgehen dürfen, ist sie jedenfalls nach außen hin öffentlich-rechtlich tätig geworden. Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurde augenscheinlich auch von der Beklagten erlassen, wie sich dem Briefkopf entnehmen lässt … Die Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 8 Abs. 1 KAG i.V.m. §§ 9 ff. Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung … Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung und die materiell-rechtliche Gültigkeit des Gebührenteils der Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Bescheid wurde auch von der Beklagten als Anstalt des öffentlichen Rechts … und nicht von einem Privaten, der Stadtwerke … GmbH, erlassen. Die Beklagte ist öffentlich-rechtlich tätig geworden. Die Stadtwerke … GmbH war nur nachgeordnet und damit lediglich als Verwaltungshelfer tätig. Der Schwerpunkt der zum Bescheidserlass notwendigen Schritte lag bei der Beklagten. Die in Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Organisationshoheit der Gemeinden gibt den Gemeinden das Recht, bei der Schaffung und Unterhaltung von Einrichtungen und Unternehmen privatrechtliche Gestaltungsformen zu wählen, und zwar auch in der Weise, dass sie eine selbständige juristische Person des Privatrechts gründen, der sie den Betrieb der Einrichtung übertragen. Dies kann in Verbindung mit der Übertragung von Hoheitsbefugnissen geschehen, dann liegt eine Beleihung vor. Sofern, wie im streitgegenständlichen Verfahren, vom Privaten keine Hoheitsrechte wahrgenommen werden, liegt die Tätigkeit eines Verwaltungshelfers vor; vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1.10.2009, Az. 6 S 99/09. Dabei ist es eine Frage des Einzelfalls, ob noch Verwaltungshilfe oder bereits eine Abgabe der Entscheidungsverantwortung vorliegt, die die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide zur Folge hätte.“
Verwaltungshelfer unterstützen die Behörde bei Durchführung bestimmter Aufgaben, werden aber im Unterschied zum Beliehenen nicht selbständig tätig
Insoweit wird in dem Urteil präzisiert: „Für die Annahme der Tätigkeit der Stadtwerke … GmbH als Verwaltungshelfer ist – in Abgrenzung zum selbständigen Tätigwerden eines Privaten – hier maßgebend, dass sie im Rahmen einer untergeordneten Tätigkeit auf Weisung der Behörde tätig geworden ist. Eine eigenständige Ausübung hoheitlicher Gewalt ist mit ihrer Stellung als Verwaltungshelfer nicht verbunden. Verwaltungshelfer unterstützen die Verwaltungsbehörde bei der Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben, werden aber – im Unterschied zum Beliehenen – nicht selbständig tätig, sondern nehmen Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde wahr; vgl. BayVGH Urteil vom 1.6.2017, Az. 20 B 16.2241. Der Verwaltungshelfer wird für eine Behörde nach außen im Auftrag, im Namen und nach Weisung der Behörde tätig und unterstützt die Behörde im Rahmen untergeordneter Tätigkeiten vorbereitend oder rein ausführend bei der Wahrnehmung der weiterhin der Behörde zugewiesenen Aufgaben. Der Verwaltungshelfer handelt also ohne eigene verwaltungsrechtliche Kompetenz, übt keine eigene Hoheitsmacht aus, weshalb seine Handlungen der Verwaltung zugerechnet werden … Der Verwaltungshelfer tritt bei der Abgabe von Erklärungen als eine Art Bote auf. Dabei kommt bei direkt nach außen wirkenden Durchführungsmaßnahmen des Verwaltungshelfers der Unselbständigkeit im Handeln, dem technischen Charakter der Handlung sowie der Sachnähe zur öffentlichen Aufgabe sowie deren Hoheitscharakter indizielle Bedeutung zu … Über die Tätigkeit eines Verwaltungshelfers geht es dann hinaus, wenn der ,Verwaltungshelfer‘ eigenständig die vollständige Einzelveranlagung übernimmt, also Daten ermittelt, Satzungsnormen anwendet, rechtliche Tatbestände prüft und Bescheide – wenn auch in fremdem Namen – erlässt, da in diesem Fall der eigentliche Entscheidungsträger der Verwaltungshelfer und nicht die Behörde ist, vgl. dazu OVG Thüringen, Urteil vom 14.12. 2009, Az. 4 KO 482/09.“
Wer über die Gebührenhöhe entscheidet, die Bescheide selbst erstellt und versendet, ist alleiniger Entscheidungsträger
Zu den Einzelheiten des konkreten Falles führt das Gericht aus: „Die Stadtwerke … GmbH ist vorliegend nur als Verwaltungshelfer tätig geworden. Sowohl im Rahmen der intern bleibenden Tätigkeiten wie auch beim Auftreten nach außen liegen reine Hilfstätigkeiten vor. Hoheitliche Maßnahmen hat nur die Beklagte wahrgenommen. Nach unbestrittenem Vortrag hat die Beklagte die Gebührenbescheide selbst erstellt und die monatlichen Abschlagszahlungen berechnet, nachdem ihr von der Stadtwerke … GmbH die Zählerstände gemeldet worden sind, was eine rein unterstützende Tätigkeit darstellt. Die Entscheidung über die Gebührenhöhe lag bei der Beklagten. Das von der Beklagten eigenständig ermittelte Ergebnis hat die Beklagte der Stadtwerke … GmbH mitgeteilt, die dieses dann in ,Systeme, Anwendungen und Produkte‘ (SAP) eingegeben hat, was ebenfalls eine unselbständige, rein ausführende Tätigkeit ist. Die Gebührenbescheide wurden von der Beklagten selbst an die Kläger versandt. Auf den an die Kläger versandten Bescheiden ist als Absender nur die Beklagte genannt, so dass auch das tatsächliche Auftreten nach außen für das Tätigwerden der Beklagten selbst spricht, die von der Stadtwerke … GmbH als Verwaltungshelfer lediglich unterstützt wurde. Die Beklagte war bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide alleiniger Entscheidungsträger, die Stadtwerke … GmbH auf rein unterstützende Tätigkeiten beschränkt.“
