Rechtsprechung Bayern

Auskunftsanspruch einer Rundfunkanstalt gegen ein kommunales Verkehrsunternehmen

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Dem unten vermerkten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts  (BVerwG) vom 26.4.2021 lag im Kern folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, begehrt von der Beklagten, einem Verkehrsunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft mit ganz überwiegender Mehrheitsbeteiligung einer Stadt, Auskünfte zu den Umständen des Ausscheidens des Beigeladenen, des ehemaligen Vorstandssprechers der Beklagten.

Hinsichtlich der Fragen 2 und 8 gab das vorinstanzliche Oberverwaltungsgericht der Klage statt. Frage 2 bezog sich darauf, ob der Beigeladende das Unternehmen aus eigenem Antrieb verlassen wollte. Mit Frage 8 wollte die Klägerin wissen, ob es Beschwerden von Betroffenen oder Dritten gegeben habe. Die Revision der Beklagten führte aus, sie sei als privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft keine informationspflichtige Behörde. Die Klägerin verlange zudem Bewertungen, die nicht geschuldet seien. Einer Auskunft stünden auch Vorschriften über die Geheimhaltung und überwiegende schutzwürdige Interessen entgegen. Zum einen müsste die Beklagte ihre Vertraulichkeitspflichten missachten. Zum anderen würde sie mit einer unterstellt bejahenden Auskunft sehenden Auges die Reputation des Beigeladenen zerstören. Die Beklagte treffe zudem keine Pflicht zur Ermittlung nicht aktenkundiger Informationen durch Befragung diverser Personen aus ihrem Unternehmen. Mit diesem Vorbringen hatte die Beklagte vor dem BVerwG keinen Erfolg, seinem Urteil ist zu entnehmen:

1. Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruchs von Rundfunkanstalten

„Rechtsgrundlage des Auskunftsanspruchs von Rundfunkveranstaltern – hier der Klägerin als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt – gegenüber Behörden ist § 5 Abs. 1 des Medienstaatsvertrags … – MStV – der mit Wirkung vom 7.11.2020 in Kraft getreten und nach § 114 MStV revisibel ist … Der Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV begründet zwischen dem Auskunftsberechtigten und dem Auskunftsverpflichteten ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Die gesetzliche Verpflichtung, Rundfunkveranstaltern Auskünfte zu erteilen, knüpft spezifisch an die besondere Pflichtenstellung der auskunftspflichtigen Stelle als Behörde an und verpflichtet diese nicht (nur) als Teilnehmerin am allgemeinen Rechtsverkehr.“

2. Ein von der öffentlichen Hand beherrschtes (Verkehrs-)Unternehmen ist Behörde i. S. von § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV und als solche auskunftspflichtige Stelle

„Entsprechend den landesrechtlichen Auskunftsansprüchen der Presse ist beim Auskunftsanspruch nach dem Medienstaatsvertrag ein funktionell-teleologisches Verständnis des Behördenbegriffs zugrunde zu legen. Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, den Rundfunkveranstaltern die durch Art. 5 GG garantierte Funktion im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten und es ihnen so zu ermöglichen, ihre Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse umfassend und wahrheitsgetreu zu erhalten. Die Berichterstattung über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich hierbei nicht auf die staatliche Eingriffsverwaltung. Die verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgesicherte Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Medien in Bezug auf den Staat und seine Institutionen ist unabhängig von dem Funktionsbereich, der Organisation und der Form staatlichen Handelns. Ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis besteht insbesondere auch dann, wenn sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben einer privatrechtlichen Organisationsform bedient. Der Behördenbegriff erfasst daher auch juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, namentlich im Bereich der Daseinsvorsorge, eingesetzt werden (vgl. BGH, Urteile vom 10.2.20051) – III ZR 294/04 – NJW 2005, 1720 f. = juris Rn. 12 …). Auf dieser Grundlage liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die tatsächlichen Voraussetzungen der Behördeneigenschaft bei der Beklagten vor. Hiernach werden die Anteile an ihr zu 99 Prozent von der … Verkehrsgesellschaft mbH gehalten, die wiederum vollständig im Eigentum der Stadt steht. Die Beklagte betreibt einen Großteil des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt und wird damit im Bereich der Daseinsvorsorge eingesetzt.“