Auch Formulierungen in einem Betriebsführungsvertrag können zur Klärung, ob nur unterstützende Handlungen eines Verwaltungshelfers vorliegen, berücksichtigt werden
Hierzu wird in der Entscheidung dargelegt: „Diese Aufgabenteilung geht auch konform mit dem Betriebsführungsvertrag … Im Betriebsführungsvertrag vom 24.8.2012 sind, anders als im Betriebsführungsvertrag vom 20.7.2017, die Tätigkeiten … noch genauer definiert. … Dabei ist die Anlage 1 zum Betriebsführungsvertrag vom 20.7.2017 zurückhaltender formuliert als die zum Betriebsführungsvertrag vom 24.8.2012. So werden in der Anlage 1 zum späteren Vertrag die von der Stadtwerke … GmbH zu erbringenden Betriebsführungsleistungen erheblich deutlicher als reine Unterstützungstätigkeiten formuliert als in der früheren Anlage. Diese neuen Formulierungen heben die rein unterstützende Leistung der Stadtwerke deutlich hervor. Die Neuformulierung spiegelt jedoch keine geänderte Praxis der Tätigkeiten der Stadtwerke … GmbH wider. Vielmehr wurden die Formulierungen den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst, um weitere Irritationen zum Tätigkeitsumfang der Stadtwerke … GmbH zu vermeiden, wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausführte. … Unter Punkt 4. … ist Spiegelstrich 3 unverändert geblieben. Dieser lautet nach wie vor: ,Die … wird bei der Abrechnung der Einleitungsgebühren von der Stadtwerke … GmbH als Verwaltungshelfer unterstützt‘. Auch diese Formulierung, die anders als die anderen Leistungen, die sich überwiegend auf das reine Internum beziehen, ein Tätigwerden in Bezug auf Dritte umfasst, stellt auf die unterstützende Tätigkeit, nämlich ausdrücklich auf den ,Verwaltungshelfer‘ ab. Wie oben bereits ausgeführt, wurde bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide auch nicht über die hier festgeschriebene reine Verwaltungshelfertätigkeit hinausgegangen.“
Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG begründet keine individuellen Rechte
Zu diesem Aspekt heißt es schließlich: „Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei Erlass der streitgegenständlichen Gebührenbescheide gegen Art. 33 Abs. 4 GG verstoßen wurde. Nach dieser Bestimmung ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG begründet jedoch keine Individualrechte. Er enthält lediglich eine objektiv-rechtliche Verfassungsregelung. Diese dient nicht dem Schutz oder den Interessen des Einzelnen.“
Anmerkung (Fußnote 1): Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger bereits in der Vergangenheit ein Klageverfahren gegen Abwassergebührenbescheide der Beklagten geführt haben. Damals versandten die Beklagte und die Stadtwerke GmbH unter einem gemeinsamen Briefkopf maschinell erstellte, an die Kläger adressierte Schreiben mit dem Betreff „Rechnung bzw. Gebührenbescheid“. Die Schreiben enthielten als Anlage jeweils Bescheide der Beklagten, die auch den Briefkopf der Beklagten trugen, über die Abwassergebühren und private Rechnungen der Stadtwerke. Aus Sicht der Kläger hatte die konkrete Form der Einbindung der Stadtwerke GmbH, die unter anderem zum Erstellen und Versenden von Gebührenbescheiden bevollmächtigt gewesen sei, das zulässige Maß überschritten. Die Beklagte hatte hingegen unter anderem argumentiert, dass vor Zustellung der im Regelfall automatisiert erstellten Bescheide ein Vorabdruck erzeugt und zwei Bediensteten der Beklagten zum Zwecke der Überprüfung vorgelegt werde. Das Verwaltungsgericht Ansbach wies die Klage mit Urteil vom 25.11.2014 (Az. AN 1 K 14.297) ab. Es ging davon aus, dass die Beklagte unzweifelhaft nach außen als Entscheidungsträgerin aufgetreten sei und die Stadtwerke GmbH innerhalb der zulässigen Grenzen als Verwaltungshelferin agierte. Es führte ferner aus: „Der Stadtwerke … GmbH obliegt die öffentliche Wasserversorgung im Hoheitsbereich der Beklagten, womit ihr auch die Daten des Frischwasserverbrauchs für die Gebührenpflichtigen vorliegen, welche wiederum Grundlage für Ermittlung der Abwassergebühr sind … Um eine einfache und kostengünstige Festsetzung der Abwassergebühren zu ermöglichen, ist es deshalb sinnvoll und rechtlich auch nicht zu beanstanden, auf die bereits bei den Stadtwerken vorhandenen Daten zurückzugreifen und die Stadtwerke … GmbH als Verwaltungshelfer in das Verwaltungsverfahren zur Erstellung der Gebührenbescheide für die Benutzung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten einzubinden. Nach den Darlegungen der Beklagten … beschränkt sich die Tätigkeit der Stadtwerke … GmbH als Verwaltungshelfer im Wesentlichen darauf, dass diese der Beklagten die für die Abrechnung der Gebühren erforderlichen elektronischen Systeme zur Verfügung stellt, dieser die Angaben über den Frischwasserverbrauch …
GKBY 22/2021, Rn. 108