3. Der Auskunftsanspruch besteht nur bezüglich Tatsachen, nicht Werturteilen

„Der Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV ist auf die Mitteilung von Tatsachen gerichtet. Es besteht kein Anspruch auf eine Bewertung oder eine Kommentierung von Sachverhalten durch die auskunftspflichtige Stelle … Wird eine Auskunft über sogenannte innere Tatsachen wie Absichten, Motive und sonstige Überlegungen erbeten, kann die auskunftspflichtige Stelle dem nur nachkommen, wenn diese inneren Vorgänge sich in irgendeiner Form bei dieser manifestiert haben. Fehlt es an einer solchen Manifestation, besteht kein Auskunftsanspruch …  Mit dem Berufungsgericht ist die Frage der Klägerin, ob es zutrifft, dass der Beigeladene das Unternehmen … 2014 aus eigenem Antrieb verlassen wollte (Frage 2), auf einen nach außen betätigten oder geäußerten Willen des Beigeladenen zum Verlassen des Unternehmens zu beziehen. Es handelt sich hierbei um eine nach außen hin manifestierte Tatsache und nicht um rein innerlich gebliebene Gedanken oder Wünsche. Ein Werturteil steht nicht inmitten. Nicht anders liegt es hinsichtlich der Frage 8. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, diese Frage dahingehend auszulegen, dass die Klägerin wissen möchte, ob es Beschwerden von Betroffenen oder Dritten … gegeben habe … Die Begründetheit solcher Beschwerden ist angesichts der Fragestellung nicht maßgeblich.“

4. Der Auskunftsanspruch ist auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen beschränkt

„Das BVerwG hat zum verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entschieden, dass sich der Informationszugang auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen beschränkt. Das sind diejenigen Informationen, die zum Zeitpunkt des begehrten Informationszugangs tatsächlich vorliegen. Das Auskunftsrecht führt demgegenüber zu keiner Informationsbeschaffungspflicht der Behörde. Müssten Informationen erst durch Untersuchungen generiert werden, sind sie als Gegenstand eines Auskunftsanspruchs noch nicht vorhanden (BVerwG, Urteil vom 20.2.20132) – A 2.12 – BVerwGE 146, 56 Rn. 30; …). Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV gilt nichts Anderes. Zu den bei der informationspflichtigen Stelle vorhandenen Informationen gehören auch auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Informationen, die nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wurden. Der Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV ist – anders als der Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (vgl. § 2 Nr. 1 IFG) – nicht auf Aufzeichnungen beschränkt. Zur Erteilung von Auskünften hinsichtlich nicht aufgezeichneter Informationen bedarf es gegebenenfalls der Abfrage präsenten dienstlichen Wissens bei der nach der internen Geschäftsverteilung sachlich zuständigen Stelle oder bei einem für den abgefragten Sachverhalt sachlich zuständigen Mitarbeiter. Letzteres gilt auch dann, wenn sich die zuständige Stelle oder der Aufgabenbereich von Mitarbeitern innerhalb der informationspflichtigen Stelle zwischenzeitlich geändert hat. Mit einer solchen – internen – Nachfrage wird die Schwelle zur Sachverhaltserforschung nicht überschritten. Hierbei geht es um Behördenwissen. Mangels Informationsbeschaffungspflicht ist demgegenüber eine Befragung ausgeschiedener Behördenleiter, Mitarbeiter oder – bei entsprechender Organisationsform – Organmitglieder nicht geschuldet.“

Lesen Sie den gesamten Beitrag in der FstBY 9/2022, Rn. 101.